Ich schlage ihm in den Magen, wirble um ihn herum und ramme ihm den Ellbogen in den Nacken. Er geht zu Boden und ich eile hinterher, um es noch einmal zu versuchen. Ich lege einen Arm um sein Gesicht, den anderen um seinen Hinterkopf. Er versucht zu schreien, mich zu beißen, aber dann reiße ich seinen Kopf herum und höre das krachende Brechen seiner Wirbelsäule. Er ist allerdings nicht tot, sondern nur gelähmt. Auf dem Rücken liegend, rasen seine Pupillen hin und her. Sein Mund ist offen und er versucht zu schreien, aber er kann nur heiser atmen. Ich durchsuche seine Taschen. Finde zwar den Schlüssel nicht, den ich suche, aber dafür ein Springmesser. Ich lasse die Klinge herausschnellen und ramme sie ihm direkt in die Kehle.
Er stirbt immer noch nicht sofort. Erst einmal windet sich sein Körper in Krämpfen, wobei er Geräusche macht, als würde er ersticken. Nach einer Minute sackt er endlich in sich zusammen. Ich stehe auf und ziehe das Gewehr hervor. Ich entsichere es und gehe los, in Richtung des Wachhäuschens. Die Männer darin kann ich immer noch hören, offenbar haben sie nichts bemerkt. Niemand von ihnen wundert sich, wo ihr Kumpel bleibt. Die Eingangstür ist offen, nur ein Fliegengitter beschützt sie jetzt noch vor mir. Licht strahlt heraus auf die trockene Erde. Von der Seite kommend, lege ich eine Hand auf die Tür. Ich atme einmal tief durch, dann gehe ich rein.
Drinnen sitzen drei Männer und spielen Karten. Auf dem Tisch sind leere Bierflaschen verteilt, außerdem Tüten mit Chips und Brezeln. Erst sagt einer von ihnen: »Rico, das hat aber gedauert«, dann schaut einer der anderen auf, sieht mich, wirft seine Karten weg und stößt seinen Stuhl zurück. Die anderen folgen seinem Vorbild.
Ich schieße dreimal auf jeden von ihnen. Zwei bekommen die Kugeln direkt in die Brust und gehen zu Boden, ohne Probleme zu machen. Der Letzte bewegt sich zu schnell und wird nur in der Schulter getroffen. Er geht zwar auch zu Boden, doch er lebt noch und zieht seine Waffe, dann versucht er aufzustehen und in meine Richtung zu zielen. Ich hechte auf ihn zu – er ist schnell, aber ich bin schneller, und ich schieße ihm direkt zwischen die Augen.
Für einen Moment tue ich nichts, außer einfach nur dazustehen. Mein Herz rast. Ich rieche den Schweiß der Männer sowie das billige Bier, außerdem den Geruch von Galle, die von ihren sterbenden Körpern ausgeworfen wird.
Ich fange mit dem Mann an, den ich zuletzt getötet habe. Keine Schlüssel. Der Nächste hat welche. Einen ganzen Schlüsselbund, den ich an mich nehme und mit dem ich zur Ranch eile.
Nach einigen Fehlversuchen habe ich den richtigen Schlüssel erwischt, mache die Tür auf und trete ein. Ich ertaste den Lichtschalter und es wird hell.
Der ganze Raum ist mit Pritschen gefüllt, es sind mindestens dreißig Stück. Etwa die Hälfte davon sind belegt. Unter den Bettdecken lugen angsterfüllte Augen hervor. Die Frauen denken natürlich, dass einer der Wärter reingekommen ist, keine Killerin mit einem Gewehr auf der Schulter. Rosalina hat mir gesagt, dass die meisten der Mädchen Mexikanerinnen sind, also wende ich mich auf Spanisch an sie.
»Ihr müsst alle gehen. Beeilt euch und schnappt eure Sachen!«
Niemand bewegt sich. Sie müssen denken, dass sie träumen.
»Sofort!«, brülle ich und die Mädchen zucken zusammen. Dann springen sie auf und laufen durcheinander. Viele von ihnen lächeln. Ich stehe einfach nur da und beobachte sie, bis ein Mädchen mit einem angeschwollenen, blauen Auge auf mich zukommt.
»Wer bist du?«, fragt sie.
»Das ist egal. Ich bin hier, um euch zu befreien.«
»Was ist mit den anderen?«
»Rosalina ist in Sicherheit.«
Ich erwarte einen erleichterten Gesichtsausdruck, doch das Gegenteil ist der Fall.
Sie wiederholt: »Was ist mit den anderen?«
»Welche anderen?«
Die Augen des Mädchens weiten sich vor Angst. Auch die anderen jungen Frauen halten inne. In der abrupt eintretenden Stille höre ich dasselbe wie alle anderen – ein Geräusch, was sie wahrscheinlich jede Nacht hören: näherkommende Fahrzeuge. Mindestens zwei Stück.
Kapitel 12
Auf der Fahrt hierher hat Rosalina mir erklärt, wie die Mädchen transportiert werden. Jede Nacht werden sie von Männern in SUVs in die Stadt gefahren. Normalerweise bleibt ein Aufpasser in der Nähe, damit sie während ihrer Einsätze nicht abhauen. Rosalina hat es einmal versucht, doch sie kam nicht weit und zur Strafe wurden ihr beide kleine Finger gebrochen.
Das sind jetzt also diese Fahrzeuge … zwei SUVs voller Bewaffneter und den Mädchen, die von ihren Einsätzen in dieser Nacht zurückkommen. Schon bald werden die Männer also herausfinden, was mit ihren Kollegen passiert ist. Dann werden sie wütend sein, um mal stark zu untertreiben. Sie werden verdammt nochmal ausflippen. Und ich stehe hier, gefangen in einem Gebäude mit über einem Dutzend unbewaffneter Frauen.
Ich mache das Licht wieder aus und schließe die Tür. Den Mädchen sage ich, dass sie wieder in ihre Betten gehen sollen. Manche fluchen, manche weinen. Ich erhebe die Stimme und spreche nachdrücklich Spanisch und Englisch – sie müssen sich beeilen und so tun, als wäre nichts vorgefallen.
Draußen haben die Fahrzeuge angehalten, die Motoren werden ausgeschaltet. Ich höre, wie sich Türen öffnen und Männer reden.
Meine Augen haben sich noch nicht an die Dunkelheit gewöhnt, aber ich beeile mich und lege mich in ein freies Bett. Dann ziehe ich die Decke hoch, um das FN-15 zu verbergen. Sofort überkommt mich eine Welle übler Körpergerüche. Ich frage mich, wie oft die Mädchen überhaupt frische Bettwäsche bekommen.
Im Dunkeln fragt eines der Mädchen auf Spanisch: »Was machst du?«
»Ruhe!«, befehle ich.
Draußen knirschen Stiefel auf dem trockenen Untergrund. »Die werden dich töten«, sagt eines der anderen Mädchen.
»Psst!«, flüstere ich.
Ein Schlüssel gleitet ins Schloss. Nach einer kurzen Pause wird er wieder herausgezogen. Eine Stimme murmelt etwas, eine andere antwortet.
Ich schließe die Augen und atme einmal tief durch.
Der Türknauf dreht sich.
Ich atme noch einmal durch und umklammere das Gewehr.
Dann öffnet sich die Tür.
Eines der Mädchen schluchzt immer noch. Ich umklammere das Gewehr noch fester.
Jemand macht das Licht an. Ich muss die Augen zusammenkneifen und drehe meinen Kopf etwas zur Seite, wie es die anderen Mädchen auch tun. Die zurückkommenden Gefangenen kommen auf ihren Stilettos hereingestolpert, alle in freizügiger Kleidung. Eine von ihnen kaut Kaugummi, was mich kurz an Scooter denken lässt. In diesem Moment treffen sich unsere Blicke und sie bleibt wie angewurzelt stehen.
Nun treten zwei Männer ein. Sie tragen keine sichtbaren Waffen, doch ich bin sicher, dass sie welche dabeihaben. Einer von ihnen knurrt: »Gloria, geh in dein verdammtes Bett!«
Gloria starrt mich einen weiteren Moment an, dann geht sie weiter und auch das Kauen geht wieder los. Aber es ist schon zu spät. Die sechs anderen Mädchen haben mich auch gesehen und fragen sich, wer dieses neue Gesicht ist, warum ich hier bin, und was los ist.
Aber im Endeffekt ist das egal.
Denn in diesem Moment haben die Männer aus den Fahrzeugen das Wächterhaus erreicht. Geschrei geht los, zwei oder drei Männer brüllen, dass ein Angriff stattgefunden hat, und die beiden Männer vor mir greifen nach ihren Waffen.
Fuck. Ich muss mich an die Arbeit machen.
Ich werfe die Decke beiseite und