OHNE AUSWEG (Holly Lin). Robert Swartwood. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Robert Swartwood
Издательство: Bookwire
Серия: Holly Lin
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958355545
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die Klappe halten und sich benehmen würden.

      Das Leute-Töten, die geheimen Regierungsaufträge, die mache ich eher so nebenbei und behalte das für mich.

      »Möchtest du nicht, dass ich diese Männer töte, Rosalina?«

      Sie denkt einen Moment darüber nach, hebt ihren Daumen zum Mund und beißt auf den Nagel. Schließlich schüttelt sie den Kopf.

      »Diese Männer«, sagt sie, »sind böse, wirklich unglaublich böse. Aber …«

      »Aber?«

      »Aber wir Frauen, wir sind alle illegal hierhergekommen. Was wird dann aus uns?«

      Es fühlt sich an, als hätte mir jemand einen riesigen Korkenzieher in den Bauch gerammt und würde ihn jetzt weiter und weiter drehen. Hier ist ein Mädchen, das jünger ist als ich, aber zehn Jahre älter aussieht, die in ein Leben der Prostitution gezwungen wurde, bei der sie regelmäßig verprügelt wird – doch das ist ihr lieber, als nach Hause geschickt zu werden.

      »Glaubst du, du wirst zurückgeschickt?«

      Rosalina lacht leise, auf eine zynische Art. »Jeder in diesem Land hasst Leute wie mich. Wir sind … weniger wert als andere Menschen. Wir sind Abfall. Die werden mich zurückschicken, ohne auch nur eine Sekunde darüber nachzudenken oder Mitleid zu haben.«

      »Aber wärst du nicht lieber wieder in deinem Land? Hast du keine Familie dort?«

      »Doch, meinen Mann und meine Kinder.«

      Rosalina sieht meinen Gesichtsausdruck und schüttelt schnell den Kopf. »Nein, nein, du kannst mir glauben, ich liebe und vermisse meine Familie – mehr als alles andere auf der Welt. Wir sind vor vier Jahren hierhergekommen, zusammen mit einem Dutzend anderer. Aber dann kam die Polizei und hat meinen Mann und die Kinder und die meisten anderen abgeschoben. Es waren nur ein paar von uns übrig, alles Frauen, und wir hatten nichts – kein Geld, kein Zuhause, nichts.«

      »Ich verstehe es immer noch nicht. Warum willst du dann nicht zurück?«

      »Weil … weil das hier Amerika ist.« Sie sagt das, als wäre es das Natürlichste der Welt und ein gewisses Feuer flammt in ihren Augen auf. »Das Land von Reichtum und Freiheit. Natürlich muss man dafür arbeiten, doch sobald ich genug Geld habe, werde ich meinen Mann und die Kinder nachholen.«

      Ich verstehe langsam, wo die Reise hingeht, und frage: »Rosalina, wie viel Geld hast du verdient, seit du auf der Ranch bist?«

      Sie schaut weg und rechnet im Kopf zusammen. »Fast sechshundert Dollar.«

      »Das heißt also, dir fehlen noch viertausendvierhundert Dollar zur Freiheit!«

      Sie nickt, diesmal langsam, und das Licht in ihren Augen wird etwas schwächer.

      Ich sage ihr nicht das Offensichtliche, denn sie muss es längst selbst wissen, auch wenn sie sich selbst etwas vorlügt. Sie starrt mich einfach an und ihre Augen füllen sich wieder mit Tränen. »Ich kann nicht mit leeren Händen zurückkommen.«

      Ich greife wieder in die Sporttasche und hole das letzte Spielzeug raus, das Scooter mir mitgegeben hat. Es ist ein Nachtsicht-Zielfernrohr, das ich mir in die Hosentasche stopfe. Dann mache ich leise die Autotür zu und umrunde den Wagen, wobei ich Augenkontakt mit Rosalina halte. Als ich sie erreiche, lege ich ihr meine Hand auf die Schulter und bitte sie noch einmal, mir alles über die Ranch zu sagen, was sie weiß.

      Sie wischt sich die Tränen aus den Augen und schüttelt langsam den Kopf. »Bitte, erkläre es mir – warum machst du das?«

      Ich denke an die Frau, die ich mal kannte – die mich ihre Freundin nannte, und sage zu Rosalina: »Weil niemand anderes es tun wird.«

      Kapitel 11

      Die nächtliche Wüste hat einen grünlichen Teint angenommen. Das Ranchhaus hebt sich deutlich ab, sodass ich es gut erkennen kann – es ist ein flaches Backsteingebäude mit vergitterten Fenstern. Daneben steht ein weiteres Gebäude, ein kleiner Schuppen, von dem Rosalina sagte, dass die Wachen dort den Großteil ihrer Zeit verbringen.

      Es gibt in keinem der Gebäude Strom oder fließend Wasser. Stattdessen brummt ein Generator leise vor sich hin und sorgt dafür, dass in dem Wachhäuschen Licht brennt. Ich liege auf dem Bauch auf einer felsigen Anhöhe und halte mir das Nachtsicht-Zielfernrohr ans Auge. Dann setze ich mich auf und drehe mich zurück zur anderen Seite des Hügels, wo ich das Auto geparkt habe. Rosalina sitzt noch drinnen, die Schlüssel stecken im Zündschloss. Ich habe ihr gesagt, wenn ich nicht in einer Stunde wieder da bin oder Gefahr droht, soll sie mit dem Auto abhauen und nicht mehr wiederkommen.

      Jetzt durchbricht ein Geräusch die schwere Stille. Vonseiten der Ranch quietschen rostige Scharniere, denn eine Tür öffnet sich. Ein Mann tritt heraus und ich richte das Zielfernrohr auf ihn. Er ist groß, lateinamerikanischer Abstammung und trägt eine Waffe im Gürtelholster. Für einen Moment steht er da, starrt in die Stille und zieht dann ein Päckchen Zigaretten aus der Tasche. Er steckt sich eine an und läuft in Richtung einiger verdorrter Büsche, wo er sich die Hose aufmacht.

      Ich sehe ihm beim Rauchen und Pissen zu. Dann macht er sich die Hose wieder zu, dreht sich weg und nimmt einen letzten Zug, bevor er den Zigarettenstummel auf den Boden wirft und ihn mit seinem Stiefelabsatz austritt. Der Mann geht zurück zur Hütte, dreht sich noch einmal um und lässt seinen Blick über die dunkle Landschaft schweifen, dann geht er wieder hinein.

      Nachdem ich das Zielfernrohr wieder verstaut habe, ziehe ich mir die FN-15 von der Schulter. Fest umklammere ich das Gewehr mit beiden Händen, als ich mich vorsichtig an den Abstieg mache. Es ist sehr dunkel, deswegen setze ich langsam einen Fuß vor den anderen und prüfe bei jedem Schritt erst einmal, ob der Untergrund mein Gewicht trägt. Das dauert eine Weile, aber irgendwann bin ich nur noch zwanzig Meter von der Ranch entfernt. Aus der Nähe kann ich nun Stimmen und Musik aus der Unterkunft der Wachen hören. Jemand lacht, jemand anderes hustet. Ich höre für eine Minute zu und komme zu dem Schluss, dass sich dort mindestens vier Männer aufhalten.

      Ich setze meinen Weg zum Hauptgebäude fort, wobei ich das Gewehr auf das Wachhäuschen gerichtet halte. Rosalina hat mir gesagt, dass ihre Peiniger das Ranchgebäude manchmal unverschlossen lassen, um den Frauen ein falsches Gefühl von Freiheit zu vermitteln. Wenn dann eine von ihnen dumm genug ist und zu fliehen versucht, wird sie vergewaltigt und verprügelt.

      Doch heute Nacht ist den Wächtern offenbar nicht nach solchen Spielchen zumute. Die Tür ist abgeschlossen.

      Vielleicht hat das mit dem Ärger zu tun, der sich ereignet hat. Die Männer müssen wissen, was passiert ist, da mindestens eines der Mädchen darin verwickelt war.

      Die rostigen Scharniere schreien erneut in die Nacht hinaus. Ein Mann tritt aus dem kleinen Gebäude, ein anderer als das Mal davor, der aber auch eine Waffe bei sich trägt. Ich erwarte schon, dass er auch eine Zigarette aus der Tasche zieht, aber das tut er nicht. Stattdessen läuft er auf dasselbe Gebüsch zu. Muss ihr Lieblingsbusch zum Anpissen sein.

      Im Kopf gehe ich meine Möglichkeiten durch. Viele habe ich nicht.

      Der Kerl bleibt vor dem Buschwerk stehen und macht sich die Hose auf. Für einen Moment steht er nur da und murmelt etwas auf Spanisch, dann höre ich den steten Strom von Urin auf den trockenen Boden pladdern. Ich habe keine Zeit zum Nachdenken. Er ist zwanzig bis dreißig Meter entfernt. Er hat mir seinen Rücken zugedreht. Er hat eine Schusswaffe, aber ich habe drei. Deswegen zögere ich nicht länger und schleiche in seine Richtung, wobei ich mein Bestes gebe, mit meinen Turnschuhen keine Geräusche auf dem harten, sandigen Untergrund zu machen. Als ich am Wachhaus vorbeikomme, höre ich wieder Stimmen, Gelächter und Musik. Einer der Männer fragt, ob noch jemand ein Bier möchte. Ich komme immer näher an seinen ausdauernd pissenden Kollegen heran, der irgendeine Melodie pfeift, die ich nicht erkenne.

      Fünfzehn Meter … zehn Meter … fünf Meter …

      Er hört mich, als ich fast hinter ihm bin. Er dreht sich um, seine Hand geht in Richtung seiner Waffe. Da bin ich auch schon an ihm dran, das