OHNE AUSWEG (Holly Lin). Robert Swartwood. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Robert Swartwood
Издательство: Bookwire
Серия: Holly Lin
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958355545
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      Sie zuckt mit den Schultern und schaut beschämt zur Seite.

      Doch ich befrage sie weiter. »Rosalina, du hattest etwas von Männern und einer Ranch gesagt. Was hast du damit gemeint?«

      Sie starrt immer noch an die Decke. Dann schüttelt sie den Kopf.

      »Bitte«, sage ich. »Ich würde dir gern helfen. Aber dann musst du mir alles erzählen.«

      Ihr Blick wandert herab und sie schaut mir in die Augen, während sich in ihren die Tränen sammeln. Ganz leise sagt sie: »Die werden mich töten, wenn ich rede.«

      »Nein, das werden sie nicht. Das verspreche ich dir. Also bitte, erzähle mir alles.«

      Und dann erzählt sie. Erst einmal nicht viel. Es ist vage und ich muss ihr jedes Wort aus der Nase ziehen. Ihre Antworten sind sehr defensiv und überlegt. Doch je mehr ich frage, umso ausführlicher werden ihre Antworten.

      Schon bald sprudelt es nur noch aus ihr heraus – sie erzählt mir alles, jedes furchtbare Detail. Dabei rudert sie mit den Armen und Tränen laufen ihr die Wangen hinunter. Dann verstummt sie. Sie hält sich die Hände vors Gesicht und fängt an, tief zu schluchzen.

      Ich lege eine Hand auf ihre Schulter und sage, dass alles gut werden wird. Dann gehe ich zu Nova und Scooter, die inzwischen nebeneinanderstehen und mich gespannt mustern.

      »Also, was ist los mit ihr?«, fragt Nova.

      »Mit ihr ist los, dass sie eine von mindestens zwanzig Frauen ist, die in der Wüste gefangen halten werden.«

      Scooter schüttelt bereits den Kopf, denn er weiß genau, wo die Reise hinführt. »D-d-denk nicht mal drüber nach! Unser Job hier ist erledigt. Es ist Zeit, nach Hause zu gehen.«

      »Das kann ich aber nicht machen.«

      »Holly …«, setzt Nova an, doch ich schneide ihm das Wort ab.

      »Die Mädchen auf dieser Ranch kriegen fünf Prozent von dem, was sie einbringen. Sie werden dort gefangen gehalten, bis sie fünftausend Dollar zusammenhaben. Sie sind Sklavinnen. Ihr einziger Lebensinhalt ist, anschaffen zu gehen. Sie bumsen und blasen und meistens werden sie dabei auch noch verprügelt. Denn das ist anscheinend die Spezialität von diesem Laden: Sehr rauer Sex.«

      Die beiden schweigen und starren mich an. Ich schaue über die Schulter und sehe Rosalina immer noch genauso, wie ich sie zurückgelassen habe – zusammengekauert und schluchzend. Jetzt, da ich Zeit habe, sie in Ruhe und bei besser Beleuchtung anzuschauen, wird mir klar, wie abgemagert sie ist. Das ist noch ein Thema, das sie angesprochen hatte: Die Frauen bekommen auf dieser Ranch kaum etwas zu essen, stattdessen werden sie drogenabhängig gemacht. Manchmal werden sie auch von ihren Peinigern geschlagen oder vergewaltigt, wenn denen gerade langweilig ist.

      Als es sicher ist, dass keiner der Jungs mehr etwas sagen wird, schüttle ich angewidert den Kopf. »Ihr seid Feiglinge.«

      Nova hat immer noch die Arme vor der Brust verschränkt, sein Gesichtsausdruck ist mitleidslos. »Holly, das ist nicht unser Problem. Wenn du die Polizei rufen willst, gern. Aber wir können uns da nicht reinziehen lassen.«

      »Das sagst du öfter.«

      »Ja, aber diesmal meine ich es auch so. Erinnerst du dich daran, was in Berlin passiert ist? Ich schon. Da wären wir beinahe alle bei einem deiner gottverdammten Kreuzzüge ums Leben gekommen!«

      »Einem meiner gottverdammten Kreuzzüge«, wiederhole ich nickend. »Das ist nett, Nova. Vielen Dank dafür.«

      »Holly«, sagt Scooter jetzt, inzwischen wieder mit normaler Stimme. »D-d-denk doch mal einen Moment nach. Nur einen einzigen Moment. Ich habe es schon mal gesagt und ich sage es nochmal: Du kannst nicht die ganze Welt retten. Das geht einfach nicht. Ja, dieses Mädchen tut mir leid – sie tun mir alle leid – und ja, diese Männer verdienen eine Strafe. Aber da muss sich die Polizei drum kümmern. Wir müssen von hier verschwinden.«

      Ich starre die beiden eine kleine Ewigkeit lang an. Dabei denke ich natürlich an Rosalina, und an all die anderen Mädchen, die auf dieser Ranch sind. Aber ich denke auch an eine andere Frau, die ich mal kannte. Sie war eine richtige Freundin und ihr war etwas Schreckliches passiert, weswegen sie sich umgebracht hat. Ich sehe ihr Gesicht ganz deutlich vor mir. Ihren gequälten Blick, die sorgenvollen Augen. Bevor ich mich versehe, drehe ich den Jungs meinen Rücken zu.

      »Tu es nicht«, sagt Nova und ich halte inne. »Holly, wenn du das durchziehst, dann musst du es allein machen. Es tut mir leid, aber wir beide werden dir nicht helfen. Das ist nicht unser Kampf.«

      Ich warte einen Moment, einen kleinen Moment, dann gehe ich los, schnurstracks zu Rosalina, die ich fest im Blick behalte.

      »Rosalina, diese Ranch … weißt du, wo genau sie sich in der Wüste befindet?«

      Ihre Augen weichen wieder aus, diesmal wandern sie in Richtung Boden. Dort bleiben sie für eine Weile, bevor sie zu mir aufschauen. Sie wischt sich die Tränen aus dem Gesicht und nickt dann langsam.

      Ich strecke ihr meine Hand entgegen und lege sie auf ihren Arm. »Zeig mir, wo.«

      Kapitel 10

      Nachdem der Lincoln zum Stehen gekommen ist, stelle ich die Automatikschaltung auf Parken und stelle den Motor ab. Dann schaue ich Rosalina an. Sie schaut mich an. Nach einer kurzen Pause nickt sie und deutet durch die Windschutzscheibe auf die felsigen Hügel vor uns.

      »Da«, sagt sie. »Es ist da drüben.«

      Rosalina hat mich eine Straße hinuntergeführt, die in einem Privatweg mündet, der bis zur Ranch geht. Nach meinen Schätzungen muss sie vom Highway entfernt etwa eine halbe Meile nach Norden liegen. Irgendwo auf dem Weg habe ich die Scheinwerfer ausgeschaltet und es vermieden, auf die Bremse zu treten. Stattdessen sind wir eine Viertelmeile abseits der Straße über Sand und Felsen gerollt. Nun sind wir in Dunkelheit gehüllt und auch vom Highway aus wird man uns nicht sehen. Der Mond ist voll, die Sterne leuchten, und Rosalina hat mir gerade bestätigt, was ich sowieso schon weiß.

      »Warte hier«, sage ich.

      Die Innenbeleuchtung habe ich bereits abgeschaltet, sodass alles dunkel bleibt, als ich aussteige. Ich öffne die hintere Tür und nehme die Sporttasche heraus, die die Jungs mir zusammengestellt haben. Sie sind zwar Feiglinge, aber wenigstens keine kompletten Arschlöcher, deswegen haben sie mich gut ausgestattet.

      Die Schulmädchenuniform habe ich ausgezogen, stattdessen trage ich jetzt Jeans und ein T-Shirt. Die einzige Waffe, die ich momentan am Körper trage, ist eine Kimber 9 Nightfall, die ich mir an den Fußknöchel gebunden habe. Die anderen beiden Waffen ziehe ich jetzt aus der Sporttasche. Eine 9mm SIG Sauer P226 Nitron und ein FN-15 Patrouillengewehr.

      Rosalina öffnet die Beifahrertür und steigt langsam aus dem Wagen. Trotz der Umstände trägt sie immer noch ihre Highheels, die in der vollkommenen Stille laut im Sand knirschen.

      »Willst du wirklich allein gehen?«

      Ich lege die P226 auf das Autodach, um das Gewehr zu kontrollieren. Ich nehme das Magazin raus, überprüfe, dass alles stimmt, und lege es wieder ein.

      »Diese Typen sind extrem brutal«, sagt sie. »Die werden dich töten!«

      Ich ziehe den Riemen der FN-15 über meine Schulter, schnappe mir die Pistole, checke das Magazin und lade sie dann durch. Dann nehme ich ein passendes Holster aus der Sporttasche und befestige es an meinem Gürtel.

      Rosalina lässt nicht locker: »Warum tust du das?«

      Ich bin überrascht. Klar, Nova und Scooter haben mich dasselbe gefragt, aber warum fragt mich eine illegale Einwanderin, die zur Prostitution gezwungen wird, warum ich versuche, sie zu retten?

      Bevor ich antworten kann, fährt sie fort: »Du bist also ein Killer, ja? Ein … Auftragsmörder?«

      Ehrlich gesagt, wenn Leute mich fragen, was ich beruflich mache, antworte ich, dass ich ein Kindermädchen