Gesammelte Werke: Science-Fiction-Romane + Abenteuerromane + Erzählungen. Dominik Hans. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dominik Hans
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788075831552
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Brust sog in tiefen Zügen die Kühle des Abends in die Lungen.

      In der Höhlung am Riff, aus der sie gekommen, erschien ein altes Negerweib, rief zu ihr herunter. Sie nickte, schritt zu ihr empor. Am Eingang blieb sie stehen, wandte sich um. Am Rande der Lagune sammelten sich Männer. Einer, der Führer, schrie ungeduldig zu den Klippen hinauf. Da, dort, aus den Spalten und Höhlen kamen immer mehr herbeigeeilt. Stiegen zu der Lagune hinunter, sammelten sich um den Führer.

      Eine stattliche Schar war es. Männer! Matrosen, alte, junge, gebräunt von der tropischen Sonne, dem Seewind. Das Auge des Führers glitt zählend über sie hin.

      »Vierundsechzig! All right!«

      Er drehte sich zur Lagune um. Einer in seinem Rücken, ein junger, frischer Kerl, winkte gerade zu Christie hinauf. Ein Faustschlag des Führers ließ ihn ins Wasser taumeln.

      »Kühle dich ab, du Satan! Die …«, er wandte sich mit drohendem Blick zu den übrigen, »… die ist tabu für jeden. Hütet euch! Ihr kennt die Order! Daß keiner ihr zu nahe tritt! Der Strick wäre ihm sicher!«

      Sein Blick ging zu der Höhle, wo Christies Gestalt eben verschwand.

      »Reserviert, das Schätzchen! Nichts für euch!« lachte er.

      Er hob die Hand in die Höhe, winkte. Der graue Leib eines U-Bootes schob sich aus der stillen See, kam hoch und höher. Rauschend glitten die Wasser an seinen Aufbauten hinunter. Ein stattliches Ding, fünftausend Tonnen mochte es haben.

      Eine aufgezogene Brücke vom Uferrand senkte sich zum Deck hinüber. Der Führer ging darüber hinweg, kam an Bord, sprach mit dem Offizier dort ein paar Worte. Dieser rief durchs Sprachrohr nach unten.

      Wohl ein Dutzend Leute kam aus dem Innern des Bootes aufs Deck, trat an.

      »Ihr bleibt hier!« rief der Führer. »Als Wache. Ihr anderen da hinüber, an Bord!«

      Der Befehl wurde ausgeführt.

      »Große Fahrt! Weit rauf zum anderen Wendekreis; wir werden lange wegbleiben. Zwei, drei Monate wird’s dauern. Vielleicht noch länger.

      Laßt euch hier die Zeit nicht lang werden!«

      »Zum Atlantik?« fragte der Offizier.

      »Atlantik«, gab der mürrisch zur Antwort. »Müssen durch den Kanal.

      Verfluchte Fahrt! Das Stückchen mit der ›Abraham Lincoln‹ – dem Frauenzimmer da oben galt’s, nichts anderem! Es hat gewirkt wie ein Tritt in einen Ameisenhaufen. Wimmelt da oben von Polizeibooten.

      Doppelte Fangprämien für den Atlantik ausgesetzt. Der Deubel hole die Fahrt! Riet ab, solange es ging. Mußte schließlich doch nachgeben.

      Einzige Hoffnung die Schlupfwinkel an der afrikanischen Küste. Wenn nicht …«, er flüsterte die Worte leise in das Ohr des Offiziers, »wenn wir nicht gar bald schon unter Flagge fahren. Der rote Löwe im schwarzen Feld! Ich möchte den Rest meines Seelenheils verwetten!«

      Der Offizier trat erstaunt zurück.

      »Für den schwarzen Kaiser?«

      Der Führer nickte. »Für ihn! Der Deubel will’s.« Er lachte aus vollem Halse. »… daß wir mit einigen guten Freunden von der US-Marine zusammen auf Fahrt gehen. Hab’ so was läuten hören, vom Kapitän.

      Der stößt erst bei den Antillen zu uns, kommt mit dem Flugzeug von New York. Frau ist krank.« Ein häßliches Lachen begleitete die Worte.

      »Taugt nicht zu unserem schönen Beruf, Frau und Kinder zu haben.

      Der Kaiser Augustus läßt alle Minen springen, nachdem ihm die große am Tschadsee aufgeflogen ist. Ein Teufelskerl, der das Stück fertig brachte.«

      Einer von den Leuten kam auf ihn zugeschritten, machte Meldung:

      »Alles fertig!«

      Der Führer nickte, drückte dem Offizier die Hand.

      »Gute Wacht! Paßt auf die Frau auf!« Er deutete mit dem Arm in die Richtung der Höhlenmündung. »Passiert ihr was oder entkäme sie gar, wir würden es büßen.«

      Er verschwand unter Deck. Die Luken schlossen sich hermetisch. Ein Ruck ging durch den grauen Leib des U-Boots, dann sank es … wohin?

      Es war ein freundlich ausgestatteter Raum. Die Felswände mit Teppichen verhängt. Der rauhe, zackige Boden geebnet, mit Matten überdeckt, halb vom Tageslicht, halb von der großen elektrischen Lampe erhellt … der Aufenthaltsort Christies.

      Zwölf Tage schon weilte sie hier, achtzehn Tage, seitdem sie die Piraten von Bord der »Abraham Lincoln« gerissen hatten.

      Auf dem Ruhebett ihrer Schiffskabine ausgestreckt, im leichten Halbschlaf, hatte ihr Ohr den Donner der Schüsse kaum vernommen.

      Die Kabinentür wurde plötzlich aufgerissen … drei bewaffnete Matrosen und ein Offizier standen vor ihr.

      »Miss Harlessen?«

      Noch benommen vom Schlaf hatte sie genickt.

      »Aufstehen! Mitkommen!«

      Die Matrosen hatten im Nu ihre Sachen zusammengerafft, in die Koffer geworfen. Sie hatte sich gesträubt. Der Offizier hatte sie aufgehoben, einen weiten Mantel über sie geworfen, der sie fast ersticken ließ, sie nach oben getragen und über das Fallreep ins U-Boot gebracht. Dort war sie ohnmächtig zusammengesunken. Nach ein paar Stunden war der Piratenführer zu ihr gekommen, hatte ihr in seiner Art ein paar beruhigende Worte gesagt. Ein Matrose hatte Speise und Trank vor sie hingesetzt. Und dann waren sie gefahren …

      Sechs Tage, sechs Nächte waren sie gefahren, bis sie, an Deck gerufen, das Boot in der Lagune einer Koralleninsel sah.

      Man hatte ihr die Felsenhöhle als Aufenthalt zugewiesen. Eine alte Negerin, die wohl hier gehalten wurde, um für die Matrosen zu sorgen, war ihr als Dienerin beigegeben worden.

      Die harte Schule des Lebens, die Christie durchgemacht, hatte sie gestählt. Ihr klarer, energischer Wille ließ sich nicht so leicht unterkriegen.

      Ihre erste Frage: Warum wurdest du geraubt? Auf wessen Befehl?

      Menschenraub? Doch nur, um ein Lösegeld zu erpressen. Lösegeld von ihr? Wer konnte von der Angestellten der Simmons Brothers ein Lösegeld erwarten? Unter den Damen der Gesellschaft auf dem Schiff waren Millionärinnen; die Seeräuber hatten sich nicht um sie gekümmert.

      Diese Antwort schied aus. Was aber war die richtige Antwort?

      Stundenlang zermarterte sie ihr Hirn. Wer konnte ein Interesse daran haben, sie zu rauben?

      Der betrügerische Vertreter in Valparaiso … Rache? Möglich, aber kaum wahrscheinlich.

      Und dann immer, wenn sie vergeblich nach der Antwort gesucht, rang sich der Name Rouse von ihren Lippen. Er, der Gewaltmensch, der jeden Widerstand brach, der sich ihm entgegensetzte, ihm allein war es zuzutrauen.

      Doch auch die Antwort … immer wieder hatte sie sie doch verworfen.

      Warum tat er das? Konnte er glauben, sie mit Gewalt an sich zu fesseln?

      Er, der kluge, schlaue Menschenkenner? Konnte er das denken? Nein!

      Nein! Töricht! Solche Torheit konnte sie ihm nicht zutrauen. Die ganze Fahrt über hatten sie diese Gedanken beschäftigt … verfolgt.

      Als sie den Fuß auf das Atoll setzte, hatte sie sich mit energischer Willensanstrengung von all den Gedanken frei gemacht. Sie halfen nichts.

      Flucht! Weg von hier! Der einzige fruchtbare Gedanke. Ihre ganze Selbstbeherrschung raffte sie zusammen. Zeigte dem Piratenführer, der sich häufig nach ihrem Befinden erkundigte, stets ein ruhiges, gelassenes Wesen. Gab sich den Anschein, als hätte sie sich mit den Geschehnissen so gut wie möglich abgefunden. Keine Klage kam über ihre Lippen. Die wenigen Wünsche, die sie vorbrachte, wurden soweit wie möglich schnell erfüllt.

      Doch auch ohne das … der Piratenführer konnte