Gesammelte Werke: Science-Fiction-Romane + Abenteuerromane + Erzählungen. Dominik Hans. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dominik Hans
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788075831552
Скачать книгу
schlägt zum Abendessen. Die Reling wird leer. Das mag jetzt ein schönes Geschnatter an der Tafel geben.«

      So war es auch, wenn es auch nur wenig gewesen, was die neugierigen Augen gesehen hatten. Deshalb hielt sich das Thema von der Kanalkatastrophe nicht allzu lange als Tischgespräch und war nur zu bald erschöpft.

      Seeräuber! Das ältere, beliebteste Thema der Schiffspassagiere dieser Zeit! Am untersten Ende der Tafel aufgeworfen, eilte es wie ein Stichwort von einem zum anderen. Allerdings war man jetzt im Atlantik in belebtester Fahrstraße. Westlich die amerikanische Küste, östlich die Antillen. Ganz aktuell war hier das Thema nicht. Der Stille Ozean in seiner südlichen Ausdehnung mit viel schwächerem Verkehr war das eigentliche Feld für die modernen Piraten.

      Als hätte man nur auf das Stichwort gewartet, schwirrten die Geschichten von den Piratenstückchen – sich übertrumpfend an Frechheit, Tollkühnheit – durch den Raum. Schon hatte sich ein Schleier von Romantik um dieses neue, früher kaum noch der Sage nach bekannte Freibeutertum gewoben. Da waren zum Beispiel einzelne Piratenkapitäne – sie erfreuten sich der besonderen Hochachtung des Publikums –, die mehr aus politischen als aus verbrecherischen Instinkten diese Laufbahn ergriffen hatten. Motive aller Art, von den edelsten hinab bis zu den verworfensten, sollten die Triebfedern dieser modernen Seehelden sein, die schließlich – die Motive sprachen da nicht mit – doch meistens lebenslängliche Haftstrafe ereilte.

      Auch die andere Seite, die Seepolizei der Mächte, bot hervorragende Figuren, die Besonderes in der Verfolgung und Bekämpfung der Freibeuter leisteten. Ihr Kampf war sehr schwer. Fanden doch die Seeräuber bei manchen Staaten offene oder geheime Unterstützung. Auf freier See bei frischer Tat ihnen beizukommen war so gut wie unmöglich. Sie in ihren Schlupfwinkeln aufzusuchen, dort zu bekämpfen, darin sie zu vernichten, die einzige Möglichkeit.

      Schlupfwinkel für ein U-Boot? Die Wasser der Erde boten unzählige.

      Der große Aktionsradius der Boote – mit ihren Atomreaktoren konnten sie monatelang auf See fahren, ermöglichte es ihnen, Stützpunkte an den entlegensten Stellen des Weltmeeres zu wählen. Bis zu den Polen hin waren sie bei entlegenen Inseln, an abgelegenen Küsten versteckt. Doch besonders guten Unterschlupf bot den Piraten der Stille Ozean mit seinen unzähligen kleinen Koralleninseln, die kein Verkehr berührte.

      So manche Tragödie hatte sich hier abgespielt, von der die Zeitungen und Magazine spaltenlang berichteten. Der übliche Gang! Ein Schiff fuhr. An Bord alles sorglos. Da, plötzlich ein Schuß, ein zweiter, ein dritter, und die Antennen der Funkanlage sind zerstört, bevor das überraschte Schiff um Hilfe funken kann.

      Die Musik bricht jäh ab. Der Kapitän stürzt auf die Brücke. Längsseit der graue Leib eines U-Bootes. Keine Flagge … Ein Boot mit Bewaffneten … Hands up! Das alte Räuberwort …

      Eine halbe Stunde später taucht das U-Boot mit seiner Beute an Geld und Geiseln … wie sich’s traf. Altes, schon längst Gehörtes. Die geschwätzigen Lippen wiederholten es hier an Bord der »Abraham Lincoln« zum hundertsten Male.

      Das neueste, beinah stärkste Stück! Es war in aller Munde. Der Herzog von Bloomfield befand sich auf der Fahrt von England nach New York.

      Auf seiner Rapid-Jacht, um an den Regatten von Atlantic Company.

      teilzunehmen. In Sicht der amerikanischen Küste. Scharfer Schuß vor den Bug, zweiter über den Steven. Die Jacht versucht zu fliehen …

      Schuß in die Schraube. Er funkt um Hilfe … Schuß in die Antenne.

      Das feindliche Boot legt an. Das alte Rezept. Und doch! Dies ist ein Extrastück, hier im belebtesten Teil des Weltmeeres.

      Von allen Seiten eilen Schiffe herbei, die den Hilferuf noch vernommen hatten, große, kleine; die Bewaffneten darunter lösen ihre Geschütze, schießen auf den Räuber. Der wehrt sich, erwidert das Feuer mit schwerem Geschütz. Ein Seekampf! Die großen Schiffe werden getroffen, Feuer bricht aus, Boote stoßen ab … der Seeräuber wehrt sich wie ein gestellter Eber, verbirgt sich hinter der gekaperten Jacht und taucht weg. Die Hilfe kommt heran, zu spät! Der Herzog ist geraubt, mitgeführt auf dem verschwundenen U-Boot.

      Am nächsten Tag erhält seine Familie Nachricht: Lösegeld, eine Million Dollar in bar, abzuwerfen vom Postflugzeug London-New York am 12. Februar in Schwimmboje zehn Uhr dreißig Minuten vormittags.

      Geschieht dies, so wird der Herzog unverletzt an Land gesetzt. Bei Verweigerung des Lösegeldes oder Verfolgung durch englische Polizei ist das Leben des Herzogs verwirkt. Und es geschah, mußte so geschehen, wie es die Herren Piraten wollten. Das Postflugzeug warf die Boje mit dem Lösegeld zur bestimmten Zeit ab. Es war beinahe lächerlich, die Sorge in der Öffentlichkeit drehte sich weniger um das Leben des Geraubten, als darum, ob der Pirat auch die Boje mit dem Geld finden würde.

      Wetten wurden abgeschlossen. Ein Kordon von U-Booten umzog den mittleren Atlantik. Die sahen, wie die Boje aufgenommen wurde, und mußten tatenlos zusehen. Denn der Geraubte war ja noch an Bord des Räubers. Jeder Schritt, den Piraten zu fangen, brachte das Leben des Herzogs in Gefahr.

      Drei Tage später wurde der Herzog an der amerikanischen Küste abgesetzt, kam nach New York. Ein Heer von Interviewern lagerte vor der Tür seines Hotels.

      Die Meinung des Herzogs: »Nette Leute, die Herren Piraten, vollkommene Gentlemen, habe keine Bequemlichkeit vermißt, tadellose Verpflegung und Unterkunft, modernstes Zehntausendtonnenboot. Ein höchst interessantes Erlebnis, mit einer Million nicht zu hoch bezahlt …

      Konversationsstoff bis ans Lebensende …«

      Der Herzog nahm die Sache von der leichten Seite. Doch nicht immer war es so gegangen, daß die Betreffenden es als interessantes Abenteuer buchen konnten.

      »Jamaika Nordost voraus!«

      Der Lautsprecher meldete es von der Brücke her durch den Speisesaal.

      Der Kapitän der »Abraham Lincoln«, der mit an der Tafel saß, nickte kurz, hob sein Glas.

      »Auf einen weiteren glücklichen Verlauf der Reise, nachdem wir die Durchfahrt durch das neue Meer hinter uns haben!«

      Der scharfe Knall eines Schusses! Die Hände sanken von den Gläsern.

      Noch ehe eine Stimme das Wort »Schuß« herausbrachte, ein zweiter Knall.

      »Seeräuber!«

      Eine Frauenstimme gellte es über die Tafel. Mit einem Ruck gingen alle Blicke nach dem Kapitän. Der stand auf, das gebräunte Gesicht erblaßt. »Seeräuber? Hier Seeräuber? Unmöglich … unmöglich …«

      Er murmelte ein paar undeutliche Worte zu den Gästen …

      »Keine Beunruhigung …«, und stürmte hinauf. Kam an Deck … eine Granate pfiff über seinen Kopf hinweg, riß die Antenne ab.

      Keuchend stand er auf der Brücke. Schon hatte der Wachoffizier das Kommando »Stopp« gegeben, schon schlugen die Maschinen rückwärts.

      »Wo? Woher? Der Schuß!«

      »Nordost voraus U-Boot«, schrie der Wachoffizier.

      »Flagge?«

      »Nicht zu erkennen … die Dämmerung …«

      »Unmöglich!« Der Kapitän murmelte immer wieder das eine Wort.

      »Unmöglich. Es wird ein Boot der USA sein, das uns hier anhält.

      Weiß der Teufel, was sie wollen!«

      »Ein Boot stößt ab«, rief der Wachoffizier unter seinem Glas hervor.

      »Uniformen?«

      »Noch nichts zu sehen … sie kommen näher … das Boot ist voll Bewaffneter!«

      »Flagge?«

      »Keine Flagge! Seeräuber!« Der Wachoffizier schrie es.

      Der Riesenrumpf der »Abraham Lincoln« glitt kaum noch durch die Dünung, stand fast still. Die Sonne tauchte hinter dem Isthmus unter, den Tag mit sich hinabziehend.