Gesammelte Werke: Science-Fiction-Romane + Abenteuerromane + Erzählungen. Dominik Hans. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dominik Hans
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788075831552
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kurz davor halt gemacht, die Richter mit leichtem Neigen begrüßt und sich niedergesetzt. Die Anklageschrift war verlesen worden.

      Der Angeklagte hatte sie angehört. Kein Zug in seinem Gesicht veränderte sich. Kein Augenzucken, keine Bewegung des Körpers!

      Das war auch so geblieben bis zum Schluß der Verhandlung. Seine Antworten an den Vorsitzenden, an die Sachverständigen, den Staatsanwalt … mit immer der gleichen, ruhigen, selbstbewußten Stimme gesprochen. Die Plädoyers! Auch der Staatsanwalt hatte Freispruch beantragt.

      Der Spruch des Vorsitzenden, der die Freisprechung verkündete!

      Nichts hatte das Gesicht des Angeklagten auch nur im kleinsten sich ändern lassen. Die eiserne, fast gleichgültige Ruhe war immer dieselbe geblieben. Er war aufgestanden, von der Anklagebank hinausgeschritten durch die Masse der Zuhörer, die ihm Beifall zuriefen.

      Des Mannes Gesicht … wäre es aus Stein gehauen … nicht starrer hätte es blicken können.

      Der Kraftwagen brachte ihn zum Hotel. Er trat in sein Zimmer, schloß es ab. Das Schnappen des Schlosses … das Schnappen des Schlosses an seiner Kerkertür! Wie hatte ihn das bei jedem Hinausgehen des Schließers gepeinigt, ihm zugeschrieen: Gefangen! Verbrecher …

      Verbrecher an der Menschheit, wie ihn die Weltgeschichte noch nicht gekannt hatte.

      Jetzt hatte seine Hand, die Hand des Freien, die Hand des Freigesprochenen, das Schloß einschnappen lassen. Es hatte ihm dasselbe zugeschrieen wie das Schloß an seiner Kerkertür.

      Frei? Freigesprochen?

      Sein Gesicht verzerrte sich zu einer Grimasse. Ein gräßliches Lachen brach aus seinem Mund.

      Frei? Freigesprochen?

      Er warf sich auf ein Ruhebett und vergrub das Gesicht in die Kissen.

      Wie anders würden jetzt die Zeitungsüberschriften lauten! Und doch, für ihn blieben es die alten, die ihn im Gefängnis täglich gepeinigt hatten. Mit aller Kraft seiner Seele kämpfte er gegen die Qualen, das Bild Juanitas vor seine Augen zwingend, sich an sie klammernd, in deren Hände er seine Seele gegeben hatte. Er warf sich zur Seite. Seine Brust atmete freier; das Gesicht nur zeigte noch die Spuren des Kampfes. Juanita! Er sprang auf, durchmaß mit starken Schritten das Zimmer, blieb dann mit einem Ruck stehen. Er! … Rouse!

      Würde er sie ihm kampflos überlassen? Die Riesengestalt reckte sich.

      Die Hände ballten sich zu Fäusten, hoben sich, als stände der andere vor ihm … Er! Er soll sich hüten! Und wenn ich ihn mit diesen Fäusten …

      In seinem Arbeitszimmer im Astoria-Hotel in Timbuktu saß Guy Rouse. Sein Arbeitszimmer war überall da, wo er war. Die Fäden, die, sich von ihm aus spinnend, über den Erdball gingen, sie rissen nie ab, sie folgten seiner Person, wo immer er weilte. Ein paar Sekretäre, die seine Befehle vermittelten, weiter brauchte er nichts. Keine Bücher … keine Unterlagen … in seinem Kopf standen die Zahlenreihen klar und deutlich wie in den Hauptbüchern der Zentralen. Wo er war, war seine Residenz, von der er sein Reich leitete bis in die kleinsten Kontore.

      Er ging langsam im Zimmer auf und ab, diktierte seinen beiden Privatsekretären gleichzeitig Orders über Orders …

      Das Rohr der Hauspost warf ein Bündel Briefe aus. Weiter diktierend überlief sein Auge flüchtig die neue Post. Ein langes, chiffriertes Telegramm. Rouse kniff die Augenlider leicht zusammen, in Gedanken sich umstellend auf die Chiffrezeichen. Er brauchte den Schlüssel nicht.

      Ein leichtes Räuspern eines der Sekretäre. Er diktierte weiter. Die waren es nicht anders gewöhnt, als daß er die Post las und weiter mit ihnen sprach. Und er sprach auch jetzt weiter, zu dem einen … zu dem anderen, halb abgewandt, die chiffrierte Depesche vor Augen.

      Er las sie. Seine Augen, wie ganz anders konnten die kühlen grauen Augen blicken, wenn sie niemand sah … auch die beiden Sekretäre nicht hinter ihm. Die Augen, brennend hingen sie an jedem Wort des Telegramms. James Smith war freigesprochen. In derselben Sekunde, in der der Vorsitzende den Freispruch verkündete, hatten die Radiowellen es ihm zugetragen.

      Hier war der Bericht über die ganze Verhandlung, in kurze Schlagworte zusammengedrängt, sorgfältigste Arbeit war es … brachte der Bericht den Gang der Verhandlung. Das Räuspern der Sekretäre wiederholte sich häufiger denn je. Die Fragen des Vorsitzenden und der Beisitzer. Guy Rouse kannte sie, wie er seine Feinde besser kannte als seine Freunde. Klippen gefährlichster Art, diese Fragen für den Angeklagten …

      Er sah sie da in Gedanken vor sich, die Blicke auf den Angeklagten geheftet, suchend nach irgendeinem versteckten Zug der Schuld, der Schwäche.

      Und dann immer wieder die Worte von James Smith. Rouses Augen lasen nur die geschriebenen Worte. Aber seine Ohren glaubten auch den Ton zu hören, mit dem sie gesprochen.

      Aber es war ihm, als wäre es nicht allein die tiefe starke Stimme des Chefingenieurs … der helle leichte Plauderton Juanitas klang dazwischen. Sie war die Resonanz, aus der die Töne des Mannes klangen.

      Juanita … der Tag, an dem er sie zuletzt gesehen, sie verlassen hatte, in Rouse Castle … krank … zum Sterben krank. Immer mehr war es ihm zu Bewußtsein gekommen.

      Sollte er sie verlieren? Sie, die ihm ganz unentbehrlich war? Der Prozeß und die Aussagen des Angeklagten hatten den stärksten Beweis dafür geliefert. Juanita! Seine Gedanken gingen zurück zu dem alten Kanal, wo er sie zum ersten Mal gesehen, von wo er sie mit sich genommen hatte. Eine Blume, gepflückt wie so viele andere …

      Schon hatte er sie zur Seite werfen wollen. Gut, daß er es nicht tat.

      Wie hatte er sich so irren können. Ein Spielzeug hatte er zu haben geglaubt. Nein! Sie war es nicht. Sein Werkzeug war sie, ihm unentbehrlich und immer unentbehrlicher werdend, je länger er sie besaß.

      Und sie wußte viel von ihm. Viel, was er ihr anvertraut, viel was ihr scharfer Verstand erraten hatte. Und sie war jung und schön. Wie viele neideten ihm ihren Besitz! Sie entbehren? Verlieren? Unmöglich! Sie wußte zuviel, wußte auch von dieser Christie Harlessen. Sie war so ganz sein, daß er auf jeder Seite ihres Herzens auch der verborgensten, lesen konnte.

      Der Zwischenfall im Zirkus in Kapstadt … aus den Berichten seiner Agenten war ihm alles klargeworden. Eifersucht? Auf Christie Harlessen? Die! Was wollte er von ihr? Was trieb ihn zu ihr hin? Gab es nicht unzählige schönere, die ihm widerstandslos gefolgt wären? Was war es, was ihn nicht loskommen ließ von diesem Geschöpf? Die versteckten Regungen in seiner Seele … immer wieder hatte er darüber hinwegsehen wollen, hatte sich lustig gemacht … was war es, das sein Herz so bewegte? Dunkel, unergründlich, unerklärlich … ein Zug zum Reinen, zum Guten?

      Er schloß die Augen, stand minutenlang wie im Kampf gegen etwas Unbegreifliches, Unfaßbares, das in tiefster Brust rang. Christies Bild stand vor ihm. Er sah die reinen, klaren Züge, die ihre Seele widerspiegelten. Sie, die Seine! Entsühnen mußte sie alles, alles von ihm nehmen, was auf ihm lastete.

      Jetzt war sie in seiner Gewalt! Der Gedanke daran! Er hatte gejubelt, die Tat verwünscht … verwünscht … Tor, der er war? Was hatte er von einer Gefangenen? Ewig konnte er sie nicht halten. Frei? Würde sie bei ihm bleiben?

      Er schöpfte tief Atem, ging zum Fenster, lehnte sich hinaus und sog kühle Abendluft ein.

      Sie würde es. Sie würde es!

      Wo war das Weib, das sich ihm auf immer versagt hätte? Dieses kleine, unbedeutende Geschöpf! Die erste wäre es!

      Nein! Nein, er ließ sie nicht. Sie mußte die Seine werden. Was hatte er nicht schon getan, ganz abgesehen von dieser neuen Gewalttat: Menschenraub …

      Tejada! Tejada!

      Das Wort … hatte er es laut gesprochen? Mit einem Ruck drehte er sich nach dem Zimmer um. Sah die beiden Sekretäre sitzen.

      »Hinaus!« brüllte seine Stimme.

      Die beiden fuhren erschreckt hoch, starrten ihn wie fassungslos an.

      Dieser Ton