Nebelnder Dampf markierte die Grenze, wo Feuer und Wasser sich trafen. Wo die beiden Elemente um die Herrschaft rangen. Mit der Freude des Meisters, der die Kräfte entfesseln und bändigen kann, sah er auf das grandiose Schauspiel. Sein Werk! –
Die Spannung, die ihn erfüllte, wich. Seine Gedanken, bis jetzt auf sein Werk konzentriert, begannen zu wandern. Auch dort unten inmitten des feurigen Regens, in der Hütte der Gefangenen, kämpften jene Kräfte … kämpften um das Leben der Eingeschlossenen.
Schwere Sorge fiel auf sein Herz. Würde die Rechnung auch hier stimmen? Würden Feuersglut und Weltraumkälte, nach seinem Plane und nach seiner Rechnung gegeneinandergesetzt, sich an dieser Stelle verzehren, ohne das Leben der Gefangenen zu vernichten? Mit eisiger Hand umkrallte die Sorge sein Herz. Endlos lang schien ihm der Kampf der Elemente. Immer wieder blickte er auf den Zeiger der Uhr, der ihm allzu träge von der Stelle zu rücken schien.
Bis endlich die Zeit verfloß. Matter und immer schwächer wurde der Kampf der Naturgewalten. Jetzt hatten sie sich in wildem Ringen aufgezehrt. Verschwunden war der Dampf, gewichen die Glut. Schon brach die Sonne durch die zerflatternden Schwaden.
Er riß sein Glas ans Auge und sah die Stelle, wo Karakorum gestanden, in hellem Glanze vor sich liegen.
Volldampf voraus! Auf äußerste Fahrt stellte er den Hebel. Während das Schiff mit rasender Gewalt durch den Äther schoß, hing sein Auge an jener Stelle. Jetzt ging die Maschine nieder. Mit einem Sprung war er aus der Kabine. Klopfenden Herzens eilte er an Ahmeds Seite der Hütte zu. Unter seinem Griff brach die verkohlte Außentür in Trümmern zusammen. Dann drang er in das Innere.
In der Tür erblickte er sie, die drei … lebend.
Da stand Maria, bleich, aber leuchtenden Auges. Nur sie sah er. Wie von unsichtbarer Gewalt getrieben, waren sie aufeinander zugeschritten.
Als von ihren Lippen der leise Ruf »Georg« erklang, hatte er sie im Überschwang seiner Gefühle an sich reißen wollen. Doch mit aller Kraft seiner Seele hatte er die Regung unterdrückt. Noch durfte er’s nicht. Noch gehörte sein ganzes Denken und Tun dem großen Werke. Noch erfüllte die große Aufgabe, Schützer und Retter der bedrohten Siedlung, der weißen Rasse und ihrer Kultur zu sein, sein ganzes Ich, gab ihn nicht frei, bis die Entscheidung gefallen.
Sie hatten sich damals die Hände gereicht und in dem stürmenden Pulsschlag, der zu ihren Herzen überströmte, hatte sich offenbart, was der Mund noch verschwieg … jetzt noch verschweigen mußte.
In Wierny hatte sich Witthusen alsbald mit seinen alten Geschäftsfreunden in Kaschgar in Verbindung gesetzt, um sich sein Besitztum und seine Warenvorräte zu sichern. Sie waren immer noch von den Chinesen beschlagnahmt, und es bestand wenig Hoffnung, sie freizubekommen.
Jetzt, nachdem die Gefangenen dem Arm der chinesischen Machthaber entronnen waren, beeilte man sich, das gewalttätige illegale Verfahren in ein gesetzmäßiges zu verwandeln. Ein regelrechter Prozeß wegen Landesverrates wurde gegen Witthusen eingeleitet. Bis er beendet, konnten Jahre vergehen.
Die Sorge um seinen Besitz und um die Zukunft Marias trübte den Blick Witthusens. So waren ihm die feinen Fäden entgangen, die sich zwischen Isenbrandt und Maria woben. Am Ende eines arbeitsreichen Lebens sah er sich als Bettler, und der Gedanke an die Zukunft ließ ihn die Freude über die Rettung aus der Gefangenschaft manchmal vergessen. Auch jetzt hatte er wieder einmal seinen Sorgen Luft gemacht und halb im Scherz und halb im Ernst für Marias Zukunft ein wenig rosiges Prognostikum gegeben. Da hatten die beiden einander lächelnd in die Augen gesehen, bis ein Zucken um Marias Lippen spielte, bis ein leichter Schleier sich vor ihre Augen legte. Klopfenden Herzens war sie aufgesprungen und in das Haus geeilt. Wie gebannt hing der Blick Isenbrandts an der Tür, durch die sie geschritten war.
»Daß ich von Mr. Cameron so furchtbar getäuscht worden bin, kann ich immer noch nicht verwinden«, fuhr Witthusen fort. »Wäre er nicht gewesen, würde ich mein Haus in Kaschgar schleunigst liquidiert und mich mit dem Erlös rechtzeitig in Sicherheit gebracht haben. Zu spät muß ich einsehen, daß das ganze lächerliche Verfahren gegen mich nur auf die Intrigen dieses Menschen zurückzuführen ist.
Ich kenne ihn nun schon seit vielen Jahren und habe ihn stets für einen Gentleman gehalten. Ich kannte seine Geschichte, und ein gewisses Mitleid mit seinem harten Geschick ließ den Verkehr mit ihm enger werden. Er hat in den ersten Jahren unserer Bekanntschaft häufig von seinem Prozeß um die englische Lordschaft erzählt. Seine Verbitterung war mir durchaus verständlich, und ich machte ihm keinen Hehl aus meinen Sympathien. Daß er aber in seinem Haß gegen die weiße Rasse so weit gehen könnte, als Agent der chinesischen Regierung tätig zu sein, hätte ich niemals für möglich gehalten.«
»Die Engländer waren durchaus im Recht, als sie die Erbschaft Lowdale dem reinrassigen Erben zusprachen.«
Eine gewisse Schärfe lag in der Erwiderung Isenbrandts, und in der gleichen Tonart fuhr er fort: »Es war falsch und leichtsinnig gehandelt, wenn früher unsere Propheten aller Welt die Gleichberechtigung versprachen. Überall auf der Erde rufen jetzt die schwarzen, braunen, die gelben Rassen nach Freiheit. Freiheit für alle Farben des Spektrums … Wehe uns, wenn wir ihnen entgegenkommen! Um unsere Herrschaft und um unser Dasein wäre es bald geschehen. Sie mögen Kultur und Religion von uns annehmen. Trotzdem bleiben sie, was sie sind: der bekehrte Chinese – Chinese, der bekehrte Schwarze – Afrikaner.
Betrachten Sie die Verhältnisse in Amerika. Sie sind jetzt so weit gediehen, daß es sich für die Weißen um Sein und Nichtsein handelt. Die ewigen Kompromisse haben aufgehört. Die Ereignisse der nächsten Zeit werden zeigen, wer weichen muß.
Auch die Gemischtrassigen gehören nicht zu uns. Das hat schon vor 150 Jahren der Graf Gobineau klar erkannt, als er sagte, daß infolge der Rassenmischung nicht nur die Vorzüge, sondern auch die Fehler an Stärke einbüßen. Die Schwierigkeit, das Ganze in Einklang zu bringen, erzeugt Anarchie, und je mehr diese Anarchie zunimmt, desto mehr büßt die beste, reichste, glücklichste Zufuhr an Wert ein.
Wenn also die Mischungen innerhalb einer gewissen Grenze für die Masse der Menschheit günstig sind, sie heben und veredeln, so geschieht dies doch nur auf Kosten dieser Menschheit selbst, da sie sie in ihren edelsten Elementen herabdrücken, entkräften, erniedrigen, entgipfeln.
Darum ist es unsere vornehmste Aufgabe, unsere Rasse reinzuhalten. Nur die reine weiße Rasse kann die Aufgabe erfüllen, die sie zu erfüllen hat.«
»Sie haben recht, Herr Isenbrandt. Und doch kann ich mich des Gedankens nicht erwehren, daß einstmals die Zeit kommen wird, wo der Glaube an das Evangelium von der Überlegenheit der weißen Rasse schwindet, wo wir anderen, kräftigeren Rassen weichen müssen. Nicht immer wird Europa die Burg der weißen Rasse bleiben. Die ewige Kleinstaaterei verzehrt zu viel von ihren Kräften.
Ich kenne China seit einem Menschenalter. Der Aufschwung der letzten Jahrzehnte wird anhalten. Die durchaus konservative Gesinnung der Chinesen hindert ihn nicht, sie fördert ihn. Trotzdem China als Industriestaat noch jung ist, ist es an wirtschaftlicher Organisation schon sehr weit entwickelt. Soziale Fragen existieren fast nicht. Trotz seiner ungeheuren Ausdehnung ist von einem Ende des Reiches bis zum anderen bei der eingeborenen Rasse ein und dasselbe Verständnis für die Kultur verbreitet, die es besitzt. Vergleiche ich seine Jahrtausende alte Zivilisation mit der europäischen, so kommt mir die letztere vor wie eines jener auf Zeit auftauchenden Eilande, welche die Gewalt unterseeischer Vulkane über den Meeresspiegel emporgehoben hat. Der zerstörenden Einwirkung der Strömungen preisgegeben und von den Kräften, die sie zuerst gehalten, verlassen, geben sie eines Tages nach, und ihre Trümmer versinken wieder in den siegreichen Fluten …«
»Alles ist im Fließen, alles in der Entwicklung, Herr Witthusen. Einmal wird die Bürde des weißen Mannes von seinen Schultern genommen werden, und ein stärkerer … vielleicht ein Schwarzer … vielleicht ein Gelber wird sie auf sich nehmen. Aber der Tag liegt in grauer Ferne. Noch sind die Kräfte der weißen Rasse nicht verbraucht. Die Gefahren, die ihr drohen, werden ein Jungbrunnen für sie sein.
Große Taten, größer als die Welt ahnt, harren ihrer, und der Kommandostab