»Fertig!« kam die Meldung von unten.
»Bravo! Höchste Zeit!« sagte Löwen. »Los!«
Langsam richtete sich das schrägliegende Schiff auf. Die Propeller gingen an, und in glatter Fahrt verließ es den Landungsort.
»Volldampf nach Norden!« lautete der Befehl.
Es war hohe Zeit gewesen, daß der Kreuzer die Gewalt über sein Element zurückgewann. Schon jagten einzelne unregelmäßige Sturmstöße durch die Luft und wirbelten den Wüstensand in schweren gelben Wolken auf. Immer schneller folgten sich die Stöße, und dann brach der Orkan los.
Ein Wirbelsturm von unerhörter Stärke, gegen den selbst dieser starke Kreuzer nicht direkt ankämpfen konnte. Während das Schiff in weitem Bogen über das iranische Hochland gerissen wurde, setzte Herr von Löwen seine ganze Steuerkunst daran, sich Meter um Meter vom Zentrum dieses Taifuns loszuringen, das ganz offenbar dort hinten über den Südostkämmen jenseits der Grenze lag. Er nahm es zunächst als unvermeidlich mit in Kauf, daß sein gutes Schiff dabei vertrieben und selbst in weitem Kreise herumgewirbelt wurde.
All sein Bestreben war darauf gerichtet, aus dieser gefährlichen Sturmzone hinaus an den äußeren Rand des Taifuns zu gelangen. Es war nicht leicht. Wie durchlöchert schien die Luft zu sein. Wiederholt stürzte der starke Kreuzer plötzlich wie ein Stein in die Tiefe, legte mehrere tausend Meter in senkrechtem Fall zurück, bevor er wieder Halt in der aufgeregten Atmosphäre fand und die verlorene Höhe wiederzugewinnen vermochte. Er wäre längst auf den Felsen zerschellt, wenn die meisterhafte Steuerkunst des Herrn von Löwen ihn nicht immer wieder der gefährlichen Nähe des festen Bodens entrissen und dabei Schritt für Schritt aus dem schlimmsten Wirbel hinausgebracht hätte.
Bis endlich die Grenze der Sturmzone erreicht und überschritten war, bis der Kreuzer mit voller Maschinenkraft in einer ruhigen und tragbaren Atmosphäre den geraden Kurs nach Norden verfolgen konnte.
Durch die großen Heckscheiben der Kabine blickten die beiden Männer zurück nach dem Süden und Südosten. Da stand es wie ein riesenhafter und unheimlicher Trichter von schwefelgelber Farbe über den Bergen. Wie eine gigantische Saugpumpe hatte der wirbelnde Orkan den Staub und Sand vieler Quadratmeilen emporgerissen und führte ihn in immer größere Höhen. Alles, was in diesen Strudel gelangte, ihm nicht rechtzeitig mit eigener starker Kraft zu entfliehen vermochte, wurde gepackt, in das Zentrum gerissen, zerrieben und zerschmettert.
Lange blickte Herr von Löwen durch sein scharfes Glas. Er glaubte Fetzen, Trümmerstücke von zerrissenen Flugmaschinen inmitten des Höllenwirbels zu sehen.
»Was wir nicht vermochten, tut die Natur. Aller Berechnung nach sind die Gelben mitten im Taifun. Da kommt kein Flügel lebendig zur Erde.«
Isenbrandt nickte.
»Ich denke auch. Und damit wird hoffentlich für lange Zeit hier Ruhe herrschen … Bis Peking neues Material schickt … oder bis …«
*
In Wierny hatten Witthusen und Maria nach ihrer Befreiung aus der Ruinenstätte Karakorums einen sicheren Zufluchtsort gefunden. Auf der niederen Veranda, die das Haus umgab, saßen Isenbrandt und Marias Vater.
Aus dem kühlen Schatten des Halbdaches sah man weit hinaus in die fruchtbare Landschaft. Die Wiesen prangten wie schwellende Teppiche von Samt. Die Getreidefelder kräuselten sich schon im Winde wie flutende Wasserwogen, ließen die Halme emporschießen und wuchsen der Sonne entgegen. Die Bäume standen hier noch im Blütenschnee, trugen dort schon schweren Fruchtansatz.
»Ein gesegnetes Jahr!« sagte Witthusen. »Wer wie ich Turkestan noch vor einem halben Menschenalter gekannt hat, wird es immer wieder mit Staunen sehen, wie Menschengeist und Menschenhand die Sandwüsten in ein fruchtbares, dichtbesiedeltes Land verwandelt haben. Sollte das Paradies hier wirklich der Erisapfel zwischen Europa und dem Gelben Reiche werden?«
Isenbrandt zuckte die Achseln. Er hatte die Worte Witthusens nur halb vernommen. Sein Auge hing noch an der Tür, hinter der Marias Gestalt soeben verschwunden war. Die Ereignisse der letzten Wochen hatten die Herzen der beiden rascher und fester miteinander verbunden, als jedes werbende Wort es sonst wohl vermocht hätte.
Während die in ihrer Lehmhütte Eingeschlossenen in Karakorum damals unter Bangen und Zagen das Ende der schrecklichen Stunden erwarteten, hatte Isenbrandt hoch oben in den Lüften fast in der gleichen Stimmung sein Werk vollbracht. Es war ihm zumute gewesen wie einem Arzt, der einem Patienten gleichzeitig schweres Gift und Gegengift verabreichen muß.
Konnte nicht ein unglücklicher Zufall die Gefangenen des rettenden Mittels noch im letzten Moment berauben? … Würde dessen Wirkung die Glut des Feuerregens paralysieren? … Würden die Experimente und Berechnungen, die er im Laboratorium angestellt hatte, sich beim Versuch im großen bewähren? …
Soweit, wie er es damals aus der Höhe seines Flugschiffes beobachten konnte, schien alles planmäßig zu gehen. Am Vormittag warf Ahmed das Antidynotherm in den See von Karakorum. Viel früher, als Wellington Fox von seinem Gefängnishofe aus etwas bemerken konnte, sah Georg Isenbrandt aus seiner Höhe die ersten Wolkenbildungen.
Als der dicht und immer dichter werdende Regenschleier ihm die ungesehene Landung gestattete, war er an der verabredeten Stelle hinter einem Dünenkamm niedergegangen. Nach zwei Stunden erst war Ahmed hier zu ihm gestoßen. Durchnäßt … durchweicht … geblendet … fast ertränkt von den wolkenbruchartig niederstürzenden Wassermassen, hatte der getreue Diener ihn nicht sogleich finden können. Dann kam er und brachte die frohe Botschaft, daß das Mittel sicher und unbemerkt in die Hände der Gefangenen gelangt sei.
Dann kam der zweite … für Isenbrandt der schwerste Teil der Aufgabe. Wieder ging sein Schiff in große Höhen, während er die niederströmenden Wassermassen durchschnitt und sich vom Zentrum des Unwetters entfernte.
Noch einmal prüfte er mit dem Präzisionsmesser seine Entfernung vom Mittelpunkt des Wetters. Dann fuhr ein Schuß aus dem Rohr seines Schiffes. Exakt arbeitete der Zeitzünder. Genau in der Achse des Wolkenbruches explodierte das Geschoß. Seine Ladung Dynotherm der neuesten schärfsten Wirkung ging in feinster Streuung nach allen Seiten in den Regen.
Mit dem Teleskop beobachtete Isenbrandt die Wirkung. Da … inmitten der grauen, dunstigen Regenmassen sah sein Auge eine kleine, schwarze Wolke entstehen. Nach einer Weile ein kurzer Blitz, für das unbewaffnete Auge kaum sichtbar. Er legte die Hand ans Ohr und zählte. Vierzehn Sekunden! Der leichte Hall eines Donners drang an sein Ohr.
Wieder richtete er das Glas auf die Stelle. Sah, wie jene dunkle Wolke immer heller wurde, bis sie verschwand.
Beinahe hätte er in diesem Augenblick den Zweck seines Hierseins vergessen. Daß alles so genau nach seinen Erwartungen und Vorausberechnungen verlief, erfüllte ihn mit starker Freude. Er nahm ein mit Zahlen bedecktes Täfelchen zur Hand. Prüfend überflog er die beiden einander gegenüberstehenden Zahlenreihen. Noch einen Blick auf den Entfernungsmesser.
Ein Schuß, nach demselben Ziel gerichtet, fuhr aus dem Rohr. Ein zweiter, ein dritter … eine lange Reihe weiterer Schüsse folgte im schnellsten Tempo. Eine rollende Kanonade auf das Zentrum des Unwetters.
Wieder richtete er jetzt sein Glas. Tiefschwarz lag es dort über Karakorum. Da, ein zuckender, greller Blitz, der den schwarzen Vorhang zerriß. Noch ehe der erlosch, ein zweiter … ein dritter … und viele andere.
Taghellen Schimmer strahlten sie weit hinaus. Tausend feurige Schlangen schienen sich in dem düsteren Gewölk zu winden. Dann schlug der erste Donner dröhnend an sein Ohr, um nicht mehr zu verstummen. Ein Konglomerat von Gewittern tobte über Karakorum.
Tiefer ließ er jetzt das Schiff gehen. Wieder sprach seine Batterie. Da lief der fahlweiße Schein der Blitze in