Um die elfte Stunde bestieg der Präsident der E. S. C. die Kanzel. Zehntausende lauschten aufmerksam seiner Rede.
In kurzen, knappen Worten schilderte er die Arbeiten der Gesellschaft von ihren Anfängen am Aralsee bis zur Mauer des Thian-Schan. Er sprach auch von den vielen Schwierigkeiten, die Himmel und Erde, Wasser und Luft, Zeiten und Winde und nicht zuletzt die Menschen selbst dem Werke bereitet hätten. Er betonte den friedlichen Zweck der Arbeiten. Wie sie bestimmt seien, allen, auch den früheren Bewohnern dieser ehemaligen Wüsten, nur Nutzen zu bringen.
Doch gar mancher Kopf unter den Zuhörern wandte sich der Diplomatentribüne zu, auf der die Vertretungen der asiatischen Nationen ihren Platz hatten, als er fortfuhr:
»Wenn dies Ziel heute noch nicht voll erreicht ist, so bedauern wir das. Unverstand und Mißtrauen haben in Verkennung unserer Absichten manchmal die friedliche Entwicklung unserer Arbeiten gestört. Und« – hier wandte er sich zu den Vertretern der Kolonien – »und oft werden eure Augen mit Bangen nach Sonnenausgang geblickt haben. Heut kann ich euch sagen, daß die Mutter, die euch aus ihren Armen entlassen hat, stets hilfsbereit hinter euch steht. Wie einst das alte Rom hinter seinen Kindern, die als ver sacrum in die Fremde zogen …«
Seine weiteren Sätze gingen unter in dem tosenden Jubel und den brausenden Beifallstürmen, die bei diesen Worten in allen Sprachen Europas aus den Kehlen der Kolonisten drangen.
Der Beifallssturm mochte dem Redner wohl etwas überraschend kommen. Um die Spitze, die unverkennbar darin enthalten war, abzubrechen, schritt er zum Taster, der die Funkenstation auf der Tribüne betätigte.
Ein kurzer Druck seiner Hand auf die Tasten … ein Rad begann sich schnurrend zu drehen. Auf Ätherwellen flog die Sprengdepesche über den See hin.
Von Menschen verlassen, unbemannt, lag dort die Riesenboje. Aber in ihre Antenne fingen sich die Zeichen der Depesche. Exakt arbeiteten ihre Relaiswerke und begannen ihrerseits zu schalten und zu wirken.
Noch tobte der Jubel der großen Masse. Schon aber richteten die Tribünenbesucher, welche die Bewegung des Präsidenten aus nächster Nähe gesehen und richtig gedeutet hatten, ihre Gläser auf die weite Seefläche.
Jetzt sah es auch die Menge. Rufe des Staunens, der Überraschung in allen Sprachen. Ist’s schon so weit? Geht es schon los? Wird schon gesalzen?
Im Nu war der Platz um die Tribünen geleert. Ein Teil der Massen strömte so nah wie möglich an das Seeufer heran. Der andere größere eilte die Höhen empor, die den See hier umsäumten. Auf Felsen und Hängen suchten sie die besten Plätze, um soviel wie möglich von diesem bisher nie erschauten Schauspiel zu erhaschen. Viele Tausende von scharfen Gläsern waren auf die Seefläche gerichtet. In allen Sprachen Europas und Asiens schrien sie einander zu, was jeder da draußen zu sehen meinte.
Die Riesenboje, eben noch durch scharfe Gläser deutlich sichtbar, war verschwunden, spurlos in die Tiefe versunken.
Aber rot leuchtete es aus dieser Tiefe. Einen glühenden Rachen glaubten viele dort unten zu sehen, dem gräßliche Strudel entwichen.
Dann kam die Wirkung.
Unter Donnern und Krachen stieg aus dem See ein riesiger Geiser in die Höhe. Aber ein Geiser, dessen Wasser nicht wieder in die Tiefe zurückfielen, sondern frei in der Luft kochten und zu Dampf versprühten.
Schon wurde aus dem Geiser ein anderes Gebilde, das an den Ausbruch eines Vulkans erinnerte. Wie eine gigantische Dampfpinie stand es auf der Seefläche, ein enormer Stamm, dessen Äste sich in Wolkenform ausbreiteten, als Wolken den bisher stahlblauen Himmel zu bedecken begannen.
Und wie sich das Wellenspiel um einen in das Wasser fallenden Stein nach allen Seiten ausbreitet, so begann die Wirkung dieser kochenden, siedenden Masse nach allen Seiten hin über das Wasser zu wandern. Immer breiter, immer massiger wurde der Dampfstamm, der diesen Dampfbaum trug. Schon stiegen leichte Wolken auch in der Nähe des Gestades vom Spiegel auf. Die Massen, die das Ufer umsäumten, drängten sich begierig vor. Tausende von Händen tauchten in die Wellen … prüften, fühlten … stellten fest, daß das Seewasser auch hier am Gestade schon warm wurde.
Jetzt bedeckten die wolkigen Äste des gigantischen Dampfbaumes bereits den halben Himmel. Die Massen am Gestade sahen, wie die Fische des Sees, von der Hitze getrieben, an die Oberfläche kamen. Welse von unerhörten Abmessungen, die erst die Kraft des Dynotherms aus ihren dunklen Schlammlagern emporscheuchte, Hechte und Karpfen, was alles der See an Fischen und an anderem Getier barg, suchte sich in verzweifelter Flucht zu retten, sprang und kroch sinnlos vor Angst an die Gestade, soweit die Leiber nicht schon tot und gesotten auf der Oberfläche trieben.
Und dann … beinahe so pünktlich, als ob es auch auf dem Programm gestanden hätte, begann ein frischer Südostwind zu wehen. In immer schärferem Zuge jagten die Luftmengen über den See. Sie packten den phantastischen Dampfbaum und zerbrachen seinen Stamm. Sie ergriffen seine Zweige, breiteten sie weiter aus und trugen sie als schwere, regenschwangere, fruchtbringende Wolken in nordwestlicher Richtung von dannen, wo das durstende junge Siedlungsland seit Wochen sehnsüchtig auf das kostbare Naß wartete.
Jetzt war die ganze Seefläche nur noch eine einzige gleichmäßige Dampfquelle, und wie der Dampf emporstieg, ergriffen ihn günstige und bereitwillige Winde, um ihn einem gewollten Ziele zuzuführen.
Schon lenkten die taktmäßigen Klänge militärischer Märsche die Aufmerksamkeit der Massen nach einer anderen Richtung. Auf einer großen, freien Fläche am Südufer des Sees begann die Parade der Kompagnietruppen.
Alles, was auch nur irgendwo innerhalb der weiten Siedlungsgebiete von Streitkräften der Kompagnie entbehrlich war, hatten die großen Transportflieger hierhin zusammengebracht. Diese Parade war nicht nur als unterhaltsames Schauspiel für die Gäste der Feier gedacht. Sie sollte denen, die es anging, auch zeigen, daß die E. S. C. über schlagkräftige Mittel verfügte, um das Ihre zu wahren.
War auch die Zahl dieser Truppen nicht imponierend groß, so mußte doch jedes militärisch geschulte Auge sehen, daß das Menschenmaterial und die Ausrüstung von einer bisher nie erschauten Güte waren.
Die Fußtruppen eröffneten die Parade. Ihre Ausrüstung war gleichmäßig für die Ebene und die Hochalpen geeignet. Wie die Regimenter hier im Gleichschritt vor den Tribünen mit den diplomatischen Vertretern Europas und Asiens vorüberzogen, mochten sie wohl äußerlich an die Infanterie vergangener Zeiten erinnern. Doch wie der jetzige Kommandierende General Bülow dem Präsidenten der Kompagnie die einzelnen Bataillone meldete, so hätte man hundert Jahre früher noch ganze Korps melden müssen. Denn im Ernstfalle verwandelte sich jeder einzelne dieser ausgesuchten Leute in eine Kampfmaschine, von deren Furchtbarkeit sich nur wenige ein Bild machen konnten. Ein Heer des vorigen Jahrhunderts hätte diesen Truppen etwa gegenübergestanden wie ein Haufe nackter Kannibalen einer kleinen Maschinengewehrtruppe.
Die Artillerie, die nun folgte, zeigte auch äußerlich die große Veränderung gegenüber vergangenen Zeiten. Die Rohre mit ihren Lafetten wurden hier von kleinen Dynothermtraktoren gezogen. Aber es hätte nur eines kurzen Kommandos und einiger weniger exakter Griffe der Bedienungsmannschaften benötigt, und jede dieser unscheinbaren Zugmaschinen reckte Schwingen aus und erhob sich in die Lüfte, ihr Geschütz unter sich, wie wohl ein Adler ein Zicklein in den Fängen davonträgt.
Es gab weder in der Ebene noch in den Hochalpen eine Stellung, die nicht schnellstens von dieser Artillerie besetzt werden konnte. Eigentliche technische Truppen hatte die Kompagnie nicht. Jeder ihrer Soldaten war in allen Sätteln der Kriegstechnik gerecht.
Während die Regimenter und Batterien vorüberzogen, die Musikkapellen ihre Märsche schmetterten, lagen die Schiffe der Luftflotte, die sie gebracht hatten, in weitem achtunggebietenden Bogen auf dem anschließenden Blachfeld. Als der letzte Mann der Truppenparade vorübergezogen war, ging ein Ruck durch die Flotte. Wie eine Schar von Krähen erhoben sich alle Flugschiffe mit einem gleichzeitigen Schwung vom Boden und zogen zunächst in geschlossenen Reihen über das Paradefeld.
Auf ein