Gesammelte Werke: Science-Fiction-Romane + Abenteuerromane + Erzählungen. Dominik Hans. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dominik Hans
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788075831552
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um einen Pfosten an der Vorderseite des Hauses geschlungen. Schnell glitt er an ihr auf die Straße hinab.

      Er sah sich um. Ein kleines, ihm unbekanntes Seitengäßchen. Aufs Geratewohl lief er darin entlang und erreichte die Hauptstraße. Noch einen Blick rückwärts. Feuerlohe schlug zum Himmel, wo das Teehaus gestanden hatte.

      Langsam glitt das Schiff Isenbrandts flußabwärts der Mündung des Ili zu. Schon zogen sich die mächtigen Schilfhorste zu beiden Seiten des Stromes weitauseinander, und unmerklich vermischten sich die Wellen des Ili mit den Wassern des Balkaschsees.

      Kreischend stiegen ganze Schwärme von Wasservögeln empor, die der Kurs des Schiffes in ihrer Abendruhe störte. Rosig schimmerte das helle Gefieder der tausend und aber tausend Vögel in den Strahlen der sinkenden Sonne. Wie dichter grauer Dunst standen Myriaden von Mückenschwärmen dazwischen und drohten die Sonne zu verdunkeln.

      Georg Isenbrandt streckte die Hand nach einem Hebel aus. Ein kurzer Druck darauf, und automatisch schlossen feine Gazefenster die Kabine.

      Er lehnte sich ruhig in seinen Sessel zurück. Noch trug er den Gesellschaftsanzug, in dem er den ganzen Tag hindurch die offiziellen Empfänge der zahllosen Gäste aus allen Weltteilen mitgemacht hatte. Seine Mienen verrieten Ermüdung und zeigten, daß die Anstrengungen dieser Feierlichkeiten selbst für seine eisernen Nerven recht reichlich gewesen waren. Da er außer den wichtigsten europäischen auch mehrere asiatische Sprachen beherrschte, war seine Person bei diesen Empfängen ganz besonders beansprucht worden.

      So war er gern dem Vorschlage von Wellington Fox gefolgt, eine Abendfahrt von Wierny zum Balkaschsee zu unternehmen, um hier in ruhigen Stunden wieder Erholung und Stärkung für die Strapazen des kommenden Tages zu finden. Denn die heutigen Empfänge waren ja nur der Auftakt für die großen Feierlichkeiten des morgigen Tages.

      Von morgen ab sollte der mächtige, vierhundert Quadratkilometer große Balkaschsee ein neues wichtiges Glied in der Kette der Unternehmungen der E. S. C. werden. In feierlichem Akte, im Beisein von führenden Männern aller Staaten der Welt sollte dem See die Dynothermmenge einverleibt werden, die seine Wassermengen in Dampfform in die Lüfte jagen mußte. Der Plan ging dahin, die vielen hundert Milliarden Kubikmeter Wasser, die hier die Schale des Sees füllten, als fruchtbaren Regen nach Norden und Nordosten zu senden. In seiner ganzen Größe konnte er nicht ausgeführt werden, solange dem See die verstärkten Zuflüsse aus dem chinesischen Gebiete fehlten, dem Ilidreieck.

      »Deine Einrichtung mit diesen Mückennetzen ist zweifellos ohne Tadel, Georg. Meine Zigarre ist machtlos gegen solche Moskitomengen … Sieh nur, wie die Fenster schon davon bedeckt sind … Eine ganze Schicht … Ja … das heißt … auf diese Weise sehe ich ja nichts mehr … und um zu sehen bin ich doch hierhergekommen.

      Heute nacht noch muß mein erster Bericht nach Chikago gehen. Wozu hätte ich denn den Manager des Ganzen zum Freund, wenn ich nicht schon heute als geschehen melden könnte, was morgen erst geschieht. Die Manuskripte der Reden hast du mir ja schon zur Verfügung gestellt.«

      »Hast du eskamotiert, mein Lieber«, warf Isenbrandt trocken ein.

      »Fehlt mir nur noch die Kenntnis der Stätten, an denen sich alles abspielen wird … Aber by Jove, es ist wirklich kaum noch was zu sehen. Hol der Teufel die Mückenbrut!«

      Wieder griff Isenbrandt nach einem Schalter und sprach von seinem Platz aus leichthin ein paar Worte. Fast im gleichen Moment hob sich das Schiff leicht von den Fluten ab. Während das Wasser noch von seinem Kiel tropfte, reckte es zwei weite Schwingen aus und strich wie ein gewaltiger Nachtvogel über die Seefläche. Schnell verjagte der frische Fahrwind die unwillkommenen Gäste. In freiem Ausblick konnte Wellington Fox den See und seine südlichen Ufer überschauen.

      »Ein wunderbares Bild, Georg. Wir sehen es heut das letztemal. Ich kann begreifen, daß du den Flug hierher schon öfters zu deiner Erholung gemacht hast. Die dunkelnden Fluten mit den rosigen Lichtern der Abendsonne. Im Osten die unabsehbaren Rohrhorste. Ein Bild, das jedes Malerauge entzücken muß. Dazu die wohltätige Ruhe einer unberührten Natur. Wie schade, daß das alles verschwinden muß! Schon morgen werden es ewige Nebel und Dämpfe verhüllen … Doch eins, Georg. Die Frage brennt mir schon seit langem auf dem Herzen. Was ich bei unserer letzten Fahrt in der Steppe erlebte … Was ich in Peking sah … ist danach das alles hier noch notwendig?«

      »Ich habe dich einen tiefen Blick in meine Karten tun lassen, alter Fox, weil ich deine Verschwiegenheit kenne … Deine Frage ist an sich berechtigt. Doch andere Gründe spielen mit, bewegen mich, das geschehen zu lassen, was morgen geschieht.«

      Während Georg Isenbrandt sprach, schien alle Abspannung von ihm zu weichen. Er erhob sich und schritt in der Kabine hin und her.

      »Das Programm für den morgigen Tag wurde früher erdacht als das, was du gesehen. Das Programm aufzugeben, wäre in doppelter Hinsicht verkehrt. So gut kommt die Gelegenheit nie wieder, die Augen des Mutterlandes Europa auf uns zu richten, die wir hier im fernen Osten als Pioniere der weißen Rasse kämpfen. Hier werden seine Vertreter mit eigenen Augen sehen, wie groß das Werk ist, welche Bedeutung es für Europa hat. Gerade hier sollen die Herren Diplomaten sehen, wie wichtig die Ilifrage für uns ist. Und dann … die Gelben … mein letzter Trumpf muß bis zum letzten in meiner Hand bleiben. Ist der einmal ausgespielt, dann mag auch der See sein altes Aussehen wiedergewinnen!«

      Während Georg Isenbrandt sprach, ging das Schiff wieder bis auf den Seespiegel hinab. In langsamer Fahrt näherte es sich einem gewaltigen, bojenartigen Körper, dessen massiger Rumpf sich silbergrau von den Fluten abhob.

      Unheimlich, fremdartig und drohend wirkte der riesige Metallkörper an dieser Stelle. Wellington Fox sprach zuerst.

      »Also hier schwimmt der Mörder des Sees.« Schon hatte er den photographischen Apparat gerichtet. Eine Leuchtkugel entschwebte seiner Hand, stieg empor und badete die Landschaft für den tausendsten Teil einer Sekunde in einer Überfülle ultravioletten Lichtes.

      »Auch eskamotiert, mein lieber Georg! Nun weiter, zu der Strandkanzel hin, von der sie morgen die Leichenreden halten werden.«

      Georg Isenbrandt lachte. »Deine amerikanische Presse wird hier besser von dir bedient als damals in Peking. Übrigens, unter den amerikanischen Gästen ist auch Mr. Francis Garvin.«

      »Nebst Tochter!«

      »Ah, du weißt schon, schlauer Fuchs?«

      »Verabredetermaßen.«

      »Mit ihm oder der Tochter?«

      »Wo denkst du hin. Der Alte verhält sich dauernd ablehnend. Vielleicht werde ich hier einen Speech mit ihm haben, durch den die Sache endlich eine andere Wendung bekommt.«

      »Gehört er nicht dem Weißen Orden an?«

      »Leider nein! Sonst würde er jetzt schon anders von mir denken. Sein allzu reger Geschäftssinn läßt ihm keine Zeit für Ideale. Sonst wären seine Siedlungen an der Sierra Nevada nicht zum Teil in schwärze Hände geraten.«

      »Armer Fox!«

      »Keine Ursache dazu. Keine Bange um mich, Georg! Mit dem Alten werde ich fertig. Aber du? Hast du Nachricht von Ahmed über Maria?«

      Die Züge Isenbrandts verfinsterten sich. Schweigend schüttelte er den Kopf.

      »Mut, Georg! Übermorgen sind die Sachen hier zu Ende. Dann gehe selber für dich suchen.«

      Am steilen, schilffreien Südufer des Sees erhob sich, von mächtigen, blumengeschmückten Tribünen umflankt, die Kanzel für den Festtag. Die Flaggen aller europäischen Staaten und die Embleme der E. S. C. zierten den hochragenden Balkenbau.

      Wie einst um den Turm von Babel, so wogten auch hier alle Völker und Sprachen der Erde durcheinander.

      Ein Chaos von Farben! Bunt waren die Trachten, bunt die Gesichter. Heiter der Himmel und heiter die Mienen.

      Den größten Teil der Besucher stellten die Siedler aus den Kolonien der E. S. C. Zu Tausenden umbrandeten sie die Tribüne.

      Weiter zurück Massen der alten Herren des