Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe). Jean Jacques Rousseau. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jean Jacques Rousseau
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9788075837929
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um unvorsichtigen Aeußerungen zuvorzukommen, die ihr vielleicht auch einmal gegen Fremde entschlüpfen könnten, eine solche Auskunft getroffen hat, daß Babi's gute Eigenschaften der Herrschaft zu Statten kommen, ohne daß ihr ihre schlechten Eigenschaften schaden können. An Babi's Stelle ist die Fanchon Regard gekommen, von der Sie sich früher so gern von mir erzählen ließen. Trotz der Voraussagung Juliens, und ungeachtet ihrer Wohlthaten, sowie derer ihres Vaters und der Ihrigen, ist diese so sittsame und verständige junge Frau in ihrem Hausstande nicht glücklich gewesen. Claude Anet, der sich in seinem Unglück so wacker gezeigt hatte, ist in besseren Umständen sich nicht treu geblieben. Sobald er sich in einer gemächlichen Lage befand, vernachlässigte er sein Handwerk, und nachdem er gänzlich in Unordnung gerathen war, lief er aus dem Lande, und ließ seine Frau mit einem Kinde zurück, das sie aber seitdem verloren hat. Julie nahm sie zu sich, unterwies sie in den kleinen Verrichtungen einer Kammerfrau, und ich hatte nie eine angenehmere Ueberraschung, als da ich sie am Tage meiner Ankunft in ihrer Thätigkeit fand. Herr von Wolmar hält sehr viel von ihr, und Beide haben ihr die Sorge anvertraut, auf die Kinder und auf deren Wärterin Acht zu haben. Diese letztere ist auch eine Bäuerin, eine simple und leichtgläubige Person, aber aufmerksam, geduldig und willig So ist nichts versäumt worden, um zu verhüten, daß die Laster, die das Stadtleben erzeugt, in ein Haus eindringen, dessen Herrschaft selbst von ihnen frei ist und sie nicht duldet.

      Obgleich alle Bediente nur Einen Tisch haben, findet übrigens doch wenig Gemeinschaft zwischen den beiden Geschlechtern statt; dieser Punkt wird hier als ein sehr wichtiger betrachtet. Man ist nicht der Meinung jener Herrschaften, die für Alles gleichgültig sind, außer für ihr Interesse und nur gut bedient sein wollen, ohne sich im Uebrigen um Das zu kümmern, was ihre Leute thun. Man denkt im Gegentheil, daß diejenigen, die auf nichts weiter sehen, als auf gute Bedienung, nicht lange gut bedient sein werden. Zu genaue Verbindungen unter den Dienstboten verschiedenen Geschlechts erzeugen nur Unheil. Aus dem heimlichen Zusammenstecken mit den Kammerfrauen entspringen die meisten häuslichen Unordnungen. Wenn etwa eine derselben dem Haushofmeister gefällt, so wird er sie unfehlbar auf Kosten der Herrschaft verführen. Der Zusammenhalt der Mannspersonen blos unter sich, und ebenso der Frauenzimmer unter einander, hat nicht Festigkeit genug, um Folgen nach sich zu ziehen. Zwischen Mannspersonen und Frauenzimmern aber kommen jene geheimen Monopole zu Stande, welche auf die Länge die wohlhabendsten Familien zu Grunde richten. Es wird daher hier darauf gehalten, daß die Frauen im Hause sich anständig und züchtig betragen, nicht nur aus Gründen der Sittlichkeit und Schicklichkeit, sondern auch aus einem sehr wohlverstandenen Interesse; denn, sage man was man wolle, Niemand erfüllt gehörig seine Pflicht, wenn er sie nicht liebt, und immer nur Leute von Ehrgefühl sind im Stande, ihre Pflicht zu lieben.

      Zur Verhütung einer gefährlichen Vertraulichkeit zwischen den beiden Geschlechtern, belädt man die Leute hier nicht etwa mit Vorschriften und Verhaltungsregeln, die sie nur in Versuchung sein würden heimlich zu übertreten, sondern man wirkt darauf hin, daß wie von selbst der Brauch entsteht, der mächtiger ist, als aller Befehl. Man verbietet ihnen nicht, sich zu sehen, aber man sorgt dafür, daß sie weder Gelegenheit noch Lust dazu haben. Dies erreicht man dadurch, daß man ihnen in Beschäftigungen, Gewohnheiten, Neigungen und Vergnügungen unterschiedene Richtungen giebt. Durch die bewunderungswürdige Ordnung, welche im Hause herrscht, werden sie unvermerkt darauf geführt, daß in einem wohlgeregelten Wirthschaftswesen die Mannspersonen und Frauenzimmer wenig Verkehr mit einander haben müssen. Mancher, der in diesem Punkte in dem ausgesprochenen Willen seines Herrn nur einen ungerechten Eigensinn finden würde, unterwirft sich ohne Widerstand einer Lebensart, die man ihm nicht förmlich vorschreibt, die sich ihm aber von selbst als die beste und natürlichste aufdrängt. Sie ist dies, Juliens Meinung nach, in der That; Julie behauptet, daß auch aus der Liebe und aus der ehelichen Vereinigung nicht ein beständiger Verkehr der beiden Geschlechter mit einander fließe. Ihrer Ansicht nach sind Mann und Frau wohl bestimmt, zusammen zu leben, aber nicht auf gleiche Weise; sie sollen übereinstimmend handeln, ohne die nämlichen Dinge zu thun. Das Leben, welches für den einen Theil Reiz hat, sagt sie, würde dem anderen unerträglich sein; die Neigungen, welche ihnen die Natur einpflanzt, sind ebenso abweichend von einander, als die Verrichtungen, die sie ihnen zuweist; ihre Ergötzungen sind nicht weniger verschieden, als ihre Pflichten; mit einem Worte, Beide tragen zum gemeinsamen Glücke auf unterschiedenen Wegen bei und diese Thelung der Geschäfte und Tätigkeiten ist das stärkste Band ihrer Vereinigung.

      Ich muß gestehen, daß meine eigenen Beobachtungen sehr zu Gunsten dieses Grundsatzes sprechen. Ist es nicht in der That stehender Gebrauch bei allen Völkern der Welt, außer dem französischen und denen, die ihm nachahmen, daß die Männer unter sich leben und die Frauen unter sich? Wenn sie einander sehen, so geschieht das, wie bei den spartanischen Eheleuten, mehr gelegentlich und fast verstohlen, als in lästigem, unausgesetztem Beieinandersein, das nur dazu führen kann, die von der Natur auf's Weiseste geordneten Besonderheiten zu vermengen und zu verunstalten; selbst bei den Wilden sieht man nicht unterschiedlos Männer und Frauen gemischt. Abends versammelt sich die Familie, und die Nacht bringt Jeder bei seiner Frau zu; mit dem Tage beginnt wieder die Trennung, und die beiden Geschlechter haben nichts mehr gemein, als höchstens die Mahlzeit. Dies ist die Ordnung, die sich durch ihre allgemeine Verbreitung als die natürlichste erweist, und selbst in den Ländern, wo sie umgestoßen ist, erkennt man noch Spuren von ihr. In Frankreich, wo die Männer es sich auferlegt haben, nach Frauenart zu leben, und mit den Frauen unaufhörlich eingeschlossen zu bleiben, zeigt die unwillkürliche Beweglichkeit, von der sie sich auch dort nicht losmachen können, daß dies nicht die Lebensweise ist, für welche sie bestimmt sind. Während die Frauen, auf ihrer Chaise-longue sitzend oder liegend, ruhig bleiben, sieht man die Männer in beständiger Unruhe aufstehen, hin und her gehen, sich wieder setzen, indem ein unwiderstehlicher Instinkt fortwährend gegen den Zwang kämpft, den sie sich auflegen, und sie wider Willen zu dem thätigen und rührigen Leben drängt, das ihnen die Natur zugewiesen hat. Es ist das einzige Volk in der Welt, wo die Männer im Schauspiel stehen, gleich als wollten sie sich im Parterre von der Anstrengung erholen, den ganzen Tag im Salon still zu sitzen. Kurz, sie empfinden so sehr das Lästige dieser stubenhockenden, weibischen Trägheit, daß sie, um wenigstens eine Art Thätigkeit hineinzubringen, ihren Platz zu Hause Fremden abtreten und zu anderen Frauen laufen, um sich wieder aufzufrischen.

      Die Maxime der Frau von Wolmar bewährt sich vollkommen an dem Beispiel ihres Hausstandes. Indem Jeder, so zu sagen, ganz seinem Geschlechte angehört, leben die Frauen sehr abgesondert von den Männern. Sie gebraucht zur Verhütung verdächtiger Verbindungen unter ihnen weiter keinen Kunstgriff, als daß sie sie beiderseits unablässig beschäftigt, denn ihre Arbeiten sind so verschiedenartig, daß nur der Müßiggang sie zu einander führen könnte. Frühmorgens geht Jeder seinen Geschäften nach, und Niemand hat Muße, den andern in den seinigen zu stören. Nachmittags haben die Männer im Garten, auf dem Hofe, oder mii tsonstiger Landarbeit zu thun; die Frauen arbeiten in der Kinderstube, bis es Zeit ist mit den Kleinen einen Spaziergang zu machen, an dem oft auch ihre Herrin Theil nimmt, und der ihnen angenehm ist, als die einzige Gelegenheit, die sie haben, frische Luft zu schöpfen. Die Männer, die von der Arbeit des Tages müde genug werden, haben nicht eben Lust spazieren zu gehen, und bleiben, um auszuruhen, zu Hause, Alle Sonntage, nach der Nachmittagspredigt, kommen die Frauen ebenfalls in der Kinderstube etwa mit einer Verwandten oder Freundin zusammen, welche sie der Reihe nach mit Erlaubnis; der Hausfrau einladen. Dort wird bis zur Zeit einer kleinen Bewirthung, die ihnen die letztere giebt, geschwatzt, gesungen, Federball geschlagen, oder ein ärmliches Spiel vorgenommen, das die Kinder gern mit ansehen, solange sie sich noch nicht selbst damit belustigen können. Das Abendbrod kommt; es besteht aus Milchwerk, Honig, Gebackenem, Küchlein und Anderem, was Kinder und Frauen gern essen. Wein giebt es niemals, und die Männer, welche überhaupt nur wenig in das kleine Gynäceum [Frauengemach.] kommen, sind bei diesem Schmause nie zugegen, Julie aber fehlt selten dabei. Ich bin der Erste, mit dem eine Ausnahme gemacht worden ist. Letzten Sonntag erhielt ich, auf vieles Bitten, die Erlaubniß, mit Julie hinzugehen, sie nahm Bedacht, mir diese Gunst hoch anzurechnen. Sie sagte in Aller Gegenwart, daß sie sie mir nur für das eine Mal bewillige, und daß sie sie Herrn von Wolmar selbst abgeschlagen hätte. Sie können sich denken, wie das der Eitelkeit der Frauenzimmerchen schmeichelt, und ob ein Bedienter wohl daraus fallen kann, da Zulaß zu begehren, wo der Herr selbst ausgeschlossen ist.

      Ich schmauste köstlich. Giebt es