Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe). Jean Jacques Rousseau. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jean Jacques Rousseau
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9788075837929
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Antwort.

       Inhaltsverzeichnis

      Wie, Cousine, unser Reisender ist da, und ich habe ihn noch nicht zu meinen Füßen gesehen, beladen mit der Beute Amerikas! Nicht ihm, ich sage es dir, lege ich diese Verzögerung zur Last; denn ich weiß wohl, daß er eben so ungeduldig darnach ist, als ich; aber ich sehe, daß er nicht ganz so gut, wie du sagst, sein altes Sklavenmetier verlernt hat, und beschwere mich weniger über seine Nachlässigkeit, als über deine Tyrannei. Auch finde ich das sehr niedlich von dir, zu verlangen, daß eine so abgemessene und förmliche Spröde, wie ich, die Avancen mache, und daß ich Alles stehen und liegen lasse, um hinzulaufen und ein schwarzes, blattersteppiges Gesicht zu küssen, das viermal unter der Sonne durchpassirt, und gewesen ist wo der Pfeffer wächst.

      Aber du bist spaßhaft, sonderlich wenn du dich sputest, auf mich zuerst loszuschelten, um so um meine Schelte herum zu kommen. Ich möchte doch wissen, in was Alles du dich zu pfuschen unterstehst. Das Auszanken ist meine Sache, das macht mir Plaisir, ich verstehe mich darauf, und mir läßt es gut: aber du fängst es so linkisch an als nur möglich, und es ist ein für alle Male kein Geschäft für dich. Dafür, wenn du wüßtest, wie anmuthig es dir steht, Unrecht zu haben, wie reizend dich dein beschämtes Mienchen und dein bittendes Auge macht, würdest du, statt zu schmollen, dein Lebelang nichts thun als um Verzeihung bitten, wenn nicht aus Schuldigkeit, wenigstens aus Koketterie.

      Für's Erste bitte hübsch mich auf alle Art um Verzeihung. Ein allerliebster Einfall, seinen Mann zum Vertrauten zu machen, und eine sehr verbindliche Vorsichtsmaßregel für eine so heilige Freundschaft wie die unsrige ist! Ungerechte Freundin, kleinmüthiges Weib! Auf was auf der Welt willst du dich mit deiner Tugend verlassen, wenn du dich nicht auf meine und deine Gesinnung verlässest? Kannst du, ohne uns Beide zu beleidigen, dein eigenes Herz fürchten und meinerseits Nachsicht bei dem heiligen Bande, worin du lebst? Ich kann kaum begreifen, wie dich nicht der bloße Gedanke schon empört hat, einen Dritten zu dem heimlichen Geplapper zweier Frauen zuzuziehen. Ich für mein Theil, so gern ich in Ruhe mit dir schwatze — ich thue es für mein Leben gern —, aber wenn ich wüßte, daß das Auge eines Mannes je meine Briefe durchstöberte, so würde alle Lust, dir zu schreiben, weg sein; unvermerkt würde sich mit der Zurückhaltung Kälte zwischen uns einstehlen und wir würden uns nicht besser lieben als jede zwei andere Frauen. Siehst du, welcher Gefahr uns dein dummes Mißtrauen ausgesetzt hätte, wenn dein Mann nicht gescheiter gewesen wäre als du.

      Es war sehr klug von ihm, daß er deinen Brief nicht lesen wollte. Er wäre vielleicht weniger damit zufrieden gewesen, als du hofftest, und weniger als ich es bin, die ich dich in deinem früheren Zustande gesehen habe, und daher richtiger den beurtheilen kann, in welchem ich dich jetzt sehe. Alle jene hochweisen Beobachter, die ihr Leben daran gewendet haben, das menschliche Herz zu studiren, verstehen sich weniger auf die wahren Kennzeichen der Liebe als die beschränkteste Frau, welche fühlt. Herrn von Wolmar würde zuerst aufgefallen sein, daß dein ganzer Brief von nichts Anderem handelt, als von unserem Freunde; denn die Nachschrift würde ihm ja nicht vor Augen gekommen sein, welche von jenem kein Wort sagt. Wenn du diese Nachschrift vor zehn Jahren geschrieben hättest, mein Kind, ich weiß zwar nicht genau, wie sie ausgefallen wäre, aber der Freund wäre jedenfalls durch irgend ein Loch hereingeschlüpft, um so mehr, da der Herr Gemahl sie nicht zu sehen bekommen hätte.

      Herrn von Wolmar würde es sodann nicht entgangen sein, mit welcher Aufmerksamkeit du seinen Gast betrachtet hast, und wie viel Vergnügen es dir macht, ihn zu beschreiben. Aber er könnte Aristoteles und Plato gefressen haben, ehe er wüßte, daß man seinen Liebsten ansieht, aber nicht betrachtet. Jede Betrachtung erfordert kaltes Blut, welches man dem Gegenstande seiner Liebe gegenüber nicht hat.

      Endlich würde er sich einbilden, daß alle die Veränderungen, welche du bemerkt hast, einer Anderen entgangen sein würden: ich, ich habe vielmehr Furcht, noch einige zu entdecken, die dir entgangen sind. Wie anders dein Gast auch geworden sein mag, ja, hätte er sich auch noch mehr verändert, als der Fall ist, du würdest ihn, wenn dein Herz unverändert wäre, nicht verändert gefunden haben. Doch sei dem wie ihm wolle, du wendest die Augen weg, wenn er dich ansieht: wieder ein sehr gutes Zeichen! Du wendest sie weg, Cousine. Du schlägst sie also nicht mehr nieder? Denn sicherlich hast du dir keine Verwechselung der Worte zu Schulden kommen lassen. Glaubst du, daß unser Weiser diese Bemerkung auch gemacht haben würde?

      Noch Etwas, das auch sehr geeignet ist einem Ehemanne Unruhe zu machen, der Umstand, daß du im Reden von Dem, der dir theuer war, einen gewissen schmelzenden, weichen Ton anstimmst. Wenn man dich liest, wenn man dich reden hört, muß man dich wahrlich sehr genau kennen, um sich über dein Gefühl nicht zu täuschen; man muß wissen, daß du nur von einem Freunde redest, oder vielmehr, daß du von allen deinen Freunden so redest. Je nun, was dies betrifft, so ist es eine natürliche Wirkung deines Charakters, die dein Mann zu gut kennt, um sich dadurch beunruhigen zu lassen.

      Wie sollte doch in einem so zärtlichen Herzen nicht auch die reine Freundschaft ein wenig von dem Aussehen der Liebe an sich haben? Höre, Cousine, Alles, was ich dir da sage, soll dir Muth einsprechen, aber nicht dich verwegen machen. Die Fortschritte, die du gemacht hast, sind merklich, und das ist schon viel. Ich rechnete nur auf deine Tugend und ich fange nun an, auch auf deine Vernunft zu rechnen; ich sehe deine Wiederherstellung jetzt, wenn nicht als vollendet, doch wenigstens als leicht zu vollenden an, und du hast nachgerade so viel gethan, daß es nicht zu entschuldigen wäre, wenn du nicht das Uebrige thätest.

      Schon ehe ich an deine Nachschrift kam, hatte ich die Stelle bemerkt, welche du in deiner Ehrlichkeit nicht hast unterdrücken oder ändern wollen, wenn du auch daran dachtest, daß dein Mann sie sehen würde. Ich bin überzeugt, daß sich, wenn er sie gelesen hatte, seine Hochachtung für dich wo möglich noch gesteigert hätte; aber nichtsdestoweniger würde ihm die Stelle nicht behagt haben. Im Allgemeinen war dein Brief sehr geeignet, ihm viel Vertrauen zu deinem Betragen einzuflößen und viel Besorgniß über deinen Hang. Ich gestehe dir, daß diese Pockennarben, die du soviel ansiehst, mir Furcht machen, und fürwahr, die Liebe selbst hat sich nimmer eine gefährlichere Schminke ausgedacht. Ich weiß wohl, für eine Andere wäre das ein Nichts; aber Cousine, vergiß mir ja nicht, daß Die, welche Jugend und Schönheit eines Geliebten nicht hatten verführen können, verloren war bei dem Gedanken an die Leiden, welche er ihretwegen erduldet hatte. Ohne Zweifel hat der Himmel gewollt, daß ihm Spuren von jener Krankheit übrigblieben, um deine Tugend, und dir keine, um die seinige zu üben.

      Ich komme wieder auf den Hauptgegenstand des Briefes zurück. Du weißt, daß ich, nach Empfang des Schreibens von unserem Freunde, Flügel hatte; der Fall war ernster Natur. Aber jetzt, wenn du wüßtest, in was für Verlegenheiten mich die kurze Abwesenheit verwickelt hat, und wie sich meine Geschäfte nun gehäuft haben, so würdest du einsehen, daß es mir unmöglich ist, mein Haus in diesem Augenblicke zu verlassen, wenn ich mir nicht neue Schwierigkeiten bereiten, und mich in die Nothwendigkeit versetzen will, auch noch den Winter hier zu bleiben, womit weder mir, noch dir gedient sein würde. Ist es nicht besser, daß wir uns das Vergnügen versagen, uns zwei oder drei Tage flüchtig zu sehen, um sechs Monate eher bei einander sein zu können? Ich denke auch, es wird nicht unnütz sein, daß ich unseren Philosophen allein und ein wenig bei Muße spreche, sei es, um sein Herz zu sondiren und fest zu machen, oder auch, um ihm einige nützliche Rathschläge zu geben, wie er sich mit deinem Manne und selbst mit dir benehmen müsse; denn ich kann mir nicht denken, daß du mit ihm so recht frei über dergleichen sprechen kannst, und sehe aus deinem Briefe selbst, daß er Rath nöthig hat. Wir haben uns so sehr daran gewöhnt ihn zu lenken, daß wir für ihn unserem eigenen Gewissen ein Bißchen verantwortlich sind, und bis er sich in völlig freiem Gebrauch seiner Vernunft befinden wird, müssen wir schön etwas helfen. Ich für mein Theil werde mich dieser Sorge stets mit Vergnügen unterziehen; denn er hat meinen Rathschlägen in Dingen, die dem Herzen so viel kosten, willige Folge geleistet, daß ich es ihm nie vergessen werde, und es giebt keinen Mann auf der Welt, seit der meinige nicht mehr ist, den ich so schätzte und liebte, wie ihn. Ich spare ihm auch seinerseits das Vergnügen auf, mir hier einige Dienste zu leisten. Ich habe viele sehr durcheinandergeworfene Papiere, die er mir ordnen helfen soll, und einige schwierige Geschäfte, bei denen ich seine Einsicht und seine