Bob ging an den beiden Alten vorbei ans Ende des Tresens und ließ sich auf einem Barhocker nieder. Wir warteten, bis der Barmann zu uns kam. Bob hatte die Hände vor dem Bauch gefaltet.
»Ist das Leben derzeit ruhig in Kilpeder?« fragte der Barmann.
»Dennis, nicht wahr?« fragte Bob seinerseits. »In Kilpeder ist es immer ruhig, Dennis, außer an Markttagen und Nächten mit Freudenfeuer. Wir müssen über die Berge nach Killarney, wenn wir Aufregung wollen. Oder natürlich nach Killorglinj.«
»Killorglin!« wiederholte Dennis verächtlich.
»Mein Freund Hugh MacMahon«, stellte Bob vor. »Der Schulmeister von Kilpeder.«
Dennis hielt mir seine weiche weiße Hand hin, feucht vom Auswischen der Gläser. »Dann sollte ich wohl auf meine Wortwahl und meine Grammatik achten«, meinte er. »In Anwesenheit eines Lehrers.«
»Zwei Kleine, Dennis, bitte«, bestellte Bob. »Und einen Tropfen Wasser, wenn du den entbehren kannst. Für diese Jahreszeit ist im Eisenbahnhotel aber ganz schön viel los.«
Dennis lächelte, sagte aber nichts, bis er unseren Whiskey eingeschenkt und die Gläser vor uns hingestellt hatte.
»Ihr habt also schon sondiert«, sagte er, und dieses elegante Wort hatte er sicher meinetwegen verwendet. »Der halbe Landadel der Baronie hält sich im Moment in der Stadt auf. Einige von ihnen wohnen bei den Kenmares, andere bei Freunden, die Häuser bei den Seen besitzen, und der Rest ist in Zimmer im Hotel gepfercht. Sie sind sofort hergekommen, als sie gehört haben, daß die Polizeistation in Cahirciveen angegriffen worden war. Und nach dem Angriff in Keils sind noch mehr gekommen. Manche hatten hochbeladene Karren bei sich, mit Teeservicen und Portraits in vergoldeten Rahmen, und hohen Leuchtern aus Gold und Silber. Es ist eine Gnade Gottes, daß die Tinker nicht in der Stadt sind.«
»Auf dein Wohl«, sagte Bob und hob sein Glas.
Das Glas Whiskey tat gut nach der Reise, kühl im Geschmack wie der kühle, ruhige Raum.
»Wir haben unsere Pferde in Bricks Stall am anderen Ende der Stadt eingestellt«, erzählte Bob. »Aber Jeremiah war nirgendwo zu sehen. Nur sein kleiner Junge war da.«
»Jeremiah ist schon seit ein paar Tagen nicht in der Stadt«, antwortete Dennis. Er polierte die Eiche vor ihm mit seinem Bartuch. Eine sinnlose Arbeit. Alte Ringe von Porter und Whiskey-Gläsern waren mit der Maserung des Holzes verschmolzen. »Niemand weiß, wann er wiederkommt. Etliche Burschen aus der Stadt halten sich zur Zeit nicht in ihrer üblichen Umgebung auf.«
»Wir hatten einen ruhigen Ritt durch die Derrynasaggarts, Hugh und ich. Keine Seele zu sehen, außer ab und zu einem Habicht.«
»Falls Habichte Seelen haben«, fügte ich hinzu.
Dennis war nicht in spekulativer Stimmung. »Da doch nicht«, sagte er. »Drüben, in Iveragh, in den Hügeln vor Cahirciveen, da soll es viel Aufregung und Bewegung geben.«
»Ist dein Vater da, Dennis?« fragte Bob. »Oder ist er mit Jeremiah Brick in die Ferien gefahren?«
»Nein. Er ist oben. Ihr wollt euch sicher mit ihm unterhalten. Seht ihr die beiden Alten dahinten?« fragte er, wobei er seine Stimme senkte und ihr einen wilden Unterton gab, ein Trick, den Gastwirte erlernen, noch ehe sie gelernt haben, ein anständiges Pint zu zapfen. »Beide kleine Farmer, wohnen jenseits von Gortrelig. Einer von ihnen brauchte Tabak, und da beschlossen sie, sich in Killarney einen schönen Tag zu machen. George O’Riordans Laden liefert eine Sorte Tabak, die ihm gut schmeckt, sagt er. Sie heißt Trafalgar Blue, und auf der Packung ist ein blaukoloriertes Bild von Lord Nelson. Die beiden da, wie sie ihre Pints genießen. Wenn sich vor ihnen die Erde öffnete, würden die beiden sich nicht darum kümmern.«
»Aber genau das ist doch passiert, Dennis, nicht wahr?« Bob hatte seine Lautstärke kein bißchen verändert, und doch wirkte der Raum jetzt noch stiller. Nur das sanfte sss-sss des Tabakliebhabers und seines Kameraden brach die Stille. »Die Erde von Kerry scheint sich doch geöffnet zu haben. Zwei Jungen aus Cahirciveen halten sich jetzt bei einem Vetter in Kilpeder auf, junge Brüder namens Egan, und ich habe mit ihnen gesprochen, ich und ein gewisser Freund von uns.«
Dennis sagte nichts. Seine Hand mit dem Bartuch lag bewegungslos auf dem Eichentresen.
Ich berührte den Rand meines Glases. »Laß uns die andere Hälfte probieren, Dennis«, sagte ich.
Bob blickte zu den beiden Alten hinüber, dann betrachtete er einen Druck, der an einer Wand hing, Robert Emmet vor Gericht, in seiner grün-weißen Uniform, die Hand erhoben, während er seine Rede hielt. Während sein Blick immer noch nachlässig auf dem Druck ruhte, fragte Bob: »In was für einen verdammten Wahnsinn sind die Fenier von Kerry denn da geraten?«
»Dennis«, sagte ich, weniger vom Durst getrieben als von einem menschlichen Wunsch, die Spannung zu verringern. »Die andere Hälfte, und gieß dir auch selber einen ein, wo du schon mal dabei bist.«
Aber das tat er nicht. Er schenkte zwei Whiskey ein und schob den Krug mit dem Wasser dichter an meine Hand. Ich fand unter den Münzen in meiner Tasche einen Schilling und legte ihn neben den Krug, wo er unbeachtet liegen blieb.
»Diese Frage solltest du meinem Vater stellen, nicht mir.«
Sie waren gleich stark gewesen, Martin Timoney und Bob Delaney, die Ortskommandeure für Kilpeder und Killarney, ehe die amerikanischen Offiziere eingetroffen waren.
»Ja«, sagte Bob. Er hob den Krug hoch und goß Wasser in sein Glas, bis das tiefe Braun des Whiskey zu schwachem Gold erweicht worden war.
Er wartete, bis Dennis den Raum verlassen hatte, dann hob er sein Glas.
»Die Timoneys sind nicht unterwegs in den Hügeln von Iveragh«, sagte er. »Was Vorsicht angeht, sind die Gastwirte von Munster doch nicht zu übertreffen.«
»Um Himmels willen, Bob«, widersprach ich. »Martin Timoney ist ein Krüppel, der an zwei Stöcken geht. Und er ist doch mindestens fünfzig.«
»Dennis ist rege genug«, meinte Bob. »Weich, aber flink, wie eine getigerte Katze.« Er erledigte seinen Whiskey in zwei Zügen und stellte sein Glas schwungvoll auf den Tresen.
Ohne mir etwas anmerken zu lassen, das dachte ich wenigstens, musterte ich Bob im sorgfältig geputzten Spiegel hinter der Theke. Ich war im Irrtum gewesen, ihn wegen seiner Ruhe zu beneiden. Sein eckiges, intelligentes Gesicht war ruhig genug, seine Wangen und seine gleichmütigen blauen Augen zeigten keine Nervosität, und sein Benehmen, abgesehen von dem einen Peitschenhieb, wirkte gelassen. Aber er saß sehr gerade da, und die ausgestreckten Finger seiner freien Hand krümmten sich. Ich wandte mich vom Spiegel ab und betrachtete sie, wie sie sich mit weißen Fingerspitzen gegen das Eichenholz preßten.
Dennis war kaum verschwunden, als er auch schon zurückkehrte, erleichtert, zweifellos, seinen Auftrag ausgeführt zu haben, und er nickte Bob zu, der sich erhob und die Tür zum Treppenhaus öffnete. Ich folgte ihm.
Martin Timoney erwartete uns auf einem kleinen Treppenabsatz. Das schwere Gewicht seines Körpers ruhte schwer auf den Stöcken, die er in beiden Händen hielt.
»Du hättest unseretwegen wirklich nicht aufzustehen brauchen, Martin«, sagte Bob.
»Wenn’s weiter nichts ist«, antwortete Timoney. »Jeden Tag geh’ ich ein dutzendmal diese Luder von Treppen rauf und runter. Warum denn auch nicht?« Er war ein großer, bulliger Mann, der im Laufe der Jahre aus der Form geraten war, sein schwerer Bauch drohte, seinen Gürtel zu sprengen.
Er