»Great!!«
»Wer ist das, Masimba?«
»Der wird gesucht. Von einer Weißen, die so schön ist, dass ich geblendet bin! Es ist ihr Typ. Den vermisst sie. Er soll in Kapstadt sein. Wenn ihr eine Idee habt, wie wir sie finden können, helft mir bitte!«
»Ist die Malerin? Das ist fantastisch, was sie skizziert hat. Diese Augen! Und deine Interpretationen – die müssen wir unbedingt zu nächsten Ausstellung einreichen. Das hat was, echt!«, ereiferte sich Kato, sein bester Freund an der Uni.
»Okay. Lass uns mit dem Verteilen der Bilder in der Szene anfangen. So wie der Typ aussieht, ist er einer von uns. Der muss doch zu finden sein, wenn er wirklich in-town ist!«
Kapstadt schläft nicht. Als sich die WG nach einem gemeinsamen Essen – es gab Chakalaka (Tomaten, Karotten, Paprika, gebackene Bohnen, Chilischoten, Weißkohl und gewürzt mit Knoblauch, Curry, Ingwer und Koriander, dazu Brot), gut und billig – auf den Weg in die angesagten Clubs, Bars und Restaurants machte, kannte jeder von ihnen die Story des Tages um Jutta und den charismatischen Typen, der verlorengegangen zu sein schien. Alle hatten eine Kopie und sie schwärmten sternförmig in die pulsierende Szene aus.
Es war längst nach Mitternacht, als Masimba in einem Live-Club abhing. Bis jetzt hatten weder er noch seine Studienkumpels den Italiener gefunden. Die eingehenden SMS‘ waren ernüchternd. Niemand schien ihn zu kennen. In dem Club, in dem Masimba ein Bier trank, spielten drei Jungs, die er kannte. Gitarre, Bass, Drums. Jimi Hendrix-Cover. „Voodoo Child“: ... Well, I stand up next to a mountain / And I chop it down with the edge of my hand / Well, I stand up next to a mountain / Chop it down with the edge of my hand / Well, I pick up all the pieces and make an island / Might even raise just a little sand / Cause I’m a voodoo child / Lord knows I’m a voodoo child ...
Pause. Kaum Beifall, obwohl die Jungs sehr gut waren.
»Hey Zane! Wie geht‘s dir. Ich habe dich lange nicht mehr gesehen!«, begann Masimba das Gespräch mit dem Gitarristen.
»Ja, kann sein, Mann. Wir proben zurzeit viel. Ich möchte mit den Jungs auf Tour gehen, weißt du? Wir brauchen noch ‘n Plakat. Kannst dich ja mal reinhängen. Dann wirst du berühmt wie wir ...«
»Schaust cool aus, Mann. Geiler Style. Ist bei dir der Wohlstand ausgebrochen?«
»Lass sein, Masimba. Noch ein Set. Dann sind wir für heute durch. Gibt‘s was Besonderes, weil du mich so anmachst? Was willst du?«
Genervter Gitarrero.
»Wenn du mich so fragst, Zane, nee. Eigentlich nicht. Aber ich suche für eine echte Lady den Typen hier. Ist er dir in den letzten Wochen vielleicht schon mal untergekommen?«
Masimba schob Zane, dem Gitarristen, der fast besser als die Legende Hendrix war, die kolorierte Zeichnung über den Tresen, an dem sie beide saßen.
Zufall, Irrtum oder Glück?
Zanes Augen leuchteten für den Bruchteil einer Sekunde auf. Erschrocken oder neugierig? Auf jeden Fall so auffällig, dass Masimba, der es gewohnt war, genau zu beobachten – dass hatten ihm seine Professoren als Erstes beigebracht – etwas in den Augen des arroganten Musikers hatte leuchten sehen, das ihm sagte, dass Zane den Gesuchten kennt.
Tausendprozentig!
Irrtum ausgeschlossen.
Zufall und Glück!
»Arbeitest du jetzt für die SSA (State Security Agency, ein südafrikanischer Geheimdienst), du Pfeife?!«
Unsicher-bösartiger Sound in der Stimme:
»Ich mache keine Spitzeldienste.«
Stand auf, drückte die Kippe aus und schlurfte wieder zur Bühne. Seine Kollegen warteten schon. Das zweite Set begann mit „Hey Joe“.
Masimba war happy.
Er glaubte fest daran, dass Zane M‘Mababa, der müde Supergitarrist des Trios, den Typen mit den strahlenden Augen kennt. Darauf würde er sein geliebtes Fahrrad, ein Hercules aus dem Jahr 1922, verwetten.
Winnfried, du arbeitest zu viel!«, begrüßte Franco das erwachsene Kind am frühen Nachmittag des nächsten Tages, als der ehemalige FB mit tiefliegenden, von starken Ringen der Müdigkeit abgegrenzten Augen zur Terrasse des Haupthauses kam, wo die anderen schon beim Lunch saßen.
»Sorry. Ich habe durchgemacht. Mir ging so vieles durch den Kopf und ich hatte keine Zeit zum Schlafen. Was ist passiert? Habt ihr schon neue Meldungen aus Indien? Dazu bin ich gar nicht gekommen ...«, entschuldigte sich Winnfried bei seinen Neufreunden, denen er nun vollends vertraute. Dazu hatte er sich in der Nacht durchgerungen, denn anders konnte er nicht arbeiten.
Alberto saß nachdenklich an der Stirnseite des Tisches. Sein Blick war voll von Trauer und Unverständnis.
»Wir können nur auf unsere eigenen Mutmaßungen bauen. Demnach sterben in Indien noch immer täglich mehr als fünf Millionen Menschen. Es ist eine totale Nachrichtensperre in Kraft. Weltweit. Die Macht, so etwas anzuordnen, haben nur wenige Menschen. Ich habe mich mit Franco ausgetauscht und auch Jonathan und Mika mit einbezogen. Wir sind der Ansicht, dass nur du uns weiterhelfen kannst, Winnfried.«
»Ich habe schon mal angefangen, am Grundübel zu arbeiten. Das ist nicht leicht, aber zumindest ist es mir in den letzten Stunden gelungen, BLB in Kalifornien auszuschalten und auch deren Tochter GrainBrain hier in Kapstadt. Endgültig können wir das auf Dauer programmieren, ohne dass diese Verbrecherfirmen noch eine Chance erhalten, die Erde weiterhin zu verpesten, wenn meine Clique morgen angekommen ist. Das ist eine Menge Holz, das kann ich euch sagen. Die haben Verschlüsselungstechniken, die sind vom Allerfeinsten. Aber: Zurzeit haben beide Firmen eine Störung auf ihren Systemen, die sie erst mal für die nächsten ein, zwei Wochen beschäftigen wird. Und bis dahin haben wir eine Lösung gefunden, die perversen Gentechnologien vom Markt zu nehmen. Franco weiß, dass wir es schon in einem anderen Zusammenhang im IT-Bereich geschafft haben.«
»Ja, das kann ich bestätigen«, antwortete Franco, ohne näher darauf einzugehen. Er war verzweifelt und gleichzeitig wahnsinnig motiviert das Chaos irgendwie abzuwenden, denn er ging davon aus, dass nicht nur Indien betroffen bleibt, sondern große Teile der Menschheit auf der gesamten Erde vernichtet werden sollen. Franco wirkte angestrengt. Das lag daran, dass er ebenso kaum geschlafen hatte, da er mit der Ausarbeitung einer Logistik beschäftigt war, wie man die Toten irgendwie noch würdevoll in das Jenseits verabschieden könne. Er wusste, dass das nicht möglich war und dennoch beschäftigte es ihn massiv. Noch dazu, weil er es auf dem indischen Kontinent mit anderen Bräuchen und Riten zu tun hatte. Der Hinduismus ging mit Toten ganz anders um als das Christentum. Dazu kamen die vielen Moslems, die wiederum andere Beerdigungen vorsehen. Wie würde das alles zu bewältigen sein, wenn ...
»Mangwanani shumba!«, begrüßte Masimba Jutta. Wie locker verabredet, kam sie am Morgen des übernächsten Tages wieder in die kleine Bar, in der der Kunststudent seine Studiengebühren verdiente.
»Was heißt das, Masimba?«, fragte die heute schon wieder viel besser aussehende Malerin den Rastaman, der sie anstrahlte, als sei sie die zweite Sonne.
»Das heißt „Guten Morgen, Löwin!“ in meiner Heimatsprache Shona. Ich sehe mit Freuden, dass du wieder du bist und zum Kämpfen bereit. Das ist gut so, musikana!«
»Halt, ich bin keine Musikerin, ich bin Malerin«, erwiderte Jutta.
Masimba lachte ... »“Musikana“ heißt in unserer Sprache Mädchen und nicht Musikerin!«
»Ach