Sie ging in das erstbeste Reisebüro und fragte nach einer Hotelliste der Stadt. Die war mit Sicherheit genauer, als wenn sie die Hotels googelte. Wozu war sie denn aus der Branche?! Dann setzte sie sich in das nebenan liegende Café und studierte den Plan mit den Hotels. Sie legte sich eine Route zurecht und wusste nun wenigstens schon, wie sie einen Schritt weiterkommen könnte. Vielleicht hatte sie das Glück auf ihrer Seite. Sie wünschte sich nichts sehnlicher, denn der Druck des Fieslings aus New York lastete schwer auf ihr. Sie müsste ihm heute wieder eine Nachricht auf das kleine Ding sprechen, das für sie das hässlichste Schmuckstück war, das sie je gesehen hatte und das sie seit Joplin um den Hals trug. Denn wenn sie sich nicht meldete, drohte der Geheimnisvolle, sie sofort töten zu lassen ...
Sie hatte in der Innenstadt allein vierhundertdreiundzwanzig Hotels gefunden. In ganz Kapstadt mit den Außenbezirken waren es sogar weit über 900 Hotels! Das war selbst Jutta nicht bekannt gewesen.
Kapstadt – Urlaubermetropole.
Da sie glaubte, in etwa zu wissen, wie Franco tickt, nahm sie sich erst einmal die schönen, kleinen Boutique-Hotels vor. Immerhin ‚nur‘ 89 an der Zahl. Das würde schon fast eine Woche Zeit in Anspruch nehmen. Denn sie konnte sich nicht vorstellen, dass sie mehr als fünfzehn oder ein paar mehr Hotels pro Tag schaffen würde. Ihr Mut verließ sie – bei der Sisyphus-Aufgabe! Sie bestellte sich noch einen Cappuccino. Dann sprach sie dem Kotzbrocken in New York noch eine kurze Message auf den ihr wie ein Collier um den Hals hängenden elektronischen Mühlstein, der Tonnen wog, und machte sich auf den Weg zum ersten Hotel. Es lag nur dreihundert Meter vom Café entfernt.
Nichts.
Niemand kannte dort seinen Namen.
»Wie soll der heißen? Franco Mignello? Nein, junge Frau, der hat bei uns nicht eingecheckt!«
Ab zum nächsten.
Wieder nichts.
Nach dem neunten Hotel und einem neunfachen „nein“ war es bereits späterer Nachmittag. Rushhour und Feierabend. Fröhliche Gesichter, wohin Jutta auch blickte und ihr war nur zum Heulen.
Ich muss mir was Besseres einfallen lassen. So komme ich nie ans Ziel.
Resigniert.
Ihr rannen Tränen über das Gesicht. Jutta war nahe daran sich vor den nächsten Bus zu schmeißen.
Aus, vorbei. Liebster – das schaffe ich nicht! Wie soll ich dich nur finden?!
Erschöpft vom Misserfolg, weniger von den paar Kilometern, die sie durch die lebendige Stadt gelaufen war als von ihrer Angst, Franco nicht retten zu können, schlich sie mehr, als sie lief. Sie setzte sich auf die Terrasse einer kleinen Bar.
Der Kellner: sympathischer Typ. Ein riesiger Schlaks, Rastamähne bis zum Hintern, coole Jeans, Flipflops in Neongelb, sich mit ihrer Fußbekleidung ätzend beißend, und ein leicht abgehobenes Grinsen im Gesicht.
Dauerhaft.
»Du siehst scheiße aus, wenn ich mir die Bemerkung gestatten darf, Lady«, kam er an ihren Tisch. »Du brauchst keinen Kaffee, du brauchst was zum Aufmuntern, klar?!«
Sekunden später stellte er der verzweifelt aussehenden Miss AfricameetsEurope ein Cocktailglas mit einer braunen Flüssigkeit hin, die nicht dazu führte, dass sich ihr trauriger Gesichtsausdruck in ein Lächeln verwandelte.
»Trink das.«
Wieder das unverschämte, anziehende Grinsen des Rastaman, der noch um einige Zentimeter größer war als die deutsche Riesin mit ihren gefühlten Zweimetersiebenunddreißig.
Jutta gehorchte widerwillig. Aber schon während des vorsichtigen Trinkens hellte sich ihr wunderschönes, leider ätzend graues, Gesicht auf. Sie strahlte, wie wenn sich der Himmel nach einem heftigen Gewitterguss auftut und die Sonne durch die Wolken blinzelt. Es kam sofort Farbe auf ihre Wangen.
»Was ist das für ein Zeug?«, war das Erste, was aus Juttas Lippen strömte, seit sie hier saß.
»Ein Rezept meiner Großmutter. Was da drin ist, willst du nicht wissen. Aber die Wirkung ist genial, Süße!«
Auch nach Anmachsprüchen war Jutta nicht. Dennoch musste sie sein aufdringliches Grinsen ungewollt erwidern. Der Mix aus Kräutern einer Schamanin und Alkohol ließ nichts Anderes zu.
»Vielleicht kannst du mir ja helfen. Ich suche eine bestimmte Person«.
In der Sekunde kam ihr die Idee, dass sie ja Franco zeichnen könnte ...
»Hast du mal ein Blatt Papier und einen Stift?«
»Bin schon unterwegs, Lady!«
Jutta zeichnete Franco. So, wie sie ihn in Erinnerung hatte. Es wurde ein wildes, liebevolles, aussagekräftiges Bild. Die Augen! Der Typ mit der Rastamähne vergaß seinen Job. Setzte sich zu Jutta. Als sein Chef fluchend nach draußen kam, um ihm mitzuteilen, dass er gefeuert sei, wenn er nicht augenblicklich die zahlreichen Gäste bedienen würde, grinste der nur noch unverschämter:
»Mann, du siehst, dass ich gerade Lebenshilfe leiste und einer jungen Dame bewundernd zuschaue. Die malt besser als meine Tante Kate Gottgens, wenn dir der Name was sagt, du Ignorant!«
Und schon stand der Barbesitzer, ein grauhaariger Mittfünfziger, hinter Jutta und schaute ihr auch über die Schulter.
»Willst du bei mir ausstellen, Misses,« fragte er die verzweifelte Schönheit und erhielt keine Antwort. Jutta war in ihr Werk vertieft und schon schossen wieder Tränen aus ihren Augen.
»Das ist genial, Lady. Ich weiß nicht, ob einer meiner Kumpels den Typen erkennt, doch das, was du gerade gezeichnet hast, ist großartig. Ich verstehe noch zu wenig von dem, was du machst, aber ...«
Rastaman und Bartender waren begeistert.
Der Rastaman hatte sogar einen Namen:
»Nenn mich einfach Masimba. Ich komme aus Zimbabwe, studiere Kunst an der Michaelis School of Fine Art hier in Kapstadt und verdiene mir die nötige Kohle mit diesem Scheißjob bei dem Typen, der hinter dir steht. Aber der Job macht mir sogar Spaß. Besonders heute. Mein Glückstag, ´ne Malerin!«
»Das ist fantastisch. Ich danke dir. Ich bin Jutta und komme aus Deutschland«, stellte sich die traurige Malerin vor.
»Komm in zwei Tagen wieder. Ich bin ab mittags da. In der Zwischenzeit frage ich meine Freunde. Morgen geht nicht. Da habe ich an der Uni zu tun. Klar?!«
Jutta war selig. Ein erster Ansatzpunkt, obwohl noch nichts geschehen war.
III
Als Franco und Stella sich nach Stunden – es war inzwischen drei Uhr morgens – wieder zu der noch immer auf der Terrasse sitzenden und arbeitenden Gruppe gesellten, hatte FB die Gen-Firma völlig durchleuchtet. Jeder der dort tätigen Wissenschaftler und Angestellten hatte ein Dossier erhalten. Ebenso hatte FB sich die Mutterfirma, >Bigson Laboratories Bakersfield< – BLB –, vorgenommen und festgestellt, dass die einen Chef hatten, Gerry Bigson, der ein Monster war. Der Drucker lief heiß, denn er druckte für jeden in der kleinen verschworenen Gemeinschaft immer gleich eine Kopie seiner Recherchen aus. Allmählich bildete sich ein Gesamtbild, denn Bigson Laboratories hatte wiederum eine sehr stimmige Connection zu Mantonsa und die seit wenigen Tagen wiederum zu Weyer, einem deutschen Chemiekonzern, der Mantonsa gekauft hatte. Mantonsa wurde – genau wie BLB – von einer Bank finanziert, die der Familie gehörte, denen fast alles auf der Erde zu gehören schien und die einst ein auffälliges Schild an der Tür ihrer Bank hängen hatten. Inzwischen – das war ein Nebeneffekt von FBs Cyber-Angriffen auf BLB & Co. – hielt er auch die Liste der über 150 Nationalbanken in der Hand, die ebenfalls alle der Familie gehören ... Und FB stieß auf weitere Verbindungen, die ihn erneut seinen Schlachtruf in die Nacht schicken ließ. Ergebnis: Nachtruhe von tausenden von Tieren, von der Ameise über die Bemeise bis zum Elefanten, Nashorn, Büffel, Löwe und Leopard, Eichhörnchen und die überaus