In „Fussball und Olympischer Sport“ gibt es nur einen kurzen Bericht über „die merkwürdige Torzahl von 5:5“. Erwähnt werden der Empfang durch den Bürgermeister im Rathaus, ein Fackelzug („das ist noch nie da gewesen“) sowie das holländische Pressecho: „Die Deutschen waren besser wie wir, ihr Spiel erinnerte an hohe englische Klasse.“
Acht Karlsruher standen in der Nationalelf, mit der Julius Hirsch beim 5:5 in Zwolle als erster Nationalspieler vier Tore in einer Partie erzielte. Stehend v.l.: Gros, Breunig, Burger, Hollstein, Röpnack, Werner; sitzend v.l.: Wegele, Förderer, Fuchs, Hirsch, Oberle.
Die Montag-Ausgabe von „Football. Central-Organ der Schweizer Football-Association“ in Zürich berichtet am 25. März 1912 in einer sog. Spitzenmeldung: „In großartigem, einzig dastehenden Ringen gelang es den Deutschen, gegen die starke holländische Mannschaft ein unentschiedenes Resultat herauszubringen. (…) Hirsch schoss allein 4 Tore; in einem Ländermatch eine noch nie verzeichnete Gegebenheit.“
Vor vermutlich mehr als 10.000 Zuschauern spielen in Zwolle acht Karlsruher (!), vom KFV kommen Hollstein, Gros, Breunig, Förderer, Fuchs und Hirsch, von Phönix Wegele und Oberle. Die Führung der Gastgeber gleicht Fuchs zum 1:1 aus, Julius Hirsch erzielt die Tore zum 1:2, 1:3, 5:4 und 5:5. Er ist damit der erste deutsche Nationalspieler, dem in einem Länderspiel vier Tore gelingen.
„Donnernde Ovation“ für Julius Hirsch
Ausführlicher fällt der Report von N. J. de Groot in „Neue Sportwoche“ aus Berlin am 3. April 1912 zu dem dramatischen Spiel aus (Auszüge): „Der Platz war durch den vielen Regen der letzten Tage sehr schwer, und um ihn bespielbar zu machen, war er reichlich mit Sand beschüttet, wodurch die Spielqualität viel gelitten hat. Die Zuschauer waren nicht so zahlreich erschienen, als erwartet wurde. Von offizieller Seite hörte ich, dass ungefähr 8.000 Zuschauer dem Spiel beiwohnten. Mein Amtsgenosse der ‚Süddeutschen Sportzeitung‘ hat wahrscheinlich durch ein Vergrößerungsglas gesehen, denn er sprach in seinem Bericht von 18.000 Zuschauern.
Beim Betreten des Platzes wurden die Mannschaften mit donnerndem Applaus und Gesang begrüßt. Breunig hat Platzwahl; weil es windstill und sehr trübe war, ließ er Holland die Hälfte verteidigen, wo das Feld fast unbespielbar war. Es waren noch keine fünf Minuten gespielt, als Thomée den Ball sehr hart einsandte. Einige Minuten später machte Fuchs (D.) ein schönes Rennen und schoss unerwartet auf Hollands Tor, worauf Göbel gar nicht vorbereitet war, 1:1. Die deutsche Stürmerreihe kombiniert wunderschön. Der Ball wandert von Mann zu Mann und bald erzielt Hirsch (D.) das zweite Tor und fügt fünf Minuten später noch ein drittes hinzu. Francken läuft mit dem Ball ins Tor, 3:2 für D.
Das Publikum macht in der Pause einen Spaziergang über das Feld, als ob es noch nicht schlecht genug war.
Nach einer Viertelstunde Ruhe wurde der Kampf wieder aufgenommen. Francken erzielt mit einem knappen Schuss den Ausgleich, bevor 12 Sekunden vorüber sind. Thomée schickt den Ball zum vierten Male ins Netz. Holland führt also wieder. Das Publikum war ganz aus dem Häuschen; Hüte, Mützen, Taschentücher, alles fliegt in die Luft und man gibt sich gar keine Mühe, seine Kopfbedeckung wieder zu erobern, so dass viele barhäuptig das Feld verlassen. Hollands fünftes Tor kommt dann wieder auf sehr glückliche Weise: Breunig, der beste Spieler im Feld, macht ein Selbsttor; 5:3 für H. Die deutsche Stürmerreihe setzt aber jetzt alle Kräfte an. Hirsch nimmt auf einen Augenblick den Ball, erzielt sein drittes Tor und wiederholt vier Minuten später dieselbe Leistung, was ihm eine donnernde Ovation von Spielern und Publikum bringt. Als Howcroft Zeit pfiff, war ein unentschiedenes Resultat der Erfolg dieses interessanten Kampfes.“
Wer war der Torschütze gegen die Schweiz?
Gegen die Schweiz 1913 in Freiburg spielen drei Berliner, die kennen den zu den Stuttgarter Kickers gewechselten Torhüter Christian Schmidt gut, sonst aber nur Süddeutsche (je zwei von den Stuttgarter Kickers und der SpVgg Fürth, je einer vom KFV, von Phönix Karlsruhe, Bayern München und Freiburger FC). Hirsch firmiert nach dem Vereinswechsel nun als Spieler von Fürth. Die „Neue Sportwoche“ lobt diese Blockbildung, die später immer wieder eine Renaissance erfahren wird: „Die 1:2-Niederlage gegen die Schweiz kommt überraschend, denn es war bei der Aufstellung das oft genug hervorgehobene Prinzip beachtet worden, die Einheitlichkeit des Angriffs und der Verteidigung und somit eine wichtige Grundlage für den Erfolg zu schaffen.“ Der rein süddeutsche Sturm heißt: Wegele, Mechling, Fürst, Kipp, Hirsch.
Die Begegnung am 18. Mai 1913 auf dem Freiburger FFC-Platz an der Waldseestraße (heute Mösle-Stadion und Nachwuchs-Internat des SC Freiburg) vor 10.000 Zuschauern ist bis 2004 das einzige A-Länderspiel in der Schwarzwaldstadt. Der Berichterstatter des „Fußball“ gesteht Probleme ein, als starke Regenschwaden bis in die Tribüne wehen: „Für einige Minuten ist Notierung infolge des schlechten zugewiesenen Platzes unmöglich.“ Vielleicht deshalb: Der deutsche Torschütze zum 1:2-Endstand ist „offiziell“ Kipp von den Stuttgarter Kickers, doch in der Fachzeitschrift liest es sich anders: „Einen zugespielten Ball treibt Hirsch mit rasendem Lauf auf der Seite vor, überspielt Verteidiger, geht nach innen, visiert kurz und schießt scharf in die untere Torecke. Glänzende Einzelleistung.“ Auch die „Neue Sportwoche“, Nr. 22, schreibt Hirsch das Tor zu: „Hirsch war als Linksaußen teilweise sehr gut, sein Tor war eine vorzügliche Leistung.“
Muss die Fußballgeschichte in diesem Fall nun umgeschrieben werden? Zeitzeugen dürfte man trotz der nach oben verbreiterten demografischen Alterspyramide Deutschlands kaum noch finden…
„Entschlossenheit, Schussstärke, Technik“
„Hirsch war ja wirklich gut“, heißt es weiter in der „Fußball“-Einzelkritik. „Aber ein Mann von seiner Entschlossenheit, seiner Schussstärke und Technik gehört nicht auf den Flügel (Anm.: Linksaußen) zu 2/3 kaltgestellt, wo wir im Innern keine Schützen haben! Hirsch ist eines Halbinnenstürmers Muster.“ „Der Rasensport“ stimmte zu: „Hirsch auf den Posten eines Linksaußen zu stellen, diese Idee kann nur jemand bekommen, der Hirsch nicht kennt.“
Vor dem Dänemark-Länderspiel probiert man am 28. September 1913 in Hamburg auf Victorias Platz etwas Neues aus: Zwei DFB-Mann schaften spielen gegeneinander! Am Länderspiel-Tag, dem 26. Oktober, regnet es, trübes Wetter an der Wasserkante, und statt der erwarteten 17.500 kommen „nur“ 8.500 in Victorias Stadion auf der Hoheluft. Deutschland spielt wie meist im weißen Jersey mit dem Reichsadler und schwarzen Hosen, die Nationalhymnen intoniert eine Kapelle des reaktionären „Bund Jungdeutschland“, der sich der Wehrertüchtigung und Kriegsvorbereitung verschrieben hat.
Die Nationalelf, die 1913 gegen die Schweiz antrat: v.l. Röpnack, Diemer, Hirsch, Bosch, Wegele, Kugler, Christian Schmidt, Kipp, Hans Schmidt, Fürst, Mechling.
Das einzige Länderspiel im „Mösle“-Stadion von Freiburg fand 1913 statt.
Dänemark gilt laut „Neue Sportwoche“ „als die beste kontinentale Ländermannschaft. Wir wissen es ja alle, dass der dänische Fußballsport uns über ist. Das scheint allerdings den Dänen etwas den Kopf verdreht zu haben, denn die bekannte dänische Zeitung ‚Politiken’ hat uns eine zweistellige Zahl prophezeit. So schlimm ist es mit dem 1:4 nun doch nicht geworden. Das kleine Dänemark ist gegenüber dem großen Deutschland in einer glücklicheren Lage, dass es sein Material eng beieinander wohnen hat. Man nahm von einer überragenden Klubmannschaft, den Boldclubben af 1876, neun Leute und füllte nur zwei Posten auf. So war wie in Ungarn mit Ferenczvarosi ein genaues Sichverstehen gegeben, während sich bei uns verschiedene