Violent Triumphs - König und Königin. Jessica Hawkins. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jessica Hawkins
Издательство: Bookwire
Серия: White Monarch Trilogie
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783864439551
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um mich herum begann, sich zu drehen. Ich rutschte an der Wand hinab und legte den Kopf auf die Knie. Wenn ich noch irgendwelche Zweifel gehegt hatte, so verschwanden sie jetzt direkt vor meinen Augen. Etwas, das er auf dem Kostümball damals gesagt hatte, kam mir in den Sinn. Sein letzter Wunsch war gewesen, mich schreien zu hören.

      Und der Himmel hatte ihm diesen Wunsch erfüllt.

      Kapitel 2

       Natalia

      Meine Welt bebte und ich schreckte aus dem Schlaf hoch. Jaz beugte sich über mich, hinter ihr surrten die Deckenleuchten, die so grell waren wie die Sonne.

      „Welchen Monat haben wir?“, fragte sie.

      „Was?“ Ich setzte mich langsam auf. Ich konnte mich nicht daran erinnern, mich auf dem Boden mit einer Decke zusammengerollt zu haben.

      „Wie alt bist du?“

      „Ich … zwanzig. Warum?“

      „Passt schon.“ Jaz stand abrupt auf und ging wieder zu ihrer Seite des Raumes.

      Sie setzte sich in eine Ecke, zog die Knie an die Brust und legte die Hand mit der Waffe auf einem Knie ab. Ich drückte mir den Handballen gegen den schmerzhaft pochenden Kopf und stellte fest, dass er verbunden war. Dort, wo der Schnitt von dem Spiegelglas war, hatte man mir auch die Hand verbunden. „Was ist passiert?“

      Sie starrte weiter auf die Tür. „Du bist ohnmächtig geworden.“

      Ich sah alles doppelt. Im ganzen Raum lagen Decken und Kissen verteilt. Mehr Frauen waren aufgetaucht. Bis auf Jaz schliefen alle.

      „Wie lange war ich weggetreten?“ Die Frage kam in einem kratzenden Flüstern aus meinem traumatisierten und protestierenden Hals.

      „Keine Ahnung. Ein paar Stunden?“ Sie seufzte tief. „Alejandro sagt, oben ist alles gesichert, aber sie kümmern sich noch um die Leichen.“

      „Leichen? Mehrere? Gibt es Neuigkeiten von …“ Ich konnte mich nicht dazu bringen, seinen Namen auszusprechen. Cristiano. Ihn sogar zu denken, verursachte mir Herzschmerzen.

      „Alle Frauen, die überlebt haben, sind hier. Kein Lebenszeichen von Cristiano.“

      Ich kämpfte gegen eine neue Welle der Übelkeit an. Kein Lebenszeichen war das Schlimmste. Alles deutete auf seinen Tod hin. Ich musste aber daran glauben, dass er noch am Leben war. Dass er, genau wie ich, gekämpft hatte, so heftig wie möglich. Dafür, dass er mein ganzes Leben an mich geglaubt hatte, war ich es ihm schuldig.

      „Niemand hat sich gemeldet. Nicht Max. Nicht Daniel oder Cristiano. Sie sind tot.“ Ihre kleine Stupsnase zuckte. „Was willst du jetzt deswegen unternehmen?“

      „Bitte?“

      „Sie haben deinen Mann umgebracht. Nicht nur irgendeinen Mann. Sondern den Anführer eines mächtigen kriminellen Syndikats. Unseren Retter. Unseren Beschützer.“

      Ich hob den Kopf. Sie erwartete, dass ich mir Belmonte-Ruiz vorknöpfte? Nein. Sie erwartete von mir, dass ich mich duckte und zusammenbrach, oder davonlief. Vielleicht wäre das auch clever. Wenn Cristiano de la Rosa sie nicht schlagen konnte, konnte ich es auch nicht. Allerdings hatte ich gerade einen Angreifer niedergestreckt, der mir gegenüber klar im Vorteil gewesen war. Aber ich konnte jetzt nicht an so etwas Beängstigendes denken. Ich rieb mir die Ellbogen, die neuesten, aber nicht die einzigen Stellen, die mir wehtaten.

      „Hast du meine Wunden versorgt?“, frage ich Jaz, als ich den Erste-Hilfe-Koffer neben ihr stehen sah.

      „Ich habe dich geweckt um zu sehen, ob du eine Gehirnerschütterung hast. Glaube ich aber nicht.“

      „Woher weißt du so etwas?“

      „Ich habe das schon oft für Cristiano und die anderen Männer gemacht. Dir fehlt anscheinend nichts.“ Sie zog die Knie noch enger an sich. „Was zu schade ist. Es würde mir einen Haufen Ärger ersparen. Ich hab dir gesagt, was dich Cristianos Leben kosten wird.“

      Meins.

      Pilar setzte sich von ihrem provisorischen Bett in der Ecke auf und rieb sich die Augen. „Was soll das heißen?“

      „Dein Schicksal ist mit seinem verknüpft.“ Jaz sah zu Pilar. „Und deins auch.“

      „Cristiano hat sich meinetwegen in Gefahr begeben“, erklärte ich Pilar. „Laut Jaz ist es meine Schuld, wenn er stirbt.“

      Pilar hob die zittrigen Hände an den Mund. „Und sie werden uns umbringen?“

      Ich hatte immer versucht, Pilar zu beschützen, aber wenn Cristiano mir eine Sache beigebracht hatte, dann dass keine Waffe gegen die Wahrheit ankam. Je mehr sie wusste, desto größer war ihre Chance, hier lebend herauszukommen. „Sie werden es versuchen.“

      Ich hielt Jaz’ Blick stand. Sie machte mir keine Angst. Ihre Drohungen entsprangen der Sorge. Das war mir klar, weil wir beide vor der gleichen Sache Angst hatten. Nämlich, Cristiano zu verlieren. Sie wollte, was ich wollte. Sein Überleben. Die Frage war, warum ich mir um ihn Sorgen machte. Ich hatte Cristiano von mir gestoßen, wo ich nur konnte. Bloßgelegt, ohne jegliche Verärgerung, hinter der ich mich verstecken konnte, blieb nur meine ursprüngliche, ungetrübte, unerfindliche Hoffnung. Dass er am Leben war. Dass er zu mir zurückkommen würde. Dass ich die Möglichkeit haben würde, ihm zu sagen, dass ich nicht mehr dieselbe war, die damals hier ankam. Und, dass ich ihn nicht mehr als den gleichen Mann sah.

      Hier in dem gepanzerten Raum verging die Zeit anders. Ich hatte keine Ahnung wie lange wir hier schon waren, als Alejandro endlich wiederkam. Ich sprang auf die Füße. Mir wurde schwindelig und ich stützte mich an der Wand ab. „Und?“, fragte ich.

      „Ein Hubschrauber nähert sich. Es ist keiner von uns, aber wir haben Funkkontakt.“ Alejandro sah von Jaz und den aufwachenden Frauen auf dem Boden zu mir. „Cristiano ist an Bord.“

      Ich legte eine Hand auf den Mund und mir entkam ein unerwartetes Schluchzen. „Ist er am Leben?“

      „Ich weiß es nicht.“ Unsicher schüttelte Alejandro den Kopf. „Aber wir haben ausgezeichnete Ärzte hier, die ihn in Empfang nehmen.“

      Ich würde ihn sehen. Berühren können. Ihm sagen können, was ich ihm sagen wollte. Dass ich ihn gar nicht mehr verlassen wollte.

      „Ich sollte da sein, wenn er landet“, sagte ich, auch wenn mein Hals sich wund anfühlte.

      Alejandro zögerte. „Bei allem Respekt, du wärst wahrscheinlich im Weg. Wir haben alles im Griff. Es wäre vielleicht das Beste, wenn du hier unten bleibst.“

      „Vielleicht wäre es das Beste, wenn ich das nicht täte“, schoss ich zurück.

      Alejandro hob eine Augenbraue. Bislang hatte ich weder ihm, noch irgendwem hier Grund zu der Annahme gegeben, dass mir etwas an Cristianos lebendiger Rückkehr lag. Aber trotz all meiner Bemühungen, hatten sich meine Gefühle für Cristiano entwickelt. Ich hatte es nicht zugeben wollen, aber jetzt hatte ich keine andere Wahl mehr. Ich konnte mich hinter nichts mehr verstecken. Der Gedanke, ihn zu verlieren, seine dunkle, feste Stimme nie wieder zu hören, und an die unausgesprochenen Dinge, schmerzte bis tief in meine Seele.

      „Du hast selbst gesagt, dass Cristiano wissen wollen würde, ob es mir gut geht“, sagte ich. „Vielleicht gibt es ihm … Hoffnung, wenn ich da bin.“

      Alejandro nickte hinter sich. „Na dann, komm.“

      Außerhalb des gepanzerten Raumes bekam ich besser Luft. Ich konnte freier atmen. Ich war nicht untätig. Zügig liefen wir die Treppe zur Garage hoch.

      Beim Betreten des Hauses durch die Hintertür zog Alejandro seine Waffe. „Bleib an meiner Seite.“

      Obwohl ein Teil der Beleuchtung wieder angegangen war, jagte mir die seltsame Stille Schauder über den Rücken. Als ob das Haus seit Monaten unbewohnt wäre. Alejandro blieb dicht bei mir, seine Haltung war angespannt.