Flamme von Jamaika. Martina Andre. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Martina Andre
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788726292879
Скачать книгу

      Plötzlich wurde Baba bewusst, dass er sich wirklich um sie geängstigt hatte. Halb drehte sie sich zu ihm um und warf ihm einen flehenden Blick zu.

      «Ich werde so etwas nie wieder tun», flüsterte sie. «Ich schwöre es, bei der Seele meiner Mutter!»

      «Was wolltest du überhaupt bei diesen verteufelten Weißen?»

      In seiner Stimme war das ganze Unverständnis zu hören: Wie konnte man nur an den Ort seiner Qualen zurückkehren, ohne die Möglichkeit zu haben, wahrhaftige Rache zu verüben?

      «Er hat geheiratet, und ich habe seine Ehe verflucht!»

      «Wer? Der alte Blake? Wen denn?» Jess wirkte durchaus erstaunt. «Ist er nicht schon älter als du?»

      «Du Narr!», schalt sie ihn. «Nicht William, sondern Edward, dein Halbbruder hat sich eine Frau genommen.»

      «Pah! Halbbruder!», höhnte Jess mit verächtlicher Stimme. «Ich will nichts mit dieser Familie zu tun haben.»

      «Aber mir war es ein heiliges Anliegen, den Fluch, der auf den Blakes lastet, noch einmal zu bekräftigen. Auf dass sie kinderlos bleiben und aussterben. Denn das Schlimmste, was einem Mann wie William Blake widerfahren kann, ist, wenn er keine Nachkommen hat, die ihn eines Tages beerben. Auch die Frau soll sterben, wie all ihre Vorgängerinnen, verstehst du?»

      «Du machst mir Angst.» Jess schüttelte ungläubig den Kopf. «Warum hast du nicht einfach seinen Schwanz verwünscht? Das hätte doch vollkommen gereicht. Was kann die Frau denn dafür, dass ihr Schwiegervater ein durchtriebener Höllenhund ist?»

      Baba war beleidigt. Jess nahm die Kräfte von Desdemona, die sie bei ihrer schwarzen Zauberei unterstützte, nicht ernst. Aber auch Jess wusste, dass fünf Frauen im Hause Blake zu Tode gekommen waren. Und das lag sicher an ihrem Fluch.

      «Warum hast du es immer auf die Frauen abgesehen und nicht auf die Männer?», bemerkte Jess mit einigem Unverständnis im Blick. «Schließlich stecken William Blake und sein Sohn hinter unserem Unglück und nicht seine Frauen.»

      «Davon verstehst du nichts», blaffte Baba und blieb ihm eine Erklärung schuldig.

      Im Grunde glaubte Jess nicht an Obeah-Zaubereien, denn er war bei den Jesuiten im katholischen Glauben erzogen worden. Doch er hielt sich zurück, allem Anschein nach wollte er seine Mutter nicht beleidigen.

      «Ist sie wenigstens hässlich?», fragte er beiläufig.

      «Wer?» Baba war immer noch ganz in Gedanken und erinnerte sich an den Moment, als sie William den Hahn an den Kopf geschleudert hatte.

      «Die Braut – ist sie hässlich?», fragte er noch einmal so laut, als ob Baba schwerhörig wäre.

      «Ich hab sie nur ganz kurz gesehen. Eine Weiße eben. So ein unglaublich blasses, nichtssagendes Ding mit strohblonden Haaren. Ich weiß nicht, was ein Mann an einer solchen Frau finden kann.»

      «Wie ich die Blakes einschätze», erwiderte Jess mit einem Schulterzucken, «ist das Aussehen unwesentlich. Wahrscheinlich soll sie einzig und allein den Fortbestand ihrer Familie sichern.»

      «Deshalb wundert es mich ja, dass sie sich schon wieder so eine schwindsüchtige Europäerin ausgesucht haben, wo doch jeder weiß, dass die kräftigen, dunkelhäutigen Frauen widerstandsfähiger sind und die gesünderen Kinder gebären. Aber ganz gleich ob sie dünn oder dick ist», triumphierte Baba boshaft, «ich werde ihr das Leben zur Hölle machen – und mit Hilfe von Desdemona verhindern, dass sie je ein gesundes Kind zur Welt bringt.»

      Lord William wischte sich mit einem Schnupftuch den Schweiß von der Stirn.

      «Was ist?», fragte er und blickte unwirsch zu Lena, die sich ihm vorsichtig näherte. «Haben sie die Furie zu fassen bekommen?»

      «Ich habe keine Neuigkeiten. Aber wer könnte das gewesen sein?»

      Lena sah ihren Schwiegervater mit einem eindringlichen Blick fragend an, ohne Rücksicht auf seinen momentanen Gemütszustand zu nehmen.

      «Woher soll ich das wissen?», schleuderte er ihr entgegen. «Eine Verrückte. Was sonst?»

      Als er bemerkte, dass nicht nur Lena fragend die Stirn runzelte, sondern auch die Gattin des Gouverneurs, die mit besorgter Miene an ihrer Seite stand, sah er sich offenbar gezwungen, weiter auszuholen.

      «Wir beschäftigen rund tausend Sklaven auf unseren Plantagen, davon dreihundert Frauen», antwortete er mit gequältem Blick. «Das könnte jede gewesen sein. Wer weiß denn schon, was in deren krausen Köpfen vorgeht?»

      Lena waren die mitleidigen Blicke der noch anwesenden Frauen nicht entgangen. Immerhin hatte dieser merkwürdige Fluch auch ihr gegolten. Und auch wenn sie nicht abergläubisch war, so fühlte sie sich doch leicht beunruhigt und wollte wissen, was der wahre Grund dieses Auftritts gewesen war. Irgendetwas vermittelte ihr das Gefühl, dass mehr dahintersteckte, als Lord William zugeben mochte. Warum hatte die merkwürdig verhüllte Gestalt am Ende ausdrücklich die Frauen der Familie verflucht und es nicht bei einem allgemeinen Fluch belassen?

      «Komm», flüsterte Maggie, die neben sie getreten war. «Du siehst aus, als ob du frische Luft gebrauchen könntest.»

      Gemeinsam traten sie nach draußen auf die Terrasse. Edward war immer noch nicht aufgetaucht. Der rasch zusammengestellte Suchtrupp unter dem Kommando von Captain Peacemaker war allem Anschein nach hinunter zum Fluss gelaufen, wo sich die Sklavenunterkünfte befanden. Hier und da sah man noch einen Grünrock zwischen Bäumen und Sträuchern aufblitzen.

      «Lass uns ein wenig umhergehen», schlug sie Maggie vor und zog ihre Gesellschafterin zum Haupteingang.

      «Was ist, wenn uns diese Hexe über den Weg läuft?», gab Maggie zu bedenken.

      «Soweit ich sehen konnte, ist sie zum Fluss gelaufen und nicht zu den Wirtschaftsgebäuden. Außerdem wimmelt es hier von Soldaten.»

      Lena hielt für einen Moment Ausschau, als sie nach draußen traten, und entschied sich, in Richtung Weinlager zu laufen, weil dort niemand zu sehen war. Sie war froh, einen Moment mit Maggie alleine sprechen zu können.

      «Denkst du wirklich, dass es eine Verrückte war, wie Lord William vermutet?»

      «Man muss schon ziemlich verrückt sein, um als Negerin so etwas zu tun», entgegnete Maggie. «Wenn du mich fragst, hat sie ihr Leben riskiert. Oder glaubst du ernsthaft, die Soldaten werden diese Frau einfach laufen lassen, wenn sie ihrer habhaft werden?»

      «Ich finde, Lady Elisabeth hat auch merkwürdig reagiert. Anstatt zum Buffet zu gehen, hätte sie sich doch um Lord William sorgen müssen, meinst du nicht?»

      «Vielleicht ist sie nur unglaublich gefräßig», mutmaßte Maggie. «Sie hat schon vorher die ganze Zeit nur übers Essen gesprochen.»

      «Oder sie wollte die ganze Situation verharmlosen.»

      «Dir bleibt nichts weiter übrig, als deinen frisch angetrauten Ehemann zu fragen, was das alles zu bedeuten hat. Schließlich müsste er ein Interesse daran haben, dich zu beruhigen.»

      «Sobald ich ihn zu fassen kriege», grollte Lena und nahm mit entschlossener Miene das Weinlager ins Visier, vor dem eine Bank stand, auf der sie sich einen Moment mit Maggie niederlassen wollte.

      Bei dem angrenzenden Gebäude handelte es sich um ein kleines weißes Steinhaus, dessen Eingang direkt in einen tiefen Keller führte, der nicht nur zur Aufbewahrung der Weine, sondern auch als Kühlhaus für leichtverderbliche Ware genutzt wurde.

      «Ich fürchte, ich bekomme eine Migräne», stöhnte Lena und hielt sich die Stirn. «Der letzte Auftritt war einfach zu viel für mich.»

      Als sie den Eingang zum Weinkeller passierten, bemerkte sie, dass die eiserne Tür einen Spalt offen stand. Estrelle hatte sie vor ein paar Tagen hierher mitgenommen, weil der Bestand des Vorratsraumes offiziell der Kontrolle