Flamme von Jamaika. Martina Andre. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Martina Andre
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788726292879
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Schnaufen. Vielleicht war jemand die steinerne Treppe hinuntergestürzt, hatte sich dabei etwas gebrochen und lag nun schmerzvoll verrenkt auf dem Kellerboden? «Ist da wer?», rief sie laut und öffnete die Tür so weit, wie es ging.

      Stille.

      «Hallo?»

      Nichts.

      «Lass uns Verstärkung holen», empfahl Maggie, die ansonsten nicht zur Ängstlichkeit neigte. «Nicht, dass die komische Alte am Ende dort unten ist.»

      «Wer sollte uns helfen?», erwiderte Lena und warf einen prüfenden Blick in die Umgebung.

      Sämtliche Wachleute waren verschwunden, und auch Soldaten waren weit und breit keine zu sehen. Wahrscheinlich waren alle unten am Fluss und beteiligten sich an der Suche. Wieder ein Aufschluchzen. Kaum hörbar, und doch war es da. Lena fasste einen Entschluss.

      «Bleib hier bei der Tür», sagte sie zu Maggie. «Und wenn ich nicht gleich wieder da bin, läufst du zum Haupthaus und holst Hilfe.»

      «Nicht!», rief Maggie und versuchte sie am Arm festzuhalten.

      Doch Lena war schon entwischt und befand sich auf halbem Weg in den Keller. Ihre Augen gewöhnten sich nur langsam an die Dämmerung, und so stieß sie einen Laut jähen Entsetzens aus, als sie im Vorraum des Weinkellers angekommen war und ein riesiger Mann vor ihr stand. Erst beim zweiten Hinsehen erkannte sie, dass er ihr wohl eher unbeabsichtigt seine stramme, nackte Kehrseite entgegenstreckte. Rechts und links neben den Hüften des Mannes ragte ein Paar nackte Füße empor, deren Fußsohlen um einiges weißer waren als die mageren Beine, die zu den Füßen gehörten.

      Der unzweifelhaft weiße Kerl, der die schmalen Schenkel eines sehr jungen Mädchens wie in einem Zangengriff gepackt hielt, ließ sich von Lenas Aufschrei kaum beirren. Als er sich mehr widerwillig zu ihr umdrehte, blickte sie in das tumbe Gesicht von Trevor Hanson. Für einen Moment war Lena nicht sicher, ob der überraschte Ausdruck in seinen kleinen Schweinsaugen Belustigung oder Wut über ihr unvermitteltes Erscheinen ausdrückte.

      «Hauen Sie ab, Missus», grunzte er lahm. «Dies ist bestimmt kein Anblick für eine weiße Lady, erst recht nicht für eine Braut, die noch ihre Hochzeitsnacht vor sich hat.»

      «Trevor! Was in Gottes Namen tun Sie da?»

      Lena hatte einen Augenblick benötigt, um ihre Fassung wiederzugewinnen. Und obwohl sie der Anblick des kopulierenden Paares verstörte, nahm sie allen Mut zusammen, um sich genauer anzuschauen, welche ihrer Sklavinnen so unverfroren war, es mit dem Oberaufseher von Redfield Hall im Weinkeller zu treiben.

      «Nach was sieht es denn aus?», grunzte Hanson. «Gehen Sie endlich und gönnen Sie mir meinen Spaß!»

      «Spaß?»

      Lena straffte entschlossen ihren Rücken und machte im Halbdunkel des Kellers ein paar Schritte um Trevor herum. Als sie das völlig verheulte Gesicht der erst vierzehnjährigen Larcy erblickte, hatte sie genug gesehen, um zu wissen, dass hier allenfalls einer seinen Spaß hatte. Larcys weit aufgerissene Brombeeraugen flehten sie regelrecht an, dem ungnädigen Treiben Einhalt zu gebieten. Wie im Reflex schnappte Lena sich einen herumstehenden Besen und erhob ihn drohend gegen den ersten Aufseher der Plantage.

      «Lassen Sie sofort von dem Mädchen ab, oder ich werde Sie an meinem Hochzeitstag in Gegenwart meines Gemahls und des Gouverneurs von Jamaika höchstpersönlich zur Verantwortung ziehen!»

      Als Trevor nicht gleich reagierte, erhob sie den Besen aufs Neue und stieß ihm die Kehrseite in den Rücken, als ob sie einen Löwen bändigen wollte.

      «Ist das klar, Mr. Hanson?!»

      «Lena?» Maggies Stimme erscholl ängstlich vom Treppenabsatz herab. Offensichtlich war sie ihr bis zur Hälfte gefolgt. «Alles in Ordnung da unten?»

      «Nein, leider nicht, Maggie. Hol sofort Lord William und sag ihm, dass ich hier seine Hilfe benötige!»

      «Ist es die Frau? Hast du sie erwischt? Warte, ich komme runter und helfe dir!»

      «Nein, Maggie», schrie Lena zurück. «Tu einfach, was ich dir sage, und hol den Lord!»

      «In Ordnung!», rief Maggie, und ihre eiligen Schritte entfernten sich.

      «Schon gut, schon gut, Mylady», lenkte Trevor unvermittelt ein und hob entwaffnend seine Hände.

      Dann trat er zurück und Lena entging nicht, wie er sein riesiges, halbsteifes Glied offenbar ohne Scham aus dem bibbernden Mädchen herauszog. «Verschwinden Sie bloß», fauchte Lena, die nicht weniger als Larcy zitterte und den Besen erst sinken ließ, als Hanson sich die Hose gegürtet hatte und den Weg nach oben antrat.

      Als der Tyrann endlich aus ihrem Blickwinkel verschwunden war, half sie Larcy von dem Weinfass herunter. Dem Mädchen lief das Blut die Schenkel hinab, ein Zeichen dafür, dass Hanson ihr nicht nur die Jungfräulichkeit genommen hatte, sondern auch mit brutaler Gewalt vorgegangen war. Als Lena sie schützend in ihre Arme zog, in dem vergeblichen Bemühen, sie zu trösten, begann die Sklavin erneut zu schluchzen.

      «Bitte, Missus», bettelte sie weinend, «sagen Sie nichts dem Massa. Bitte. Niemand darf etwas davon erfahren. Ich flehe Sie an!»

      «Mach dir keine Sorgen, Larcy, ich werde höchstpersönlich dafür sorgen, dass dein Peiniger seiner gerechten Strafe zugeführt wird. Dir wird kein Leid mehr geschehen.»

      Edward hatte mit den anderen sämtliche Hütten durchkämmt, aber nichts Verdächtiges finden können. Dabei war er auf Yolanda gestoßen, eine Sklavin in seinem Alter, die erst kürzlich ein Kind geboren hatte, das ihren Behauptungen nach sein eigenes war. Als er im Hochzeitsfrack vor ihr stand und sie nach der entflohenen Attentäterin zu fragen begann, war sie in Tränen ausgebrochen. Allerdings trieben die junge Mulattin ganz andere Sorgen um als ihn selbst.

      «Du wirst sie doch nicht lieben, auch wenn du nun mit ihr verheiratet bist und sie besteigen musst, oder?» Mit einem waidwunden Blick klammerte sie sich an das Revers seines Fracks, was ihm mehr als lästig erschien. «Ich bin deine einzige Frau, das hast du immer gesagt!»

      «Yolanda, so sei doch vernünftig», beschwichtigte er sie. «Sie ist die neue Herrin von Redfield Hall. Ich werde ihr ein Kind zeugen oder auch zwei. Sei gewiss, dass ich trotzdem weiter zu dir komme.» Edward kniff ihr in den üppigen Hintern. «Allerdings solltest du nie vergessen, dass du nur eine Sklavin bist. Sollte ich jemals erfahren, dass du höhere Ansprüche stellst, werde ich dich und deine Kinder verkaufen müssen. Hast du das verstanden?»

      Sie nickte willfährig und fiel vor ihm auf die Knie.

      «Ich tue alles, was du verlangst, Master Edward.»

      «Dir bleibt ohnehin nichts anderes übrig», erwiderte er grinsend und war schon nach draußen verschwunden.

      Lord William hatte sich bereits umgezogen, als Edward in die Festhalle zurückkehrte.

      «Habt ihr die Hexe gefunden?», fragte er wütend.

      Edward schüttelte missmutig den Kopf.

      «Captain Peacemaker und seine Leute haben jenseits des Flusses die Verfolgung aufgenommen.»

      «Wenn ich es nicht besser wüsste», raunte William ihm zu, «würde ich schwören, dass es Baba war, die von den Toten auferstanden ist.»

      «Red keinen Unsinn», zischte Edward. «Baba ist tot, und an einen solchen Geisterquatsch glaube ich nicht. Das war jemand, der die Geschichte kennt und uns einen Schreck einjagen wollte. Wo ist eigentlich meine Frau?», fragte Edward, als Lady Elisabeth unvermittelt näher trat.

      «Keine Ahnung», sagte sie nur. «Eben war sie noch da.» Dann fasste sie ihn am Arm und schaute ihm verbindlich in die Augen. «Du solltest ihr die Wahrheit sagen.»

      «Welche Wahrheit denn?», zischte Edward ungehalten. «Ich habe mit den Machenschaften meines Vaters nichts mehr zu tun. Das ist ein alter Hut, über den niemand mehr spricht.»