Flamme von Jamaika. Martina Andre. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Martina Andre
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788726292879
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sehr wohl, was damals geschehen ist. Das siehst du daran, dass seit dem Tod von Hetty MacMelvin kein Plantagenbesitzer auf Jamaika bereit war, dir die Hand seiner Tochter zu überlassen. Jeder, der hier aufgewachsen ist, weiß, dass diese Sklavin vor zwanzig Jahren eure gesamte Familie verflucht hat. Danach sind drei Frauen und zwei neugeborene Mädchen gestorben. Denkst du, das ist Zufall?»

      «Natürlich ist es Zufall», setzte er sich schnaubend zur Wehr. «Überall sterben Frauen im Kindbett, das ist doch nichts Ungewöhnliches.»

      «Hetty ist nicht im Kindbett gestorben, sie wurde von einem Sklaven getötet, und das noch vor eurer Hochzeit. Hast du Helena davon erzählt?», fragte die Lady besorgt.

      «Wo denkst du hin?», knurrte Edward. «Glaubst du, ich will, dass sie sich vor unseren Sklaven fürchtet?»

      «Nach dem heutigen Vorfall wird ganz Jamaika darüber klatschen», wandte die Lady mit einem schicksalsergebenen Lächeln ein. «Dabei wird es sich kaum vermeiden lassen, dass diese Dinge auch Lena zu Ohren kommen. Deshalb solltest du vorbeugen und ihr die Dinge aus deiner Sicht schildern, bevor sie sich von dir abwendet.»

      Wenn ich sie aus meiner Sicht schildere, dachte er bei sich, wird sie erst recht davonlaufen.

      Doch stattdessen triumphierte er lässig: «Wir sind verheiratet. Du hast doch gehört, dass uns nur noch der Tod scheiden kann.»

      «Edward», beschwor sie ihn eindringlich. «Genau darauf läuft dieser vermaledeite Fluch hinaus. Du willst doch nicht, dass sie stirbt, bevor sie dir einen Sohn geboren hat.»

      «Warum sollte sie sterben? Nur wegen dieser Frau? Dass ich nicht lache!»

      «Hast du eine Ahnung, wer dahintersteckt?» Lady Elisabeth hob eine Braue.

      «Nein.» Edward schüttelte missmutig den Kopf und blickte auf seinen Vater, der in einiger Entfernung in einer hitzigen Unterredung mit dem Gouverneur war.

      «Die verschwundene Sklavin von damals kann es schlecht sein», sinnierte er laut. «Das ist ja schon alles viel zu lange her.»

      Er wollte Elisabeth von weitergehenden Überlegungen abhalten. Sein Vater hatte die Geschichte mit der verschwundenen Sklavin sogar Edwards Mutter glaubwürdig aufgetischt. Angeblich war die Schwarze trotz ihrer schweren Verletzungen bei Nacht und Nebel davongelaufen. Außer Lord William wusste nur Trevor, wie die Dinge wahrhaftig gelaufen waren. Edward hatte die Geschichte später von seinem Vater erfahren.

      Mit versteinerter Miene ließ Lord William sich einen großen Schluck Brandy aus einem silbernen Becher reichen, um den Ärger über die verdorbene Hochzeitsfeier hinunterzuspülen. Vorsorglich befahl er einem seiner schwarzen Diener vorzukosten. Nachdem der Neger nicht umfiel, atmete Lord William auf und hob den Becher.

      «Ab sofort will ich, dass sämtliche Speisen und Getränke vor meinen Augen gekostet werden», wandte er sich mit hysterischem Blick an Jeremia, der als Hausbutler den anderen Dienern vorstand.

      «Haben Sie Angst, dass Sie jemand vergiften will?»

      Der Gouverneur trat hinzu und warf seiner Frau einen bedeutungsschwangeren Blick zu.

      «Diese verrückten Neger kommen ja anscheinend auf alle möglichen Ideen, wenn ihre Phantasie erst einmal entfesselt ist», antwortete William aufgebracht.

      «Haben Sie bereits eine Ahnung, wer sich hinter diesem schaurigen Spuk verbirgt?» Der Gouverneur schaute ihn fragend an.

      «Eine Ahnung schon, aber keine Erklärung, und es wäre mir recht, wenn wir es einstweilen dabei belassen würden.»

      Plötzlich huschte Maggie in den Festsaal und zupfte Edward am Ärmel.

      «Sie müssen sofort zum Weinlager kommen! Lena hat aller Wahrscheinlichkeit nach die gesuchte Frau gefunden. Sie hält sie unten im Keller in Schach!»

      «Was …?»

      Edward war ebenso schnell auf dem Weg wie die übrigen Männer, die bei Lord William geblieben waren. Sogar der alte Lord persönlich ließ es sich nicht nehmen, zusammen mit dem Gouverneur Lenas Gesellschafterin zu folgen. Gemeinsam rannten sie im Laufschritt nach draußen und dann den Kiesweg zum Weinkeller hinunter.

      Sie entdeckten Lena schließlich auf der kleinen, weißen Holzbank zusammen mit einer Frau. Seltsamerweise kauerte die Schwarze sich an Lenas Schulter. Erleichtert stellte Edward fest, dass seine frisch angetraute Braut sich augenscheinlich bester Gesundheit erfreute. Dass sie die Übeltäterin offenbar ganz allein überwältigt hatte, ließ seine Brust vor Stolz schwellen. Allerdings erschien ihm die schmächtige schwarze Gestalt, die Lena beinahe schützend umarmt hielt, erheblich kleiner als die geflüchtete Attentäterin.

      «Larcy?», entfuhr es ihm ungläubig, als er das Negermädchen erkannte. «Ist sie etwa die Schuldige?»

      «Unsinn», konstatierte Lena verärgert. «Nicht sie ist die Schuldige, sondern Trevor Hanson!»

      «Trevor Hanson?»

      Edward verstand überhaupt nichts mehr. Was hatte Trevor mit dem Auftritt der Hexe zu tun? Wenn man einmal davon absah, dass er ohnehin noch ein Hühnchen mit seinem Aufseher zu rupfen hatte, weil er das Gelände um das Haupthaus nicht gut genug im Auge behalten und sich auch nicht an der Suche nach der geflohenen Frau beteiligt hatte. Was die Frage aufwarf, wo er überhaupt steckte.

      «Er hat ihr Gewalt angetan», erwiderte Lena zornig.

      Nun konzentrierte sich die Aufmerksamkeit der Männer wieder auf die junge Sklavin. Dabei konnte niemandem das Blut entgehen, das an ihren dürren Beinen hinuntersickerte. Mit betretener Miene zogen sich die meisten Schaulustigen zurück. Die Vergewaltigung einer Sklavin, so häufig es auch vorkam, war nichts, was man gerne an die große Glocke hing.

      Lord William war die Angelegenheit nach all dem vorangegangenen Trubel offenbar mehr als peinlich. Er nahm den Gouverneur bei der Schulter und führte ihn, zusammen mit drei anderen Honoratioren, schnellen Schrittes zurück zum Haus.

      «Hanson ist ein verdammtes Schwein», entfuhr es Lena wenig damenhaft. «Ich bestehe darauf, dass du ihn sofort entlässt», forderte sie Edward unmissverständlich auf. «Ich kann nicht in Gegenwart eines Mannes leben, der ein solches Verbrechen begeht. Wie sollte man sich als Frau da noch sicher fühlen?»

      Edward war es unangenehm, mit Lena vor Zeugen zu streiten, besonders, wenn es Bedienstete waren.

      «Nun beruhige dich doch», empfahl er ihr und vollführte mit seinen Händen eine beschwichtigende Geste. Er war versucht, den Arm um Lena zu legen, als diese aufstand, um Larcy gemeinsam mit Maggie zum Haus zu bringen.

      «Miss Blumenroth, gehen Sie bitte mit dem Mädchen schon vor und sagen Sie Estrelle, sie soll sich um Larcy kümmern.»

      «Sehr wohl, Sir.» Maggie fasste Larcy beim Arm, um sie Richtung Herrenhaus zu dirigieren.

      Lena wollte offenbar protestieren, doch Maggie nickte ihr zu.

      «Ich erledige das schon. Wahrscheinlich ist es das Beste, wenn Larcy sich ein wenig hinlegen kann.»

      «Wie kommt es überhaupt, dass du die beiden entdeckt hast?», fragte Edward lahm, nachdem Maggie und die Sklavin sich auf den Weg gemacht hatten.

      Im Stillen ärgerte er sich mehr darüber, dass Trevor nicht bei der Jagd nach der Hexe teilgenommen hatte, als dass er sich an Larcy vergangen hatte. Die Aufseher auf der Plantage besaßen alle Freiheiten, wenn es darum ging, sich eine Sklavin zu nehmen. Immerhin sorgten sie damit für zuverlässigen Nachwuchs unter den Negern. Eine Aufgabe, der die rein afrikanischen Sklaven immer weniger nachkamen.

      «Als ob das jetzt noch eine Rolle spielen würde», erklärte Lena wütend. «Was soll denn bitte schön noch alles an unserem Hochzeitstag geschehen? Eine Frau, die meinem Schwiegervater einen toten Hahn an den Kopf schleudert … Ein brutaler Aufseher, der seine Pflichten vernachlässigt und anstelle dessen unsere jüngste Bedienstete vergewaltigt? Und was kommt als Nächstes?!»

      Edward schüttelte unwillig den Kopf.

      «Vielleicht hat Larcy