Der Sklavenaufstand in Pigeon Town, gut einen halben Tagesritt südwestlich von Redfield Hall entfernt, war nicht so harmlos verlaufen, wie Edward Blake und seine Verbündeten zunächst angenommen hatten. Ein paar verrückte schwarze Baptistenprediger, aber auch einige ihrer weißen Kollegen hatten bereits vor Wochen unter der schwarzen Bevölkerung das Gerücht verbreitet, die Sklaverei sei im Königreich von Großbritannien und seinen Kolonien längst verboten worden. Ferner hieß es, dass die weißen Pflanzer auf Jamaika den in London beschlossenen Abolition Act, der die Freiheit der Sklaven für alle Zeiten garantierte, mit Wissen des Gouverneurs in Spanish Town unterschlagen hätten und so die Gesetzgebung des britischen Parlaments und damit des Königs ignorierten. Daraufhin hatten rebellische Sklaven zahlreiche Pflanzungen in Brand gesteckt und weiße Aufseher angegriffen. Diejenigen, die halbwegs friedlich geblieben waren, hatten unerlaubt ihre Arbeit niedergelegt und sich in ihren Hütten verschanzt.
Noch am selben Tag war Edwards Vater nach Kingston gereist, um sich als offizieller Vertreter des Parish St. Mary und St. Thomas-in-the-Vale in Fort Charles mit dem Gouverneur und seinen Truppen über die weitere Vorgehensweise zu beraten. Edward hatte sich unterdessen an die Spitze einer kurzerhand zusammengestellten Heimat-Miliz gestellt und mit einer Truppe von aufgebrachten Pflanzern und Aufsehern die Jagd nach den Schuldigen begonnen. Mit fünfzig Mann und ebenso vielen Bluthunden hatten sie das Sklavendorf Pigeon Town jenseits des Magno Rivers gestürmt und alle unwilligen Arbeiter aus ihren Hütten getrieben. Danach hatten sie mit den Bluthunden die Umgebung durchkämmt und die eigentlichen Aufrührer jenseits der abgebrannten Felder aufgespürt.
Im unruhigen Schein der Fackeln betrachtete Edward nun die blutüberströmten Leiber der erhängten Aufrührer, die leblos an den dicken Ästen der Bäume baumelten. Ihr grausamer Tod sollte den Sklaven eine Warnung sein, damit der Aufstand nicht unvermittelt Zuwachs bekam. Zu diesem Zweck hatte man sie vor den Augen ihrer schwarzen Brüder und Schwestern fast zu Tode gepeitscht und am Ende gehängt.
Es waren nur zwei, aber auch das erschien Edward schon teuer genug, um ein Exempel zu statuieren, denn immerhin kostete ein einzelner, junger Sklave gut und gerne 140 Pfund. Nach dem offiziellen Verbot des Sklavenhandels im britischen Empire im Jahr 1807 erzielten sie auf dem Sklavenmarkt von Kingston mitunter sogar Preise von bis zu 250 Pfund pro Stück, denn es war schwieriger geworden, so gute Ware von außerhalb der Insel zu bekommen.
«Von denen wird keiner mehr die Hand gegen seinen weißen Herrn erheben», brummte einer der Aufseher von Rosenhall, der Edward mit seinen Männern zu Hilfe geeilt war. «Geschweige denn eine Faust oder eine Machete.»
Robert Gunn, ein Pflanzer aus dem Parish St. Thomas-in-the-Vale, und zehn seiner Männer hatten ganz nebenbei noch eine weitere interessante Entdeckung gemacht: drei junge, kräftige Neger, die bereits vor einigen Tagen in St. James geflüchtet waren.
«Wir haben sie unten am Rio Pedro aufgespürt», erklärte Robert, nachdem er von seinem Rappen abgesessen war. Aus seiner Westentasche zückte er einen abgegriffenen Zettel. «Ich hatte zufällig noch den Steckbrief in der Tasche. Schau hier, Edward!» Triumphierend hielt er ihm das Papier unter die Nase und deutete auf die drei am Boden kauernden Schwarzen. «Die Beschreibung passt genau. Sie gehören Richard Linton, dem Besitzer von Linton Hall.»
Edward machte ein nachdenkliches Gesicht und umrundete die drei zitternden Gestalten mit dem lauernden Blick eines Raubvogels.
«Aber das ist noch nicht alles», fuhr Robert emsig fort und vergewisserte sich mit einem raschen Rundumblick der Zustimmung seiner Leute. «Sie waren offenbar nicht allein. Sie wurden von Ortskundigen geführt. Es waren zwei, aber leider sind sie uns entwischt. Offenbar kannten sie sich sehr gut im Gelände aus.»
«Habt ihr die drei Flüchtlinge schon befragt, um wen es sich dabei handelt?» Edward zog eine Braue hoch.
«Keine Chance», brummte Robert. «Wir haben ihnen ordentlich mit der Peitsche eingeheizt, aber keiner wollte das Maul aufmachen. Na, wenigstens wissen wir, wem sie gehören. Richard wird ihnen sicher zeigen, was es heißt, seinem Herrn davonzulaufen.»
«Wir können sie nicht einfach zu ihrem Besitzer zurückschicken», erklärte Edward mit einem Stirnrunzeln. «Selbst wenn die Lintons nicht glücklich darüber sein werden, drei so stattliche Burschen zu verlieren, ist das ein Fall für den Gouverneur und seinen obersten Richter. Die drei Flüchtlinge müssen zwingend einer richterlichen Vernehmung zugeführt werden, die nötigenfalls unter Anwendung der Folter herausfindet, bei wem diese Burschen Unterstützung gefunden haben. Was ist, wenn zum Beispiel die Flamme von Jamaika dahintersteckt?»
Zur Unterstreichung seiner Worte fügte Edward die eigentlich unnötige Erklärung hinzu: «Die Spatzen pfeifen es von den Dächern, dass sich unter diesem Namen eine neue Widerstandsbewegung formiert hat, die sich in der Tradition der früheren Maroon-Rebellen sieht und entlaufenen Sklaven zur Flucht verhilft. Versteh doch, Robert, irgendwo da draußen sitzt jemand, der unsere verdammten Sklaven zur Flucht anstiftet, indem er ihnen ein sicheres Versteck garantiert. Das können wir ebenso wenig durchgehen lassen wie einen Aufstand. Ist dir das klar?»
Robert nickte betreten.
«Ich übernehme das», verkündete Edward kurzerhand. «Ich nehme die drei mit nach Redfield Hall, und Trevor kann sie dann mit seinen Leuten nach Spanish Town zum Gouverneur bringen. Ich bin sicher, dass man sie dort einsperren und ihnen anschließend am Obersten Gerichtshof den Prozess machen wird. Wegen Flucht und Aufwiegelei.»
«Aufwiegelei?» Robert Gunn schaute ihn begriffsstutzig an. «Wieso das?»
«Weil du sie im Zusammenhang mit der Niederschlagung eines Aufstandes gefangen hast. Man wird sie hängen, nachdem das Gericht das zu erwartende Todesurteil gesprochen hat», erklärte Edward mit einem Schulterzucken. «Und das wiederum wird solche Vergeltungsschläge, wie wir sie heute unternommen haben, für die Zukunft eindeutig legitimieren.»
Angesichts der Brisanz dieses Falles war Edward froh, die Dinge selbst in die Hand genommen zu haben. Dass sie die übrigen Sklaven gleich vor Ort gehängt hatten, grenzte an Selbstjustiz. Wenn sie die drei Aufständischen dem Gericht zuführten, würden sie nach außen den Weg der Gerechtigkeit einhalten. Wenn das Gericht dann zu dem gleichen Schluss kam, dass Aufständische gehängt werden mussten, würde niemand mehr ihr vorschnelles Handeln hinterfragen.
Mit einem Pfiff rief er einen der weißen Aufseher heran, die eine Fackel trugen, und machte ihn mit einem Nicken auf ein paar ärmliche Hütten aufmerksam. «Leuchte mir mal, Alister, ich will sehen, ob wir da drin nicht ein bisschen Spaß haben können, bevor es wieder nach Hause geht.»
Der Mann setzte sein schmutzigstes Grinsen auf und verschwand mit der Fackel in einer der armseligen Behausungen. Edward folgte ihm und fand im Innern eine Gruppe von jungen, verängstigten Frauen, die sich für das, was sie mit ihnen vorhatten, hervorragend eigneten.
Als Edward längst fertig war, mühte sich der Aufseher immer noch ab, in eines der Mädchen einzudringen.
«Wenn dein Schwanz die Aufregung nicht verträgt», riet Edward ihm, «musst du ihn ordentlich mit Spucke einseifen. Ich würde dir aber nicht raten, ihn dafür dem Weib in den Mund zu stecken», er lachte höhnisch, «man weiß nie, ob die Biester bissig sind.»
Das Mädchen stieß einen erstickten Schrei aus, als der Aufseher noch eine Spur brutaler zu