Ein Traum von Freiheit. Thomas Flanagan. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Thomas Flanagan
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788711480380
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Rolle? Ich habe ihnen klargemacht, daß wir überall in Irland landen können, und die dortige Bevölkerung wird aufspringen, mit vor Liebe zur Freiheit glühenden Gesichtern.«

      »Gott gebe, daß MacCracken noch Verwendung für unsere Hilfe hat«, sagte Teeling. »Jetzt kann schon alles vorbei sein, so oder so.«

      Tone zog eine Taschenkarte hervor, so groß wie seine beiden ausgebreiteten Hände und vom vielen Zusammenfalten arg mitgenommen. »Es wird gefährlich, wenn wir irgendwo vor der Küste von Cork der englischen Flotte entgehen müssen, wir müssen dort in einem weiten Bogen segeln, was uns ein oder zwei Tage kosten wird. Dann halten wir bei Galway aufs Land zu, gehen hier in Mayo in die Kurve und segeln an Mayo und Sligo vorbei, bis wir im Norden wieder auf Loch Swilly zuhalten. Heute abend war ein Schiffskapitän da, der mit nautischen Fachbegriffen um sich warf, die ich nicht verstehen konnte, aber er hat so ungefähr dasselbe gesagt.«

      »Das war aber eine kühne Behauptung«, meinte Teeling, »daß die Leute sich erheben, egal, wo in Irland wir landen.«

      »Nun ja«, antwortete Tone. »Vielleicht nicht überall. Nicht in Galway oder Mayo, wo die Eingeborenen rohen Fisch essen und Dennis Browne und Dick Martin anbeten.«

      Lewines schüttelte den Kopf, ein dunkler, runder Mann. »Vielleicht hast du ihnen zu viel versprochen.«

      »Wenn ich ihnen weniger versprochen hätte, hätten sie uns nicht einmal einen Wachtposten in einem Ruderboot gegeben. Ich kenne diese Froschfresser inzwischen. Ihre Vorstellung von Sport ist eine kleine Wette, nachdem das Rennen schon gewonnen ist.« Er nahm dem Kellner die neue Flasche ab. »Colonel Teeling, würdet Ihr diesen Mann bezahlen, auf Aufforderung des Kämmerers der Irischen Republik. Was hältst du von dieser Idee, Bartholomew? Soll ich Kämmerer werden? Kannst du dich selber als ersten Lord der Irischen Admiralität sehen?«

      Teeling zog seine Börse hervor. »Du hast ein Wunder zustande gebracht«, sagte er und zählte die Silbermünzen auf den Tisch. »Und wir können es vielleicht verwirklichen. Zu Hause kämpfen jetzt Männer, ohne etwas anderes in Händen zu halten als Piken. Ich würde alles riskieren, um ihnen zu helfen.«

      Tone goß Wein in ihre Gläser und sagte, ohne aufzublicken: »Aber irgend etwas macht dir Sorgen, nicht wahr? Du bist zu pessimistisch. Ihr Leute aus dem Norden seid alle so. Auch MacCracken.«

      »Tausend und fünftausend segeln jetzt, und neuntausend werden folgen. Insgesamt fünfzehntausend. Aber sie schicken eine große Armee nach Ägypten, und sie müssen einen halben Erdteil verteidigen, viele Grenzen.«

      »Aber du kannst dich darauf verlassen, Bartholomew.« Er hob zwei der Gläser und reichte sie Lewines und Teeling. »In wenigen Tagen werdet ihr an Deck stehen. Es ist eine seltene und herausfordernde Erfahrung.«

      »Ist das Direktorat einer Meinung in dieser Frage?«

      »Weiß ich nicht«, antwortete Tone, »um dir die glatte Wahrheit zu sagen. Aber das spielt keine Rolle. Carrot hat mit mir gesprochen, und Carrot hat da keine Zweifel. Es ist entschieden, hat er gesagt. Das reicht mir.«

      »Sicher hat der Mann recht«, sagte Lewines aufgeregt. »Wenn nur fünftausend Männer landen, dann sind das viel mehr, als wir jetzt haben.«

      »Und Waffen für zwanzigtausend«, fügte Tone hinzu. »Und keine Piken. Gewehre und Pistolen.«

      Teeling lächelte. Das Lächeln verwandelte sein ernstes, blasses Gesicht. »Ihr habt wirklich recht«, sagte er. »Ich bitte um Entschuldigung. Und ich trinke auf dein Wohl. Es war ein langer, harter Kampf. Kein anderer hätte das geschafft.«

      »Ich danke für diesen Trinkspruch«, erwiderte Tone, und sie tranken. »Aber ich möchte einen angemesseneren vorschlagen. Auf die Irische Republik!« Er füllte ihre Gläser.

      Teeling betrachtete die Karte, die im Schatten lag, wenn ihre Gläser sich berührten. Irland breitete sich von seiner Mitte her aus, die Städte von Leinster, die scharfen Einschnitte an der Küstenlinie von Munster. Mayo war fast leer: wenige Städte, verteilt auf einer weiten weißen Fläche.

      4

      Aus: Ein unparteiischer Bericht über die Ereignisse zu Killala im Sommer 1798 von Arthur Vincent Broome, M.A., (Oxford).

      Nichts erscheint dem liberalen und aufgeklärten Geist entsetzlicher als die primitive Gewalttätigkeit, die bisweilen aus gesellschaftlichen und konfessionellen Widersprüchen entspringen kann. Und doch wurde es mein tristes Los, solche Gewalttätigkeiten mit ansehen zu müssen, als der Juli in den August überging und als sich das Land zu der durchscheinenden Schönheit des Spätsommers sammelte. Es ist in dieser Jahreszeit, daß das große Rad der Arbeit des Landmannes bewegungslos verharrt, ehe es sich zu Geschäftigkeit und Mühsal der Ernte weiterdreht. Die heidnischen Freudenfeuer des vergangenen Monats hatten die Geisterwelt angerufen, die einst dieses Land beherrscht hatte und die niemals gänzlich verschwunden war. Und Mr. Hussey in seiner Kapelle und ich in meiner Kirche hatten mit weitaus größerer Schicklichkeit den Segen des Schöpfers auf die reifende Ernte herabgerufen und Ihm gedankt, weil Er unserem schwer beladenen Volk das Geschenk überreichen Wachstums gemacht hatte.

      Aber ach, auch andere Ernten reiften unter der Sonne heran. Noch während des Festes der mittsommerlichen Johannisnacht, als die Freudenfeuer loderten und junge Männer und Frauen vor den Flammen tanzten, unternahmen die selbsternannten Whiteboys von Killala einen weiteren Überfall, diesmal auf den Besitz von Mr. Saunders. Und in den Juliwochen folgten darauf weitere nächtliche Ausschreitungen, die schließlich, wie das in diesen Fällen immer geschieht, auch zum Vergießen von Menschenblut führten.

      Wenn ich mir überlege, daß es in einer Festnacht geschah, dann bin ich sicher, daß die Männer, die Saunders’ Gut überfielen, sinnlos betrunken waren, ein Umstand, der kommentiert werden muß, auch wenn das eine Abschweifung bedeutet. In den meisten Ländern, wobei ich England nicht einmal ausschließen will, sind starke Getränke die Ursache von großem gesellschaftlichen und privatem Unglück, während dieses Übel in Irland jegliche Vorstellung überschreitet, und das behaupte ich nicht nur aufgrund eigener Beobachtung, sondern auch der aller Besucher. Die Bauern halten sich an den Whiskey, um ihre Sorgen zu erleichtern und um sich auf ihren häufigen Festen und Märkten zu berauschen. Die Bettler geben dafür die zusammengeschnorrten Pennies aus. Wer nach Einbruch der Dunkelheit durch irgendeine große Stadt geht, wird entsetzt sein über den Anblick und den Lärm herumbrüllender und torkelnder Männer. Männer und auch Frauen liegen bewußtlos in Türen und Durchgängen. Die Trunksucht beschränkt sich nicht auf die Armen, denn die Junker (wenn ungebildete Tölpel so genannt werden dürfen) benehmen sich noch tadelnswerter, und sei es nur, weil sie einen besseren Zugang zu alkoholischen Getränken haben. Ein Bericht über einen Ball oder eine Jagd oder sogar eine Gerichtsverhandlung, die diesen Mangel an Nüchternheit unerwähnt ließe, würde unwahrscheinlich klingen. Starke Getränke, die zuerst für eine gehobene Stimmung sorgen und dann für Streitsucht, schließlich für Tränenseligkeit und zuletzt für restlose Betäubung, sind die konstanten Begleiterinnen aller Gelegenheiten, wie unpassend diese auch sein mögen. Ich bin selber nun wirklich alles andere als ein geifernder Puritaner, und Wein bei der Mahlzeit, spätabends ein Schnaps, heißer Punsch, um die winterliche Kälte zu mildern, sind mir eine Freude. Bei den Iren liegen die Dinge ganz anders. Die bloße Atmosphäre dieser wasserreichen Insel, ihre regenschweren Wolken und triefenden Äste, Seen und Sumpfboden werden drainiert, destilliert und konsumiert.

      Gegen Ende Juli geschah etwas Entsetzliches, von viel schlimmerer Art als alle Überfälle auf fremdes Eigentum, die sich bisher zugetragen hatten. Sam Pryor, ein Verwalter, wurde aus seiner Hütte in ein benachbartes Moor geschleppt und dort von einer Gruppe maskierter Männer aufs grausamste mißhandelt. Sie schnitten ihm mit einem Schermesser die Ohren vom Kopf und begruben ihn dann bis an den Hals in einer Grube, die sie zur Hälfte mit Dornen gefüllt hatten. Dort steckte er für den Rest der Nacht und bis weit in den nächsten Tag hinein, ehe sein Geschrei die Aufmerksamkeit einiger Samariter erregte.

      Natürlich besuchte ich diesen unglückseligen Mann, als er entstellt und in Verbände gewickelt in seiner Hütte saß, die kaum besser ist als die