Ein Traum von Freiheit. Thomas Flanagan. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Thomas Flanagan
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788711480380
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seine Ernte angesteckt und sein bißchen Vieh geschlachtet. Ein solches Ereignis hätte einen Monat früher das ganze Land in Bestürzung versetzt, war aber jetzt fast schon erwartet worden, und die Leute sprachen darüber wie über eine unvermeidliche Bagatelle.

      Ein Ereignis, das wir gesehen haben, beeinflußt unsere Phantasie am stärksten, und ich glaube, daß der Anblick der Gefangenen, der klagenden Frauen, der quietschenden Karren, der auf das Kreuz gepreßten Lippen mehr aussagte als ein Bericht über ein verbranntes Strohdach. Ich glaubte damals, wie mir meine Vernunft nahelegte, daß von den sieben festgenommenen Männern einige höchstwahrscheinlich Whiteboys waren und die anderen wahrscheinlich nicht. Und für die Bauern der Baronie muß der Anblick von unschuldig verhafteten Männern ganz besonders entsetzlich und zornerregend gewesen sein, ein Zeugnis ihrer absoluten Abhängigkeit von Willen und Launen ihrer Herren. In der Folgezeit, als ich einige Bauern besser kennengelernt hatte, erzählten sie mir immer wieder von diesem Ereignis, als ob unsere Sorgen damit begonnen hätten.

      Diese Gesellschaft hier ist höchst sentimental und unbeständig, wie fast alle Reisenden berichtet haben. Die Bindungen von Freundschaft und familiärer Zuneigung sind stark. Gefühle werden leicht verletzt. Ein Mann mag in seiner Gemeinde übel angesehen sein, aber hängt ihn, oder werft ihn auch nur ins Gefängnis, und er wird zum beliebten Helden, Subjekt tränenreicher oder wütender Schenkenlieder. Und wenn es ein Mann ist wie Gerald O’Donnell, der geliebt und geachtet wird, dann nimmt dieser Zorn wütende Formen an. Vielleicht fingen unsere Sorgen wirklich in dem Moment an, als die Karren nach Ballina zum Gefängnis rumpelten. Aber das können wir nicht wissen. Das erste Glied in der Kette der menschlichen Leidenschaften ist oft unauffindbar, verloren in den wirbelnden Nebeln der Emotionen.

      5

      The Acres, Killala, 5. August

      »Du hast mich in meiner eigenen Pfarre in Schande gebracht«, sagte Judy Conlon.

      »Nun, Judy«, erwiderte MacCarthy, »ich glaube, daran waren wir beide beteiligt.«

      Er lehnte am Türpfosten und schaute über die Bucht.

      »Niemand hat jemals ein böses Wort über mich gesagt, als mein Mann noch lebte und mich beschützen und loben konnte.«

      »Kein Mann könnte in dein Bett steigen, ohne sich zu erheben und deine Schönheit und deine Talente zu loben. Ich habe dich oft in meinem Herzen und in meinen Gedichten gelobt.«

      »Damals war ich eine verheiratete Frau, und jetzt könnte ich auch verheiratet sein.«

      »Ach, Judy, ein Schulmeister hat ein riskantes, unsicheres Leben, vor allem, wenn er auch noch Dichter ist.«

      Sie stand im Hemd hinter ihm, ihre dunklen Haare fielen über ihre Schultern.

      »Du bist angeblich ein guter Dichter, Owen ...«

      »Das ist die Wahrheit, bei Gott, das ist sie.«

      »Aber du bist auch ein guter Schulmeister, und Killala wird immer eine Schule brauchen.«

      »Aber mich nicht, Judy. Ich gehe weg. Ich habe keine Nerven für das, was hier passiert und was noch passieren wird.«

      »Und alles bloß, weil sie Sam Pryor die Ohren abgeschnitten haben? Er sieht doch jetzt viel hübscher aus, dieser miese Mistkerl.«

      MacCarthy lachte. »Du wirst auch eines Tages mit den Schafscheren auf mich losgehen, du wildes Frauenzimmer. Und ich bete zu Gott, daß du dich mit meinen Ohren zufrieden gibst. Nein, in Killala wird es noch mehr Ärger geben, und bei solchen Gelegenheiten kommen Dichter oft zu Schaden. Ich schwöre bei Gott, ohne Mr. Falkiner und diesen kleinen protestantischen Pastor wäre ich heute nacht auch im Gefängnis von Ballina. Cooper hat sich alle Mühe gegeben.«

      »Cooper sollte sich lieber vorsehen«, sagte sie. »Ich hab da so allerlei gehört. Cooper und dieser erbärmliche Paudge Nally bringen Männer mit Meineiden um die Freiheit.«

      »Mein Gott, Judy, was hilft das denn dem armen Gerry O’Donnell, der gegen keinen Menschen jemals seine Hand erhoben hat, außer damals, als Pryor mit dem Steuereintreiber zwei von Ferdies Kühen holen wollte? Ich weiß zwar nicht mehr, wer ein Whiteboy ist und wer nicht, aber ich weiß, daß Ferdy keiner ist, und das würde ich auch beschwören.«

      »Manche meinen, ein Schulmeister sollte zu seinen Leuten halten, wie Schulmeister an anderen Orten das getan haben.«

      »Du hörst wirklich wundervolles Gerede.«

      »Eine Frau erfährt wirklich wenig genug, wenn sie nicht zuhört, was die Leute sagen.«

      »Dann sollte sie auch nicht über diese Dinge reden. Ich schwöre bei Gott, ich bin heute morgen nicht aufgestanden, um mir von einem kleinen Mädchen Vorträge halten und Sorgen machen zu lassen.«

      »Aber du gehst doch nicht wirklich, Owen? Du hast das doch bloß gesagt, weil du böse auf mich warst, nicht wahr?«

      »Nein, Judy«, sagte er und wandte sich von der Bucht ab, um ihr ins Gesicht zu sehen. »Ich habe es so gemeint. Es wäre der schiere Wahnsinn für einen Mann wie mich, hierzubleiben. Beim nächsten Mal würde ich weniger Glück haben. Willst du mich denn in einem Karren sehen, zusammengeschnürt wie ein Truthahn? Und keinen anderen Trost als den verrückten Murphy, der mit seinem Kreuz vor mir herumfuchtelt?«

      »O Gott, Owen, was soll ich denn ohne dich machen?«

      »Ich würde dich niemals mit leerer Tasche zurücklassen. Mr. Treacy bezahlt mich dafür, daß ich meine Gedichte für ihn auf feines Pergament schreibe, damit sie mit den Gedichten von O’Rahilly und O’Sullivan gesammelt werden können. Und das ist ja auch nur richtig so.« Das stimmte nicht: Er hatte niemals ein Gedicht geschrieben, das es mit einem von O’Rahilly aufnehmen konnte.

      »Was wird dir denn deine Dichtung nützen, wenn du ein alter Mann bist und niemand sich um dich kümmert?«

      »Wenn ich in dieser Baronie bleibe, werde ich vielleicht niemals ein alter Mann. Gott, wenn ich daran denke, wie ich in diesem Land herumgejagt worden bin, ein harmloses, friedliches Geschöpf. Es gibt Vagabunden und kräftige Bettler, die ein ruhigeres Leben führen.«

      Sie stellte sich auf die Zehen und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Du wirst tun, was du für das Beste hältst.«

      »Ich weiß wirklich nicht, was das Beste für mich oder für sonst jemanden ist. Manchmal sehe ich mir die armen Kinder an, deren Eltern mich dafür bezahlen, daß ich ihnen Wissen eintrichtere, und frage mich, was das alles soll.«

      »Aber die Jungen müssen doch etwas lernen. Du arbeitest genauso ehrlich wie irgendein Schneider.«

      »Sie müssen wenig lernen, um in einem Karren nach Ballina fahren zu können.«

      »So ist es eben«, sagte sie.

      »Die Gälische Armee hat sich in Wexford erhoben, und Schiffe mit hohen Masten sind von Frankreich in mein Munster unterwegs. Und in Mayo kämpfen die Männer um Kühe und halbe Hektare von kargem Land, die nicht einmal eine Ziege ernähren könnten. Das hier ist ein trister und gemeiner Ort.«

      »Ich habe diese anderen Orte, wo du gewesen bist, nie gesehen. Könntest du dir nicht überlegen, ob du mich mitnehmen willst?«

      Er schüttelte den Kopf. »Ich bekomme von Mr. Treacy fünf Guineas für die Gedichte, und ich werde dir drei davon hierlassen. Zwei sind mehr, als ich brauchen werde.«

      »Ist es, weil ich keine passende Frau für einen Schulmeister wäre?«

      »Nein«, sagte er. »Es ist, weil ich kein Mann zum Heiraten bin, Liebchen. Und das weißt du genau.«

      »Das weiß ich«, sagte sie und trat zurück, weg von ihm.

      Wieder blickte er auf die düstere, weit entfernte Bucht. Er hatte keine gutherzigere Frau gekannt, keine liebere, freigebigere. Aber sonst hielt ihn nur wenig in Mayo. Er hatte hier nur wenige enge Freunde, denn Frauen waren niemals Freunde. Im Zentrum ihres Wesens