Ein Traum von Freiheit. Thomas Flanagan. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Thomas Flanagan
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788711480380
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von Tyrawley, und einer, Bob Tompkins, war ihr Sergeant.

      Es machte mir große Sorgen, daß sie die Verantwortlichen für diese Schandtat nicht als »Whiteboys«, sondern als »Papisten« bezeichneten. Ich argumentierte mit aller mir zur Verfügung stehenden Vehemenz, daß von den vielen tausend Papisten der Baronie wahrscheinlich höchstens fünfzig Whiteboys waren, aber meine Argumente stießen auf taube Ohren. Diese Männer, die ernst und grämlich dasaßen und mit ihren Händen ihre Knie umklammerten, sahen sich von gewalttätigen und abergläubischen Feinden umzingelt, und sie waren überrascht und empört, als ich ihre zornigen Befürchtungen nicht teilte.

      Die Geschichte, die die Grundlage ihrer Gedanken bildet, ist eine Serie von grausigen Szenen, im Stil der Holzschnittillustrationen in Foxes Buch der Märtyrer – die Protestanten von Ulster 1641 nackt auf die Straßen gejagt, Mönche und Brüder, die in ihren Predigten zum Massaker an den Ketzern aufrufen, trunkene papistische Horden mit affenhaften Gesichtern. Und sie haben auch ihre Heiligengeschichte – tapfere englische Siedler, die ihr Heim verteidigen, die Lehrlinge von Londonderry, die die Stadttore vor den belagernden Jakobitern verriegeln, William, der protestantische Sieger an der Boyne auf seinem weißen Schlachtroß, und vor allem Cromwell, zornig und unversöhnlich in seiner schwarzen Rüstung, der durch das Land marschiert und bei jedem Schritt seiner Eisenstiefel Rebellion und Papsttum zertritt. Meinen englischen Lesern wird es lächerlich und pathetisch vorkommen, daß solche Buhmänner die Ängste der Männer beeinflussen, die sich in einer Hütte versammelt haben, um einen geschundenen Freund zu trösten, wobei König William und König James wie Geister in der drückenden Luft schweben.

      Ich fühle mich hier versucht, wie auch in anderen Teilen meines Berichtes, meinen Lesern ihre genauen Worte, oder zumindest so viel davon, wie ich noch weiß, wiederzugeben. Dennoch behindert mich mein Mangel an selbst den einfachsten Grundlagen der Schriftstellerkunst. Diese Menschen, Protestanten wie auch englischsprechende Papisten, verständigen sich in dem, was wir in England »Brogue« nennen, einer Sprachform, die nicht unmusikalisch ist, aber höchst verschroben und natürlich ausländisch. Und es vergrößert die Schrekken des irischen Lebens nur noch, daß die beiden Gemeinden einander mit identischem Akzent anreden, daß sie einander in einer gemeinsamen Sprache verfluchen und beleidigen. Mein guter Freund Mr. Falkiner hat mir versichert, daß meinem Ohr das notwendige Training von Kindheit an fehlt und daß kein Ire protestantische und papistische Rede verwechseln würde. Das mag wohl so sein.

      »Das ist der Anfang«, sagte Jack Stanner. »Gott gebe, daß wir das Ende noch erleben.«

      »Für mich ist es ein Wunder, daß ich diesen Tag noch erlebe«, erwiderte der arme Pryor. »Und daß ich nicht im Moor in meinem eigenen Blut erstickt bin.« Tompkins hatte ihm zu seinem Trost einen Krug Whiskey gebracht, zu dem er nun ab und zu sparsam seine Zuflucht nahm. »Ich lag da und brüllte wie ein verletztes Lamm, und ich wäre umgekommen, wenn MacMahon nicht zufällig vorbeigekommen wäre.«

      »Ist MacMahon kein Papist?« fragte ich.

      »Ist er«, antwortete Pryor. »Ein anständiger armer Hirte. Wenn alle so anständig wären wie MacMahon, dann würde es uns allen gut gehen.«

      »Es gibt natürlich auch anständige«, sagte Tompkins. »Einige von ihnen sind schon seit zwei, drei Jahren in meinem Laden in der Kreide, und sie bringen mir ab und zu einen Schilling, wenn sie einen auftreiben können. Die ärmsten sind die anständigsten, die Hirten und die Landarbeiter mit ihren Spaten.«

      »Um so anständiger von ihnen«, sagte Pryor, »wenn Hussey ihnen in der Kapelle erzählt, daß sie bei Ketzern nicht ihr Wort zu halten brauchen.«

      Ich kannte Mr. Hussey als einen Mann von tadelloser Moral und ergebener Loyalität der Krone gegenüber. Über Murphy, seinen hassenswerten Kaplan konnte ich nicht dasselbe sagen, und im Verlauf der folgenden Ereignisse bestätigte er unseren Argwohn dann auch aufs Gröbste. Er war in der Tat ein Erzrebell, dem es nach dem Triumph seines Glaubens gelüstete und dem ein Menschenleben gleichgültig war. Und doch hatten die Männer in Sam Pryors Hütte keinen Blick für die tiefgreifenden Unterschiede zwischen beiden Männern. Ihr Haß auf ihre papistischen Landsleute war umfassend und wechselhaft zugleich. Owen MacCarthy, der Schulmeister, war ein Objekt ihrer besonderen Verwünschungen, denn an vielen Orten haben die Schulmeister als die Ziehväter der Zwietracht fungiert, und MacCarthy war ein unvorsichtiger Mann, zänkisch und prahlerisch, wenn er betrunken war. Sie haßten die papistischen Grundbesitzer – Bellew, Blake, Treacy, Moore, Nugent, MacDonnell, Burke. Es ärgerte sie, daß diese Handvoll Männer wohlhabender war als sie selber und sich als Gentlemen aufspielten. Tompkins und einige andere sprachen nostalgisch über die Tage ihrer Großeltern, als Cromwells harter Stiefel die Nacken der Papisten zu Boden gepreßt hatte. Und es war durchaus nicht unwichtig, daß die Whiteboys sie alle verschont hatten, obwohl etliche von ihnen als Pachtwucherer berüchtigt waren.

      »Wenn sie sich über die Pacht ärgern«, sagte George Standish, »warum kümmern sie sich nicht um William Burke in Crossmolina, den miesesten Bastard in diesem Teil von Mayo, seit Mick Mahoney gestorben ist? Nein, nein. Es ist so klar sichtbar wie diese Hand hier vor meinem Gesicht. Einem Mann, der der Bruder eines Priesters ist, würden sie kein Haar krümmen.«

      »Es ist der Anfang«, wiederholte Jack Stanner.

      »So hat es auch in Wexford angefangen, und schaut euch an, wie es geendet ist«, sagte Sam Pryor. Gastfreundlich teilte er seinen Whiskey mit uns anderen, und ich hielt es für angebracht, ein Glas anzunehmen. Es war ein elender Fusel, aus irgendeiner Bergbrennerei, und brannte in meiner Kehle wie Feuer.

      Als ich wieder sprechen konnte, sagte ich: »Sicher nicht. In Wexford haben die United Irishmen rebelliert. Hier bei uns sind es bloß Whiteboys, elende, unwissende Bauern.«

      »Ach, Mr. Broome«, erwiderte Stanner. »Ihr kennt sie nicht. In ganz Irland gibt es keinen Priester, der nicht in Frankreich ausgebildet worden ist, und Leute wie William Burke haben in König Louis’ Armee gedient, um die armen französischen Protestanten zu hetzen und zu massakrieren.«

      Pryor entfernte seinen Verband und entblößte einen entsetzlichen Blutklumpen an der Stelle, wo einst sein Ohr gewesen war. »Da seht Ihr, Mr. Broome, noch ein Tropfen für die Flüsse von christlichem Blut, das seit Elizabeths Tagen auf dieser Insel vergossen worden ist. Und trotzdem müssen die loyalen Männer von Tyrawley weiter auf ihren Hintern sitzen bleiben.«

      Ich ignorierte diesen unschicklichen Ausdruck, wie der Leser, das hoffe ich zumindest, meine Wiederholungen ignorieren wird, und versicherte ihm und den anderen, daß die Gerichte meines Wissens mit äußerster Entschiedenheit ihre Untersuchungen durchführten, und ich erinnerte sie daran, daß ihre eigene Miliz bereitstand, um die Beschlüsse der Gerichtsbarkeit in die Tat umzusetzen.

      »Ah«, sagte Stanner. »Das wird sich zeigen.«

      »An der Miliz gibt es nichts auszusetzen«, meine Pryor, »außer daß wir einen Captain mit einer papistischen Frau und papistischen Freunden wie Randall MacDonnell haben.«

      »Nun, Sir! Nun, Sir!« sagte ich scharf. »Auf dieser Insel gibt es keinen eifrigeren Offizier als Captain Cooper. Wenn überhaupt, dann ist er eher zu eifrig. Was soll er denn tun?«

      »Was er tun soll?« fragte Pryor und berührte abermals seinen blutigen Schädel. »Jeder Protestant sollte wissen, was jetzt zu tun ist.«

      »Vorsichtig jetzt«, sagte Sergeant Tompkins und warf mir einen Blick zu, dessen Bedeutung ich damals nicht begriff. »Ich verwette mein Wort für Captain Cooper. Mr. Broome beurteilt ihn ganz richtig. Captain Cooper wird tun, was richtig ist.«

      Ich kann ihnen nicht nur Vorwürfe machen. Wie wenig können wir in England ihre Ängste und ihre Loyalitäten verstehen! Und doch verlassen wir uns seit Jahrhunderten auf solche Männer. In jedem Moment der Krisis oder der drohenden Gewalt halten wir in England kühne und großzügige Reden über die loyalen irischen Protestanten, zu jedem anderen Zeitpunkt dagegen empfinden wir nur eine nachlässige Verachtung für sie, als eine Art von Wilden, die denen, von denen sie umgeben sind, nur wenig überlegen sind.

      Ich verließ sie mit dem Versprechen, daß meine liebe Eliza am nächsten