»Das wäre es natürlich.« Moore stellte seine Tasse auf den Tisch. »Aber in stürmischen Zeiten könnten Kühnheit und Vernunft dasselbe sein.«
»Manchmal vielleicht. Manchmal. Aber in den heutigen Zeiten ist es zum Beispiel für die katholischen Gentlemen von Mayo das Vernünftigste, ruhig sitzen zu bleiben und zu beten, daß diese Winde sich bald erschöpfen. Stimmst du mir nicht zu, Ellen?«
»Ich habe über diese Dinge noch nicht viel nachgedacht«, sagte sie. »Das müssen die Männer entscheiden. Aber wenn es darum geht, mir einen Mann auszusuchen, dann hoffe ich, du wirst dich auf meinen gesunden Menschenverstand verlassen, für den du mich so oft gelobt hast.«
»Nun ja«, sagte Treacy. »In Zukunft haben wir noch genug Zeit, um diese Fragen zu entscheiden.«
»War es vernünftig von Eurem Urgroßvater«, fragte Moore, »sich der Stuartarmee anzuschließen?«
»Das war vor hundert Jahren«, antwortete Treacy. »Die Zeiten ändern sich. Der katholische Landadel hat an der Boyne und in Antrim für seinen König, für seinen Glauben gekämpft.«
»Und für sein Land«, fügte Moore hinzu.
»Vielleicht«, meinte Treacy. »Es war eine andere Welt. Sie waren Gentlemen, John, Eure Ahnen und meine. Sie hätten die United Irishmen verachtet. Wir reden schon viel zu lange über die Angelegenheit. Gibt es noch mehr Tee, mein Kind?«
Ellen brachte ihn zu seinem Pferd, und dort blieben sie stehen. Er beugte sich zu ihr herüber, aber sie legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Nicht hier.«
»Er ist eigensinnig«, sagte Moore. »Höflich und eigensinnig.«
»Er ist besonnen«, sagte sie. »Was geht es denn dich an, wenn ein paar Männer in Dublin Ärger machen wollen?«
»Ärger machen!« wiederholte er. »Sie wollen eine Revolution, und ich habe ihren Eid geschworen.«
»Und die Hälfte von ihnen sitzt jetzt im Gefängnis, hast du mir das nicht erzählt? Wenn du das willst, dann kannst du es viel leichter haben, du brauchst bloß Schafe zu stehlen oder mit den Whiteboys Vieh abzustechen.«
Moore schlug mit der Handfläche auf seinen Sattel.
»Was hat es denn für einen Sinn, mit einer Frau über solche Dinge zu reden?«
»Gar keinen. Frauen müssen sich über wichtigere Dinge Gedanken machen. Da gehört dir nicht einmal genug Land, um ein Kalb darauf weiden zu lassen, und mein Vater würde dir Bridge-end geben. Warum sollte er sich wünschen, daß ich einen Mann heirate, der am Ende wahrscheinlich im Gefängnis landet? Mein Vater ist doch nicht dumm. Es wäre ein großes Vergnügen für die Protestanten von Mayo, einen Moore im Gefängnis von Castlebar zu sehen.«
»Dein Vater braucht sich keine Sorgen zu machen. In ganz Mayo gibt es nicht mehr als zwanzig eingeschworene Rebellen. Die Franzosen werden landen und Schlachten werden geschlagen und gewonnen werden, und Mayo wird nichts damit zu tun haben. Mayo ist die rückständigste Provinz der ganzen Christenheit.«
»Aber jetzt reitest du los, um aus Randall MacDonnell einen United Irishman zu machen, wenn du kannst. Du könntest mehr erreichen, wenn du seinem Pferd einen Vortrag hieltest.«
Moore zuckte die Schultern. »Ich habe Malcolm Elliott versprochen, mich bei einigen der katholischen Junker umzuhören. Anderswo sind gute Männer eingeschworen worden, Papisten und Protestanten.«
»Protestanten, ja? Und wieso brauchen die Protestanten eure Revolution? Die bestimmen doch ohnehin schon alles, oder?«
»Einige von ihnen. Dieses verdammte System bestimmt über uns alle, während England uns ausbluten läßt.«
»Ach«, sagte sie. »Geh und halte Randall deinen Vortrag. Ich gebe die Hoffnung für dich auf.«
»Tust du nicht«, sagte Moore. »Du liebst mich, und ich liebe dich.«
»Das zeigst du auf eine hübsche Weise.«
»Ich weiß eine bessere.«
»Bei hellichtem Tage unter dem Fenster meines Vaters. Wenn du mich besuchst, solltest du nur dieses Ziel haben und kein anderes. Du wirst mich zu Tränen und Verzweiflung treiben. Eines Tages wirst du zu irgendwem ein unbedachtes Wort sagen, und er steigt auf sein Pferd und reitet nach Westport, um Dennis Browne darüber zu informieren, und das ist dann das letzte, was wir von dir sehen. Und die ganze Zeit könntest du mich und die Aussicht auf Bridge-end haben, und keinem jungen Mann in Mayo ist je eine bessere Farm angeboten worden. Und mich gibt’s noch obendrein.«
»Glaub ja nicht, ich würde nicht freien kommen«, sagte Moore. »Nichts macht mir größeres Vergnügen.«
»Stimmt nicht« widersprach sie. »Dein größtes Vergnügen ist, mit Malcolm Elliott und Randall MacDonnell zu reden. Da hab ich mir wirklich einen seltsamen Verehrer gesucht. Viel besser würde es mir mit Tom Bellew gehen, den ich in meiner Verblendung verschmäht habe.«
Rasch faßte John sie um die Taille und küßte sie. Sie schmiegte sich an ihn.
»Mit mir wird es dir am besten gehen«, sagte er. »Und das weißt du genau.«
»Vielleicht«, antwortete sie. Sie berührte seine Lippen leicht mit ihren und trat dann einen Schritt zurück. »Das wird sich zeigen.«
Er stieg auf sein Pferd und blickte auf sie hinab. »Für eine Schönheit bist du zu groß, Miss Treacy. Ein kleines zierliches Mädchen wie Grace MacDonnell, die einem nicht mal bis an die Schultern reicht ...«
»Sie ist wirklich das Beste im ganzen MacDonnell-Wurf«, erwiderte Ellen. »Ich glaube, sie ist gar keine MacDonnell. Sie wäscht sich.«
»Du bist einen Kopf zu groß«, sagte Moore. »Und dann hast du eine scharfe Zunge.«
»Stimmt. Und daran solltest du dich besser gewöhnen.«
»Ich muß Irisch lernen«, sagte er. »Es ist eine weiche und anschmiegsame Sprache.«
Sie lachte. »Was du schon weißt. Paß auf, was du Randall MacDonnell sagst, John.«
»Mach ich. Ich werde so vernünftig sein wie ein Treacy.«
Auf einem niedrigen Hügel hinter der Hecke der Domäne machten zwei Kätner Kartoffeln aus. Ellen beobachtete sie, ihr gerader, schlanker Rücken war Bridge-end House zugekehrt. Es war ein fester Brauch, daß vor Ende Juli keine Kartoffeln ausgemacht wurden. Diese Männer hatten früh angefangen. Das lag am seltsamen Wetter. Wenn dieses Wetter sich hielt, dann würde es die reichste Ernte seit Menschengedenken sein. Aber Paddy Lacy und sein Sohn Owen hatten trotzdem nicht vor Ende Juli Kartoffeln auszumachen! Es gab für alles, was mit Saat und Ernte zu tun hatte, einen Zeitpunkt und eine Methode. Der Pflüger muß im Frühling seine Pferde von links nach rechts führen, mit der Sonne, und wenn er sie abschirrt, müssen sie nach Süden blicken. Freitag ist der Tag, um mit der Saat oder jeglicher Arbeit zu beginnen, für die kein Eisen benötigt wird, der beste Tag von allen ist der Karfreitag. Und wenn der Sämann losgeht, muß er sagen: »In Gottes Namen« und über die Kruppe jedes Pferdes eine Handvoll Torf werfen. Es gab hundert ähnliche Aberglauben, von denen die Ernten abhängig waren.
John Moore hatte von diesen Dingen keine Ahnung, und sein Bruder auch nicht, aber Mayo wußte sie, sogar die Protestanten. John und George hatten einfach keinen Sinn für die praktischen Fragen des Lebens. Man hat nur Pech auf dem Markt, wenn man nicht als erstem einem blonden Menschen begegnet, und wenn man ein Pferd kauft, muß man ihm einen Erdklumpen auf den Rücken legen. John Moore wußte das, weil sie es ihm gesagt hatte, aber er richtete sich nicht danach. Das Tier, das er ritt, konnte ihm kein Glück bringen, und eines Tages würde es ihm ein Mißgeschick