Allergien revolutionär. Magdalena Stampfer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Magdalena Stampfer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783966612531
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Verdauungsstörungen oder Infektanfälligkeit immer berücksichtigt werden.

      Wie wichtig der Darm für unser Wohlbefinden ist, hat schon Hippokrates gewusst, denn von ihm stammt das Zitat: „Alle Krankheiten haben ihren Ursprung im Darm.“ Wie Recht er damit hatte, bestätigt die heutige Forschung. Immer mehr Studien zeigen, wie wichtig der Darm und dessen Bewohner für unsere Gesundheit sind. Auch wenn man an allergischen Symptomen wie Heuschnupfen oder Ekzemen leidet, genügt es nicht, sich nur auf die triefende Nase oder die juckende Hautstelle zu konzentrieren. Wir müssen uns genau anschauen, wie es um den Darm und die darin lebenden Mikroorganismen bestellt ist. Ganz egal ob die Symptome eher auf die Atmung beschränkt sind oder sich auch im Verdauungstrakt zeigen: Bei Allergien und Unverträglichkeiten ist fast immer die Darmschleimhaut angeschlagen und durchlässig („Leaky-Gut-Syndrom“).

      Eine intakte Schicht aus nützlichen Bakterien schafft es hingegen, uns vor Toxinen zu schützen, biogene Amine (Stoffwechselprodukte, zum Beispiel Histamin) in ihre Grenzen zu weisen und Giftstoffe zu binden, damit sie ausgeschieden werden können. Sogar krebserregende Stoffe werden durch unsere Bakterienfreunde entmachtet. So wird schnell klar, wie wichtig eine gesunde Darmschleimhaut ist. Denn sobald die Darmflora gestört ist, gerät unser Verdauungs- und Immunsystem aus der Balance.

      Auf der einen Seite muss der Darm wichtige Nährstoffe in den Körper schleusen, auf der anderen Seite Gifte neutralisieren, oder zumindest davon abhalten, durch die Darmwand zu dringen. Ohne intakte Verteidigungsmauern ist unser Körper allen möglichen Eindringlingen schutzlos ausgeliefert: Toxine, Viren, Pilze, Bakterien oder Parasiten haben dann freie Bahn. Sobald die Darmflora beschädigt ist, können wir auch Nährstoffe und Vitamine nicht mehr vollständig aufnehmen. Der beste Salat, das saftigste Steak oder auch das vielversprechendste Nahrungsergänzungsmittel, die darin enthaltenen Spurenelemente, Mineralstoffe und Vitamine gehen je nach Grad der Schädigung in mehr oder weniger großem Ausmaß verloren. Nun beginnt ein Teufelskreis, denn diese Mikronährstoffe werden auch von den Darmepithelien benötigt, um eine gesunde Darmwand zu erhalten.

Leaky Gut - die durchlässige Darmwand - das kann man testen!
Die Durchlässigkeit der Darmwand kann man labortechnisch ermitteln. Dabei werden den Betroffenen unverdauliche Zuckermoleküle in verschiedenen Größen verabreicht und dann geprüft, wie viel davon sich später im Blutkreislauf beziehungsweise im Harn finden lassen. Dieser Test heißt auf Englisch Intestinal Permeability Assessment und kann auch von zu Hause aus gemacht werden, indem man dann eine Urinprobe einschickt. Man kann die Darmdurchlässigkeit auch mittels eines Bluttests messen. Da wird nicht nur untersucht, ob die Moleküle durch die Darmwand gelangen, sondern auch die transzellulären Reaktionswege getestet, die beim Allergiegeschehen eine Rolle spielen können. Eine weitere Möglichkeit ist eine Stuhluntersuchung, bei der der Zonulin-Wert ermittelt wird.

      Bei einem durchlässigen Darm gelangen Stoffe, die im Darm bleiben sollten, in die Blutbahn, was unser Immunsystem massiv stört. Manchmal beschränkt sich die Wirkung auf einzelne Körperregionen, manchmal können aber auch generalisierte Vergiftungserscheinungen oder Allergien auftreten. Die eindringenden Moleküle werden als fremd und feindlich betrachtet und der Körper versucht dann, sie zu eliminieren. So kann auch ein an sich völlig harmloser Stoff attackiert werden. Andererseits gelangen auch chemische Substanzen durch die löchrige Darmwand ins Innere des Körpers, wo sie nichts verloren haben.

      Die körpereigenen Immunzellen können sich die Strukturen kleinster, unverdauter Nahrungsbestandteile merken, die die Darmbarriere passiert haben. Dringen solche Stoffe erneut ein, werden sie sofort angegriffen. Das Abwehrsystem des Körpers ist darauf programmiert, einen Eindringling entweder zu tolerieren oder ihn zu attackieren. Dieses Schwarz-Weiß-Denken des Immunsystems wird gerade Allergikern zum Verhängnis, denn ist dem Abwehrsystem-Türsteher einmal eine Substanz unangenehm aufgefallen, gibt es vorerst keine zweite Chance. Der Stoff wird bei einer nochmaligen Begegnung sofort attackiert.

      Gemeinerweise reagiert der Türsteher bei jedem weiteren Versuch genervter auf den ungebetenen Gast und als Folge davon wird die Darmschleimhaut immer gereizter und damit durchlässiger. Es ist also zunächst einmal eine gute Idee, die auslösenden Reizstoffe eine Zeit lang zu meiden und die Darmschleimhaut zu sanieren, bevor ein neuer Versuch des Zusammentreffens erfolgen kann.

      Der durchlässige Darm – Leaky Gut

      Obwohl das Leaky-Gut-Syndrom in der Fachliteratur schon seit Jahrzehnten erörtert wird, werden uns die wahren Ausmaße dieses Problems erst nach und nach bewusst. Vielerorts wird es trotzdem noch vernachlässigt, auch wenn es mittlerweile Unmengen an Studien darüber gibt, was für Folgen ein durchlässiger Darm haben kann. Müdigkeit, unregelmäßiger Stuhlgang, Nährstoffmängel oder unreine Haut sind dabei noch die angenehmsten. Weitere Erkrankungen, die mit einer gestörten Darmbarriere in Verbindung gebracht werden sind Zöliakie, Diabetes, rheumatoide Arthritis, Schuppenflechte, Autismus, Multiple Sklerose, Krebs und eben auch Asthma und Allergien (und diese Aufzählung ist leider keineswegs vollständig) [39].

      Wie wir schon erfahren haben, können bei einer durchlässigen Darmwand Mikroorganismen, Toxine oder Eiweiße ins Körperinnere vordringen, wo sie mit aller Schärfe bekämpft werden, da sie dort nichts verloren haben. Würden sie brav im Darminneren verbleiben, wäre es kein Problem, doch das tun sie bei einem löchrigen Darm eben nicht. Man kann es sich wie bei einer aufgeschürften Hautstelle vorstellen: Gibt man ein paar Tropfen Zitronensaft oder Salz darauf, dann brennt es furchtbar. Auf der gesunden Haut machen uns diese Substanzen jedoch nichts aus.

      Der durchlässige Darm ist nur die Antwort auf Belastungen und eigentlich ein sinnvoller Mechanismus, der aber mit dem modernen Lebensstil nicht zurande kommt. Und auch in diesem Fall gibt es dafür gute Gründe. Die Evolution wird sich gedacht haben, dass es unter bestimmten Umständen schlau sein kann, Erreger aufs wildeste zu bekämpfen, damit sie so schnell wie möglich eliminiert werden können. Dazu dürfen sie sich aber nicht im Darm verstecken, sie müssen hervorgelockt werden, damit das Immunsystem an sie herankommt. Die Substanz, die das Darmgewebe dazu bringt, sich zu weiten, heißt Zonulin [40]. Es öffnet die Verbindungen zwischen den Darmzellen, die sogenannten tight junctions. Dadurch können Mikroorganismen in den Blutstrom gelangen und werden dort viel schneller eliminiert, statt im Darm weiter zu brüten. Bei bestimmten pathogenen Erregern wird also Zonulin ausgeschüttet, um diese Mikroorganismen in den Blutstrom zu schleusen. Hinter diesem Mechanismus steht also grundsätzlich eine gute Idee. Das Problem ist nur, dass wir heutzutage mit unserer Nahrung zu viele Substanzen aufnehmen, die den Zonulinspiegel ebenfalls in die Höhe treiben. Der Körper glaubt dann, dass dauernd pathogene Keime in ihn eindringen. Die Folgen sind eine Art Dauerattacke und entzündliche Prozesse, die zu unterschiedlichen gesundheitlichen Problemen führen können und eben bei Allergien und Unverträglichkeiten eine immens wichtige Rolle spielen.

      Zonulin wird natürlich nicht ohne Grund ausgeschüttet, der Körper macht das nur unter bestimmten Voraussetzungen. Einige Faktoren, die den Zonulinhahn aufdrehen können, wurden bereits identifiziert: Bestimmte pathogene Bakterien wie Salmonellen oder E.Coli, Glyphosat [41] und Gluten [42]. Gluten ist ein Eiweiß, das in vielen Getreidesorten vorkommt, wie beispielsweise Weizen, Dinkel, Kamut, Gerste und zu einem geringeren Teil auch in Roggen. Es öffnet nicht nur die Darmwand, es kann auch durch diese durchschlüpfen. Bestandteile dieses Proteins (Peptide) gelangen durch die Darmbarriere hindurch in die Blutbahn. Diese sogenannten Gliadomorphine können, wie der Name schon sagt, wie Morphin die Blut-Hirn-Schranke überwinden und bestimmte Bereiche des Gehirns blockieren. Die Frühstücksemmel bleibt dann nicht im Darm, wo sie sein sollte, sondern macht sich an unterschiedlichsten Stellen des Organismus unangenehm bemerkbar.

      Ein weiteres wichtiges Eiweiß aus der Nahrung, das die Darmwand überwinden kann, ist Casein. Casein ist ein Milchprotein und findet sich in Kuh-, Ziegen-, Schafmilch, aber auch in verarbeiteten Milchprodukten (am wenigsten in Butter, weil da der Fettgehalt so hoch ist, dass nicht mehr so viel Platz für Casein übrigbleibt). Ist die Darmbarriere gesund, dann machen natürliche Milchprodukte nicht so viele Probleme. Bei einer gestörten Darmflora ist allerdings die Verdauung