Allergien revolutionär. Magdalena Stampfer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Magdalena Stampfer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783966612531
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Gluten und Casein nicht ordentlich verdaut, verschlimmern sie die Durchlässigkeit des Darms noch weiter. Der Teufelskreis beginnt, denn das bedeutet auch, dass weniger Nährstoffe aufgenommen werden können und auch weniger Enzyme für eine richtige Verdauung vorhanden sind. Der Körper wird mit Zelltrümmern von Peptiden überströmt. Ganz abgesehen davon, dass eine Reihe von Toxinen quasi als Beifahrer ebenfalls die löchrige Darmwand passieren. Je höher die generelle Toxinbelastung, desto mehr schädliche Stoffe geraten in Umlauf. Zusätzlich zu den Giften von außen vergiftet man sich durch die schlechte Verdauung noch selbst von innen, da sich die gebildeten Stoffwechseltoxine zu der schon bestehenden Toxinbelastung dazugesellen. Eine chronische, systemische Entzündung ist die Folge. Dass dann eine Reihe von Symptomen und auch Allergien auftreten, erscheint in diesem Licht vollkommen logisch.

      Nach dem Verzehr glutenhaltiger Speisen beobachten viele Menschen den sogenannten brain fog (vernebeltes Gehirn). Man fühlt sich nach dem Essen müde und schlapp, kann sich nicht konzentrieren und könnte sich sofort ins Bett legen. Das sind Hinweise darauf, dass man sich nicht gerade mit Energie aufgeladen hat, im Gegenteil. Der Grund für die Energielosigkeit liegt darin, dass das Gehirn mit Stoffen überschwemmt wird, die es in seiner Arbeit stören. Man ist wie betrunken, nur ohne die lustige Komponente dieses Zustands. In weiterer Folge kann das langfristig zu ernsthaften neurologischen Problemen führen. Inzwischen hat man herausgefunden, dass bei vielen Gehirnstörungen wie ADHS, Depressionen, Epilepsie oder Autismus, die Darmbarriere nicht richtig funktioniert. Patienten, die an den genannten Erkrankungen leiden, aber auch jene mit Autoimmunstörungen, weisen häufig hohe Werte an Casomorphinen und Gliadomorphinen auf.

      Als es noch keine Medikamente gegen Epilepsie gab, wurde eine spezielle Diät verordnet, bei der diese beiden Proteine, Gluten und Casein, vom Speiseplan gestrichen wurden. Dadurch sank die Anzahl der Anfälle oder sie verschwanden sogar vollständig [43].

      Die Zonulin Geschichte

      Die Forschungen zu Zonulin, der Substanz, die den Darmöffnungsknopf drückt, laufen auf Hochtouren, doch vieles ist noch unbekannt. Derzeit herrscht ein regelrechter Zonulin-Hype, denn man konnte beobachten, dass bei diversen Erkrankungen der Zonulinspiegel erhöht ist. Die Idee ist folgende: Können wir den Zonulinspiegel wieder senken, müssten die Symptome besser werden. Statt das Übel an der Wurzel zu packen, sucht man nun nach Substanzen, die die Zonulinausschüttung hemmen. Der neue amerikanische Traum ist also, dass wir weiterhin Fast Food in uns hineinstopfen können und der Darm dabei trotzdem nicht löchrig wird.

      Wie genau die Zonulinmechanismen mit der Toxin-Hypothese von Margie Profet einhergehen, wird sich noch zeigen, denn die Rolle der Toxine bei der Zonulinausschüttung muss noch genauer untersucht werden. Aber es gibt jetzt schon genug Hinweise darauf, dass es hier nicht „nur“ um Gluten und pathogene Bakterien geht, sondern dass Gifte ein wichtiger Faktor sind. Vielleicht sogar der wichtigste. Auf jeden Fall haben Studien aus Mexico City schon gezeigt: Je höher die Toxinbelastung, desto mehr Zonulin wird ausgeschüttet [44]. Wenn Entgiftungsmittel wie Zeolith eingenommen werden, dann sinkt der Zonulinlevel wiederum [45]. Und ganz neue Forschungen aus dem Jahr 2018 haben nachgewiesen, dass der Zonulinwert in Zusammenhang mit dem Auftreten und dem Ausmaß von allergischen Erkrankungen steht [46]. Je mehr Zonulin im Blut, desto schlimmer die Symptome.

      Das Mikrobiom

      Betrachtet man den menschlichen Körper und insbesondere den Darm, muss man sich zu allererst eingestehen: Wir sind nicht allein. Wir werden zwar nicht von Außerirdischen besiedelt, sehr wohl aber von einer ungeheuren Anzahl an Mikroorganismen. Viele davon sind mittlerweile bekannt, viele noch gänzlich unerforscht. Die Gesamtmenge der Mikroorganismen, die in und auf uns leben, nennt man Mikrobiom. Jeder von uns hat sein ganz persönliches Mikrobiom, dessen Zusammensetzung davon abhängt, wo wir wohnen, was wir essen und wie es uns psychisch und gesundheitlich geht. So entwickeln Zwillinge, die denselben Geburtsvorgang hinter sich haben und genetisch identisch sind, im Laufe ihres Lebens ein unterschiedliches Mikrobiom.

      Vor zehn Jahren wurde das Human Microbiome Project (HMP) ins Leben gerufen, mit dem Ziel, alle auf oder im Menschen lebenden Mikroorganismen zu identifizieren. Seitdem sind von Forschern aus aller Welt mehr als tausend Bakterienarten gefunden und beschrieben worden, die bisher unbekannt waren. Die Auswirkung des Mikrobioms auf unsere Gesundheit und die Rolle bei bestimmten Krankheiten werden dabei ebenfalls untersucht. Die Zahl der einzelnen Bakterien des Mikrobioms eines jeden Menschen wird auf 100 Billionen Mikroorganismen geschätzt.

      Wir sind also nicht nur in zahlreicher Gesellschaft, wir bilden zusammen mit unseren Bakterien ein hochkomplexes System, einen „Superorganismus“ sozusagen. Obwohl die Mikrobiomforschung erst am Anfang steht, sind die Wissenschaftler überzeugt: Mikroorganismen bilden die Grundlage des menschlichen Lebens und unserer Gesundheit.

      Unser individuelles Mikrobiom bildet sich in den ersten drei Lebensjahren aus. Die Besiedelung mit Bakterien fängt bereits während der Geburt an, da das Baby bei einer natürlichen Geburt quasi ein Darmflora-Starter-Set von der Mutter mit auf den Weg ins Leben bekommt. Kinder, die per Kaiserschnitt das Licht der Welt erblicken, bekommen dieses leider nicht und müssen daher ohne diese bakterielle Starthilfe auskommen. Statistisch gesehen leiden sie häufiger an Allergien und Asthma. Über das Stillen wird das Baby ebenfalls mit Bakterien und zugleich auch mit Antikörpern gegen Krankheiten versorgt, die die Mutter bereits durchgemacht hat. Im Laufe der Jahre entwickelt sich die Darmflora immer weiter, und ist je nachdem, was wir essen, welche Krankheiten wir durchlaufen haben und wie es uns psychisch geht, unterschiedlich zusammengesetzt. Mit ungefähr drei Jahren ist die Besiedlung abgeschlossen, die Darmflora bleibt weitgehend stabil, es sei denn, man bringt sie durch Medikamente (z.B. Antibiotika), Ernährungsfehler oder Toxine durcheinander. Aufgrund der unglaublich großen Anzahl von Darmbakterien gibt es noch viel zu entdecken und die Wissenschaft steht hier vor einer großen Herausforderung. Die einzelnen Bakterienarten interagieren nämlich auch untereinander, was die Komplexität nicht gerade verringert.

      Übrigens ist der Begriff Darmflora streng genommen falsch. Da es sich um kleinste Lebewesen und nicht um Pflanzen handelt, wäre die Bezeichnung „Darmmikrobiota“ weitaus zutreffender. Die Bezeichnung „Darmflora“ ist allerdings schon so fest im allgemeinen Sprachgebraucht verankert, dass sie in diesem Buch trotzdem verwendet wird.

      Mikroorganismen besiedeln den Menschen an allen Kontaktstellen zur Außenwelt: Sie leben auf unserer Haut, auf den Schleimhäuten, im Mundraum und im Darm. Bei einem gesunden Erwachsenen halten sich durchschnittlich zwei bis drei Kilogramm Bakterien im Darm auf. Die Bakterien sind verglichen mit unseren eigenen Zellen eindeutig in der Überzahl. Noch ein Argument dafür, dass es erstrebenswert ist, gut mit ihnen auszukommen.

      Der Großteil dieser Bakterien ist uns wohlgesonnen und gehört der nützlichen Darmflora an. Funktioniert diese Darmflora optimal, werden schädliche Keime in Schach gehalten und ihre Zahl bleibt begrenzt. Ist die gute Darmflora jedoch gestört, können sich die weniger sympathischen, pathogenen Mikroorganismen (wie Staphylokokken, Streptokokken, Clostridien…) ausbreiten und gesundheitliche Probleme verursachen. Wobei sie nicht an sich böse sind. Nur, wenn sie sich unkontrolliert vermehren können, richten sie Schäden an. Unter Kontrolle haben diese eher unbeliebten Erreger auch funktionelle Aufgaben und unterstützen sogar die Verdauung. Werden es aber zu viele, dann verhalten sie sich im Darm wie eine Horde betrunkener Teenager ohne Aufsicht. Und dementsprechend sieht es dann in unserem Haus/Darm aus.

      Auch Parasiten, Viren und Pilze haben in diesem Fall ein leichtes Spiel, sich zu vermehren und in Gefilde vorzudringen, die für sie normalerweise unerreichbar wären. Die Zahl an Immunzellen wie Lymphozyten, Phagozyten, IgA-Antikörpern und Regulatorzellen nimmt bei Menschen mit einem geschwächten Darm nachweislich ab. Um es vereinfacht zu sagen: Haben wir zu wenige nützliche Bakterien im Darm, dann kann ein Teil unseres Immunsystems nicht angemessen funktionieren. Und das ist ein großer Teil, denn Schätzungen zufolge sind ungefähr 80 Prozent unseres Abwehrsystems im Darm angesiedelt. Ein Mangel an guten Bakterien kann so weit gehen, dass die Darmzotten degenerieren und die Nahrung nicht richtig verdaut und resorbiert werden kann. Als Folge davon kommt es zu einer ungenügenden