Schon war sie zur Tür hinaus.
„Der Racker hat’s hinter den Ohren,“ brummte Erwin Rödnitz und liess sich wieder vor dem Schreibtisch nieder.
Auch am nächsten Tage wünschte Margarete keinen Abendausgang. Sie erklärte ihrem Manne, sie denke nicht daran, so leichtsinnig weiterzuleben und sie bitte ihn dringend, mit ihr auf das Gut zurückzukehren. Sie müssten beide arbeiten und sie wolle lernen, um eine richtige Gutsherrin zu werden.
Sie legte ihre Arme um seinen Hals.
„Sei lieb, Erwin, wollen beide versuchen, durch eigene Kraft vorwärts zu kommen. Ich denke es mir herrlich, wenn wir uns eines Tages sagen können, mit Fleiss und Umsicht haben wir unser Verschulden wieder gut gemacht.“
Er streifte ihre Arme von sich ab.
„Du redest so phrasenhaft, Marga, und mir geht das Verständnis dafür ab. Was haben wir denn verschuldet? Haben es uns nur gegönnt, zu leben, wie es unserem Stande zukommt, das ist alles. Verlangst wohl möglicherweise noch, wir sollen in Sack und Asche Busse tun deshalb? Wenn du aber durchaus willst, fahre nach Rödnitz zurück, ich verspüre noch keine Lust dazu.“
Sie trennten sich wieder in Verstimmung.
Luise Moldenhauer erbat am Spätnachmittag für den Abend ein paar Stunden Urlaub, sie habe eine ganz alte Tante im Berliner Norden wohnen, die sie so sehr gern einmal besuchen möchte.
„Gewiss, gehen Sie nur, Luise,“ erlaubte die Prinzessin, „ich bleibe ja heute abend zu Hause. Sie können heimkehren, wann Sie wollen, ich bedarf Ihrer heute nicht mehr.“
Luise dankte und heimlich lachte sie: Wenn du wüsstest!
Prinz Erwin hatte Luise Moldenhauer Kleid, Mantel und Hut zuschicken lassen. Alles aus tadellosem Material, und als sich Luise vor ihrem Abendausgang vor dem Spiegelschrank ihres Zimmerchens betrachtete, lachte sie sich zufrieden an.
Wie eine Dame der besten Gesellschaft sah sie aus.
Sie verliess über die Dienertreppe das Hotel und durchschritt ein paar Strassen, eilte einer stilleren Gegend zu.
An einer Strassenecke machte sie Halt, blickte sich um. Ja, sie war am Ziel.
Sie war erregt. Ob der Prinz wirklich kommen würde?
Sie brauchte nicht lange zu warten, schon tauchte seine hohe Gestalt auf, stand neben ihr, sein Arm schob sich in den ihren.
„Brav, blonde Maus, dass du gekommen bist, und nun wollen wir einen fidelen Abend verleben.“
„Ihre Durchlaucht hat —“ begann Luise Moldenhauer.
„Still, Mädel, meine Frau darf zwischen uns nicht erwähnt werden, und nun führe mich irgendwohin, wo es lustig zugeht. Wirst dich ja, aus der Zeit, da du noch die Filmdiva bedientest, hier auskennen.“
Luise lächelte zu ihm empor.
„Ob es aber, wo ich mich auskenne, fein genug für Durch —“
„Pst! lass doch die Titulaturen, sage Fritz zu mir, und wenn dich sonst wer fragt, heisse ich Fritz Müller, und jetzt los. Es braucht nicht fein zu sein, wo wir hingehen. Unter uns, die Feinheit kommt mir manchmal zum Halse raus!“
Er rief ein Auto an und Luise Moldenhauer nannte eine Adresse.
Sie fuhren nach Zuckelmayers Festsälen, wo alle Abende Tanz stattfand.
Luise tanzte fürs Leben gern. Ein Riesenspektakel scholl ihnen entgegen, als sie, nachdem sie die Garderobe abgelegt hatten, dem Saale zuschritten, in dessen Mitte getanzt wurde, während auf etwas erhöhten Plätzen die Zuschauer sassen.
„Da drüben ist ein Tisch frei,“ stellte Luise glücklich fest und schob sich mit ihrem Begleiter durch ein paar der tanzenden Paare, die sich nach dem wilden Gequäle einer Jazzmusik, die ein feister Neger dirigierte, bewegten.
Sie fanden wirklich noch einen völlig unbesetzten Tisch und Luise liess sich strahlend nieder. Ach, wie lange war sie hier nicht mehr gewesen.
Ordentlich heimatlich ward ihr zumute.
Ein Kellner kam.
„Was willst du trinken, Maus?“ fragte der Prinz, der den Betrieb hier höchst originell fand.
Luise erwiderte treuherzig: „Ich habe Hunger, und Schnitzel mit Spargel ist hier Spezialität.“
„Also bringen Sie zweimal Schnitzel mit Spargel, Kellner,“ sagte der Prinz, „und eine Flasche guten Rotwein.“
Der Kellner blickte den Bestellenden genauer an. Den Herrn kannte er doch. Wenn ihn nicht eine grosse Aehnlichkeit täuschte, war es Prinz Rödnitz, der eine schmale, kinderjunge Frau besass. Er selbst war noch vor vier Wochen in einem erstklassigen Restaurant am Zoo angestellt und hatte den Prinzen dort mehrmals bedient. Hatte seinetwegen sogar seine prachtvolle Stellung verloren, weil sich der Prinz beklagt hatte, er hätte tölpelhaft serviert. Da war er entlassen worden.
Hm, die schicke, dunkelhaarige Frau fand er eigentlich viel schöner als dieses blonde Mädchen, trotzdem es auch nicht übel war. Der Prinz hatte keinen schlechten Geschmack, das musste man ihm lassen.
Ja, war dieser hier denn auch wirklich der Prinz? Er eilte davon, die Bestellung auszuführen.
Luise atmete hastig, ihre braunen Augen glänzten.
„Hier bin ich früher so gern hergegangen, ich finde, es hat sich seither gar nicht sehr verändert. Der dicke Tom,“ sie zeigte auf den dirigierenden, schwitzenden Neger, „war damals auch schon hier. Sehen Sie da drüben das kleine blonde Mädchen? Das ist seine Braut, und wenn eine andere mit ihm zu sprechen wagt, stürzt sie dazwischen, als wenn sie Angst hat, er soll ermordet werden. Sie ist wahnsinnig eifersüchtig.“
Sie wollte noch mehr erzählen, doch dergleichen interessierte ihn nicht.
„Liebes Kind, ich heisse Fritz, vergiss das nicht, und ausserdem musst du hier ‚du‘ zu mir sagen, sonst fallen wir auf. Der Kellner hat mich ohnedies schon so blöd angestarrt.“
Luise Moldenhauer nickte eifrig.
„Es ist mir auch aufgefallen, aber Sie sind —“ Sie verbesserte sich errötend: „Du bist für hier zu gediegen elegant.“
Sie plusterte sich vor sich selbst ein bisschen auf. Das hätte sie sich auch nicht träumen lassen, dass sie einmal in Zuckelmayers Festsälen mit einem leibhaftigen Prinzen sitzen würde.
Der Kellner nahte, gerade als sie an ihr Gegenüber die Frage richtete: „Tanzest du nachher auch mal mit mir, Fritz?“
Er antwortete nicht, der Kellnerblick störte ihn.
Erst als der Mann sich wieder entfernt hatte, meinte er: „Es macht mir keinen Spass, mich da unten zwischen dem transpirierenden keuchenden Knäul herumstossen zu lassen. Ein bisschen zugucken genügt. Wollen essen und dann woanders hingehen.“
Luises eben noch so strahlende Züge sahen ganz flach aus vor Schreck.
„Schon wieder gehen sollen wir? Oh, es ist doch hier so wunderschön!“
Der Prinz musste lachen. Er bereute seinen Einfall schon, sich mit der Zofe seiner Frau eingelassen zu haben. Es war eine Dummheit gewesen, die sich nicht lohnte, und es wäre wohl auch bei den paar Küssen letzthin geblieben, wenn er sich nicht so sehr über Margarete geärgert hätte.
Am besten war es, er zog sich so schnell wie möglich zurück.
Er schnippelte an dem Schnitzel herum. Er fand es verbraten, während es Luise grossartig schmeckte.
Nach einem kleinen Weilchen sagte er lässig: „Mir ist eben noch eine ganz wichtige Verabredung mit einem Freunde eingefallen, den ich jetzt sicher in seinem Klub treffen kann, sei mir also nicht böse, Kind, wenn ich mich verabschiede. Du wirst dich hier auch ganz gut allein unterhalten.“
Luise liess beinahe Messer und Gabel