Erwin Rödnitz begriff.
„Sie wollen mich erpressen, mein Lieber, nicht wahr? Sie meinen, weil ich mal ein Viertelstündchen in einem obskuren Tanzlokal gewesen, diese Wichtigkeit müsste das Licht der Welt scheuen?“ Er lachte erzwungen. „Unsereins interessiert sich auch mal für sowas wie ein Ballokal, und wenn es mir einfallen sollte, das Leben in einer Kaschemme kennenlernen zu wollen, so darf ich das auch tun.“
Der Kellner nickte. „Freilich, Durchlaucht, und ich finde auch nichts dabei, dass Sie Zuckelmayers Festsäle beehrt haben. Das Wort „erpressen“ sollten Sie nicht wiederholen, denn ich könnte es übelnehmen.“
„Geben Sie mir mein Eigentum und halten Sie mich nicht länger auf.“
Der Prinz schob heftig seinen Stuhl zurück.
Der andere rührte sich nicht vom Fleck.
„Wie ist es mit der Anleihe, Durchlaucht? Ich brauche nur fünftausend Mark auf die hübsche kleine Wirtschaft anzuzahlen.“
„Mann, jetzt habe ich es satt. Entweder Sie gehen jetzt gutwillig oder ich klingele.“
Der Kellner rührte sich immer noch nicht.
„Klingeln Sie nur, Durchlaucht. Ihre Partnerin von gestern Abend, die blonde Zofe der Frau Prinzessin, wird dann sicher zu Ihrem Schutz herbeieilen.“
„Das blöde Weibsbild hat geschwatzt!“ entfuhr es dem Prinzen.
Der Kellner schüttelte den Kopf.
„Das Mädel hat dicht gehalten, aber da mir der Hotelpage erzählte, die hellblonde Person, die uns die Tür öffnete, wäre die Zofe der Frau Prinzessin, wusste ich Bescheid. Uebrigens hat sie mich nicht mal erkannt!“
Erwin Rödnitz war wütend. Der gestrige Abend kam ihm teuer zu stehen.
Er sagte, so ruhig es ihm nur möglich war:
„Fünftausend Mark sind viel Geld. Meinen Sie, unsereins hat das Geld immer so bei der Hand? Ich werde Ihnen fünfhundert Mark schenken.“
Fritz Müller verbeugte sich.
„Ich möchte das Anerbieten nicht annehmen, da mir damit nicht geholfen ist. Ich werde jetzt der Frau Prinzessin das Etui aushändigen und sie bitten, mir darauf Geld zu leihen.“
„Sie sind ein ganz gemeiner Erpresser!“ rief Erwin Rödnitz zornig.
Im selben Augenblick war der Andere mit schnellem Sprung an der Tür, die er aufriss, und nun stand er vor der Prinzessin, die eben eintreten wollte.
Fritz Müller war verblüfft. Er hatte den Prinzen nur einschüchtern und gefügig machen wollen.
Wenn es zu einem Skandal kam, durfte er auf keinen Vorteil mehr rechnen.
Margarete trat beiseite, wollte den aus dem Zimmer Kommenden an sich vorbei lassen.
Er blieb stehen.
Der Prinz hatte seine Frau nicht gesehen. Er rief erregt: „Also, in Dreiteufelsnamen, Mann, bleiben Sie. Ich werde Ihnen das Geld geben, im übrigen interessiert es meine Frau gar nicht, ob ich mit ihrer Zofe in einem Tanzlokal war oder sonstwo.“
Der Kellner klappte zusammen.
Nun hatte sich der Prinz selbst reingeritten.
Deutlich waren die Worte aus dem Munde ihres Mannes an Margaretes Ohr gedrungen. Wenn sie auch keine Zusammenhänge sah, war der eine, einzige Satz doch so klar und deutlich gewesen, dass es daran nichts mehr zu drehen und zu deuteln gab.
Sie schritt an dem Besucher vorüber auf ihren Mann zu. Sogar ein Lächeln fand sie, weil sie nicht klein werden wollte vor den beobachtenden Blicken des ihr unsympathischen Fremden
Sie sagte so leichthin, wie es ihr nur möglich war: „Natürlich interessiert es mich nicht, wo du mit meiner Zofe gewesen bist, aber es ist geschmacklos, in meiner Gegenwart davon zu sprechen.“
Der Kellner riss die Augen auf. Donnerwetter, das schien ja eine sehr eigenartige Ehe zu sein, diese prinzliche.
Erwin Rödnitz biss auf seiner Unterlippe herum. Nun sass er fest. Aber er bewunderte aufrichtig die Art und Weise, wie seine blutjunge Frau die doch gewiss heikle Situation beherrschte.
Es imponierte ihm,
Fritz Müller hatte die Tür ins Schloss gedrückt. Er sah den Prinzen an.
„Durchlaucht sagten eben, ich solle das Geld haben —“
Erwin Rödnitz machte eine verächtliche Gebärde. Jetzt hatte er es nicht mehr nötig, Schweigegeld zu zahlen.
Er sagte barsch: „Wenn Sie mein Zigarettenetui nicht sofort herausgeben, zeige ich Sie wegen Fundunterschlagung an. Und wenn Sie die zwanzig Mark Finderlohn verschmähen, erhalten Sie gar nichts.“
Dem Kellner blieb keine Wahl. Als er im Wohnzimmer an der Zofe vorbeiging, raunte er ihr zu: Prinzenliebste!
Da erkannte Luise Moldenhauer den Kellner von gestern abend aus Zuckelmayers Festsälen.
Angst stieg ihr bis in die Kehle.
Die Angst war nicht grundlos. Schon eine halbe Stunde danach befahl ihr die Prinzessin, ihre Sachen zu packen. da sie der Dienste einer Zofe fernerhin entraten könnte.
Erwin Rödnitz spielte den Zerknirschten.
Margarete war unzugänglich.
„Ich schäme mich unserer Ehe,“ sagte sie weinend, „ich schäme mich entsetzlich. Aber ich wusste ja nicht, was ich tat, als ich deine Frau wurde, weil ich zu jung war, und nun muss ich wohl aushalten, denn wir dürfen anderen Menschen kein Schauspiel geben. Aber ich will, dass wir jetzt nach Rödnitz zurückkehren, dort so leben, wie es unsere finanziellen Verhältnisse gestatten.“
Zwei Tage später reisten sie beide ab, und an einem stürmischen Apriltage ward Alexander Rödnitz auf dem Gute geboren. Eine glücklichere Mutter als Margarete hat es wohl kaum gegeben. Sie lebte nur für das Kind und achtete nicht darauf, dass ihr Mann immer öfter nach Berlin fuhr und immer länger dort blieb.
Die alten Damen hatten zur Taufe des Kindes nach Rödnitz kommen wollen, doch beide waren an der in diesem Frühjahr besonders heftig auftretenden Grippe erkrankt. Fräulein von Keller hielt Margarete durch tägliche kurze Nachrichten auf dem Laufenden.
Eines Morgens kam eine Depesche, die Fürstin läge im Sterben. Die junge Frau packte das Notwendigste zusammen und fuhr mit dem winzigen Erdenbürger und der Kinderfrau nach Wulffenberg.
Ihr Mann atmete auf, nachdem sie fort war.
Nun konnte er wenigstens ungestört allerlei Verkäufe machen, von denen sie nichts wissen brauchte. Ein grosses Stück Ackerland ging denselben Weg, den vorher die Wiesen gegangen, auch das lebende Inventar verminderte sich bedenklich in dieser Zeit.
Spielschulden drängten und bei ein paar Geldverleihern wuchsen die Zinsen zu unheimlicher, beängstigender Höhe an.
Inspektor Jäger war empört.
„Durchlaucht, auf diese Weise ist das Gut in Jahresfrist längst Eigentum fremder Leute!“ versuchte er dem Prinzen die Lage klar zu machen.
Erwin Rödnitz verwahrte sich dagegen.
„Sie sind ein Gespensterseher, verehrter Inspektor, ein paar gute Ernten renken alles wieder ein.“
Der Inspektor brummte missbilligend: