Das Auto sauste dahin, um den Zug noch auf der Station zu erreichen.
Sie fanden ein Abteil allein und lachten sich strahlend an.
„Fein, dass man hier auf keine Schnüffelnasen Rücksicht nehmen braucht,“ rief der Prinz vergnügt und zog Margarete an sich, um sie zu küssen.
Sie entwand sich ihm.
„Du, küssen ist eigentlich was ganz Dummes,“ versicherte sie, „ich begreife nicht, wie man sich daraus etwas machen kann.“
Höchst überzeugt brachten es die roten Lippen hervor.
Erwin Rödnitz zog ein komisches Gesicht.
„Na, weisst du, Kind, deine Meinung in allen Ehren, aber der Kuss ist ein Hauptbestandteil der Liebesehe.“
Margarete nickte. „Ja, die Menschen haben in manchen Dingen sehr merkwürdige Ansichten.“
Während das junge Paar seine Hochzeitsreise machte, übersiedelte die alte Prinzessin Rödnitz völlig nach Wulffenberg. Die beiden Freundinnen wollten ihren Lebensabend gemeinsam verbringen.
Fräulein von Keller blieb bei ihnen als Gesellschafterin und Vorleserin, und als das junge Paar von der Reise heimkehrte, fand es Gut Rödnitz vollkommen frei für ihr junges Regiment.
Prinz Erwin stellte fest, dass die Reise mit seiner jungen Frau eigentlich ziemlich langweilig gewesen war. Er hatte sich alles doch anders gedacht. Es war grade gewesen, als ob er mit einem Pensionsmädel durchgebrannt wäre, das nicht recht wusste, was es wollte. Nach aussen hin hatten Margaretes korrekte Prinzessinnenmanieren allerdings nicht das geringste zu wünschen übrig gelassen, aber ihm gegenüber gab sie sich sehr merkwürdig. Einmal fiel sie ihm um den Hals, als wollte sie ihn vor Liebe abwürgen, ein anderes Mal dagegen war sie eiskalt wie eine hochmütige Fremde und sah ihn bitterbös an, wenn er dann eine Zärtlichkeit wagte.
Er tröstete sich damit, Margarete sei noch zu jung, ihre siebzehn Jahre standen den Geheimnissen der Liebe noch mit verschlossenen Sinnen gegenüber.
Er war in seiner Art verliebt in das schmale, dunkelhaarige Geschöpf, dem das ungarische Blut der Mutter fast einen leicht zigeunerhaften Einschlag in alleredelster Art gab.
Gut Rödnitz war ziemlich gross, die noch immer willensstarken Hände der alten Prinzessin hatten von je für den geliebten Enkelsohn alles in Ordnung gehalten. Er selbst hatte sich wenig um den Gutsbetrieb, um Einnahmen und Ausgaben gekümmert. Hatte seine Gutsherrnpflichten etwas spielerisch aufgefasst und war lieber in Berlin mit lebenslustigen Freunden herumgebummelt, als dass er sich um Saat und Ernte Sorgen gemacht hätte. Der alte Inspektor Jäger war ja zuverlässig und war immer die rechte Hand der alten Prinzessin gewesen.
Erwin Rödnitz kehrte mit vielen guten Vorsätzen heim. Nun sollte es tüchtig an die Arbeit gehen.
Aber erst musste er sich von der Reise erholen.
Er erzählte Margarete, er müsse nach Berlin auf die Bank, und in Berlin suchte er alte Freunde auf, vertraute seinem besten Freund an: „Man müsse ja wohl einmal heiraten, aber die Ehe sei ziemlich öde.“
„Deine Frau ist noch fabelhaft jung,“ tröstete der andere, „die muss erst etwas älter werden. Im übrigen wirst du sehr um die blutjunge, entzückende Gattin beneidet.“
Der Satz gefiel Erwin Rödnitz, beneiden liess er sich gern.
Er lud Gäste ein und Margarete erfüllte zum ersten Mal ihre Repräsentationspflichten.
Sie trug ein moosgrünes, glänzendes Seidenkleid, aus dem Hals und Arme in dunklem Elfenbeinton herauswuchsen. Die unwahrscheinlich grossen Augen waren wie bläuliche Flammen, beherrschten vollständig das unregelmässige, feine Gesicht, in dem der rote Mund wie ein blutendes Herzchen stand.
Die Freunde des Prinzen machten ihr alle den Hof, und Margarete drang das Gefeiertwerden wie süsses Rauschgift ins Blut.
Der Prinz beobachtete amüsiert, dass seine junge Frau auch kokett sein konnte.
Von diesem Abend an verstand sich das Ehepaar besser. Es hatte ihnen beiden an Anregung gefehlt, sie langweilten sich allein.
Im Winter verbrachten sie ein paar Monate in Berlin, wohnten in einem der teuersten Hotels, und wo nur irgend etwas Besonderes los war, sah man den Prinzen Rödnitz und seine pikante und sehr elegante junge Gattin.
Die alte Prinzessin schrieb: „Kinder, ihr müsst sparsamer leben! Wenn ihr so weiter wirtschaftet, geht das Gut zugrunde.“
Erwin lächelte über die besorgte alte Dame und zeigte seiner Frau den Brief gar nicht.
Grossmütter sind immer überängstlich, und einmal musste er doch selbständig werden, lange genug hatte die seine ihn am Gängelband geführt.
Er begann, wie schon vor seiner Hochzeit, jetzt aber noch leidenschaftlicher, zu spielen und hatte grosse Verluste.
Eines Morgens kam er müde und verstimmt ins Hotel zurück.
Margarete empfing ihn: „Wie siehst du aus, Erwin, nimm doch Rücksicht auf das Hotelpersonal und die Zofe. Siehst aus wie ein richtiger Nachtschwärmer!“
Er war ärgerlich, denn sein Spielverlust übertraf alle früheren Verluste.
„Was geht mich die Bedienung an! Die Meinung der Leute ist mir schnuppe. Ich habe Pech gehabt im Spiel, und unser Bargeld reicht nicht, die Schuld zu decken.“
Margarete lachte laut.
„Deshalb brauchst du doch nicht so sauertöpfisch dreinzuschauen. Schreibst eben einen Scheck heraus auf die Bank.“
Er schnitt eine Grimasse.
„Mein liebes Kind, das hört sich ja sehr hübsch an, aber wir haben nix mehr auf der Bank stehen.“
Margarete taumelte zurück.
„Wo ist denn das viele Geld hingekommen? Wir sind doch erst sieben Monate verheiratet, und Grossmama Rödnitz meinte, wenn wir nur leidlich gut zu wirtschaften verständen, und das Geld nicht durch irgendwelche politische Ereignisse entwertet würde, reichte es, bis wir alte Leute wären.“
Der Prinz sah fahl aus, seine Lider waren gerötet und ein fader Geruch von Wein und Zigaretten entströmte seinen Kleidern.
Er erwiderte höhnisch: „Möglich, dass es gereicht hätte, bis wir alte Leute gewesen, aber dann hätten wir eben ständig in Rödnitz hocken bleiben müssen. Deine Toiletten kosten Geld, dein Schmuck desgleichen, hier im Hotel ist’s nicht billig, und was wir mitmachen, ist ebenfalls teuer.“
„Doch am meisten kostet dein Spiel, Erwin,“ entgegnete sie vorwurfsvoll, „das ist weggeworfenes Geld, und ohne dein Spiel könnte es gar nicht möglich sein, dass unser Geld auf der Bank bereits alle sein sollte.“ Sie schrie ihn unbeherrscht an. „Ich glaube es auch nicht! Lass mich auf die Bank gehen und fragen.“
„Damit es auffällt, nicht wahr? Damit man auf der Bank sofort merkt: hallo! was Prinz Rödnitz hier liegen hatte, war sein gesamtes Barvermögen! Nee, mein liebes Kind, sowas nennt man Kredituntergraben. Jedenfalls muss die Spielschuld gezahlt werden, und du wirst so gut sein, mir einige deiner wertvollsten Schmucksachen auszuhändigen. Ich will sie beleihen lassen. Gutsnachbar Südermann schielt schon lange nach ein paar Rödnitzer Wiesen, ich werde sie ihm verkaufen, dann kannst du den Firlefanz wiedererhalten.“
Margarete presste die Hand aufs Herz. Also das Barvermögen auf der Bank war wirklich vollständig abgehoben! Sie, die sie in Einfachheit, ja beinahe Armut gross geworden, konnte es nicht fassen, dass soviel Geld so rasch zu Ende gehen konnte.
Und sie war nicht schuldlos daran, weil sie niemals danach fragte, was die Kleider, die sie sich bestellte, kosteten, und was alles andere kostete, das den Rahmen ihres jetzigen Lebens bildete.
Sie trug die Mitschuld und deshalb besass sie auch kein Recht, ihrem Manne Vorwürfe zu machen.
Sie