Die letzte aus dem Hause Wulfenberg. Anny von Panhuys. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Anny von Panhuys
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788711570241
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ganz kreidig geworden bist. Den reinsten Bussprediger habt ihr hier. Uebrigens verkrümeln wir uns bald, in einer Stunde steht das Auto am hinteren Parktor. Wir verschwinden ohne Abschied.“

      Margarete versuchte die schwere Stimmung abzuschütteln.

      Sie war ja töricht, die Predigt so schwerfällig aufzufassen. Sie hatte Erwin doch lieb — und die Grossmama hatte diese Heirat gewünscht. Was hätte sie denn dagegen tun sollen?

      Sie trank von dem purpurnen Wein. Ihr ward leichter, wohler.

      Sie fühlte die Augen des jungen Pfarrers auf sich ruhen und unwillkürlich ward ihr Blick von dem seinen gebannt. Seine Augen hatten Aehnlichkeit mit Hans Westfals Augen, auch seine Züge wiesen eine entfernte Aehnlichkeit mit den seinen auf. Auch seine Gestalt? Ja, auch seine Gestalt! gab sie sich selbst zu.

      Und eigentlich war die Aehnlichkeit sehr, sehr gross.

      Ja, man hätte meinen können, Hans Westfal selbst sass mit an der Hochzeitstafel und sah sie an, ununterbrochen und zwingend.

      Weshalb schlug ihr Herz mit einem Male so wild, als wollte es ihr die Brust sprengen?

      Hans Westfal! Ihr war es, als hätte sie den Namen laut und gell hinausgeschrien, und doch war kein noch so leiser Laut über ihre Lippen gekommen.

      Aber die Fürstin schaute zu ihr herüber, stand auf und hob damit die Tafel auf.

      Sie trat auf die Enkelin zu.

      „Du musst dich zur Reise umkleiden, geh, ohne Abschied von jemand zu nehmen. Ich komme noch einen Augenblick zu dir in dein Zimmer.“

      Margarete nickte gehorsam: „Ja!“

      Beim Vorüberschreiten kam sie dicht an dem Pfarrer vorbei. Sie hätte beinahe gelächelt. Er besass ja nicht die geringste Aehnlichkeit mit Hans Westfal.

      Sie hatte den schweren Wein so hastig getrunken und das hatte sich durch eine Sinnestäuschung gerächt.

      In ihrem Zimmer erwartete sie die Zofe, gleich darauf befand sich auch die Fürstin in dem einfachen Mädchenstübchen. Sie löste das Krönlein über Schleier und Myrthenkranz, half ihr das Schleiergewoge entfernen.

      Ein graues Reisekleid mit gleichfarbenem dünnen Seidenmantel lag bereit, ein winziges Hütchen aus grauem dänischen Leder ward tief in den Kopf gedrückt und nun war Margarete fertig.

      Die Fürstin gab der Zofe, die später nach Rödnitz, Margaretes neuer Heimat, übersiedeln sollte, einen Wink, sich zu entfernen.

      Den kurzen Abschied von der Enkelin wollte sie ohne Zeugen nehmen.

      Sie zog die schlanke Gestalt an sich und Margarete war es, als habe sie das hochmütige Antlitz der alten Dame noch niemals so weich und gütig gesehen, wie in diesem Augenblick, und weich, fast zärtlich war auch die Stimme, mit der sie leise sagte: „Ich wünsche dir Glück auf deinen ferneren Lebensweg, Margarete, meine Mission auf Erden ist mit dem heutigen Tage zu Ende, die Letzte unseres stolzen Namens hat einen ebenbürtigen Bund geschlossen. Nun darf ich, wenn meine Stunde schlägt, ruhig und in Frieden für immer die Augen schliessen. Sei dir stets deines neuen Namens und deines Geburtsnamens bewusst, tue nichts, was einen Schatten auf diese hohen Namen werfen könnte, und ehre die Krone als ein Heiligtum. Vergiss nie, was du beschworen. Ich hebe sie für dich weiter am alten Platz auf. Du weisst ja Bescheid.“

      Sie hauchte zwei Küsse auf die Wangen Margaretes, dann trat sie zurück und öffnete die Tür.

      Erwin Rödnitz wartete schon auf dem Gange, etwas abseits stand die Zofe, die sich schnell zum Ernst zwang, denn der Prinz hatte ihr eben einen Witz erzählt.

      Luise Moldenhauer, die Zofe, war sehr hübsch, hatte lustige braune Augen, ein keckes Gesichtchen und weissblondes Kraushaar.

      Erwin Rödnitz hatte sehr viel für hübsche Weiblichkeiten übrig.

      Ganz flüchtig verabschiedete sich auch noch die alte Prinzessin Rödnitz von dem jungen Paar, dann kehrten die beiden Damen, die ihre Enkelkinder so wunsch- und standesgemäss miteinander verheiratet hatten, kurz nacheinander zu der kleinen Gesellschaft zurück.

      Fürstin Alexandra als Letzte, sie hatte erst das Krönlein zurückgetragen an seinen sicheren Aufbewahrungsort.

      Das junge Paar aber ging allein durch den Park zur hinteren Mauerpforte, wo das Auto wartete.

      Nach wenigen Schritten blieb Margarete stehen, schaute sich um.

      Plump lag die Rückseite von Schloss Wulffenberg vor ihren Blicken.

      Es war ein seltsam geformter Bau, gedrungen und doch unvollendet scheinend. Vor mehr als fünfzig Jahren hatte ein grosses Feuer den einen Seitenflügel eingeäschert und einen der flankierenden Türme. Man hatte kein Geld zum Wiederaufbau besessen, die Form des Schlosses war seitdem etwas merkwürdig und grotesk.

      „Komm, Marga, werde nur nicht sentimental angesichts der ollen Raubritterburg,“ lachte Erwin Rödnitz und zog seine junge Frau mit sich fort.

      Schweigend schritt Margarete neben dem Manne her. Sie hatte sich so sehr auf das Fortkommen von hier gefreut, es stets ersehnt, und jetzt empfand sie doch Abschiedsschmerz.

      Sie gingen am Pavillon vorüber und da entzog Margarete ihrem Gefährten den Arm.

      „Ich muss da drinnen noch schnell Abschiedsumschau halten,“ rief sie ihm zu und lief auf die Tür des Pavillons zu.

      „Verrückt!“ murmelte Erwin Rödnitz vor sich hin und folgte seiner jungen Frau langsam.

      Margarete aber stand vor dem Bild des Hofnarren Kaspar Westfals und winkte ihm zu: Lebewohl, Lebewohl! Sie strich mit heimlicher Zärtlichkeit über das alte Sofa, auf dem sie so oft mit Hans gesessen und sah dann plötzlich Erwin an der offenen Tür stehen.

      „Marga, der Zug wartet nicht auf uns. Was gibt’s denn hier zum Abschiednehmen? Es ist doch nur Trödelzeug hier zu sehen.“

      Margaretes Wangen brannten. Sie begriff sich selbst nicht mehr.

      „Komm, du närrisches Ding, es ist die höchste Zeit!“ mahnte er.

      Da lachte die junge Prinzessin Margarete Rödnitz, die Letzte aus dem Hause Wulffenberg, laut auf.

      „Hast recht, Erwin, es ist nur Trödelzeug hier zu sehen.“

      Aber in ihrem lauten Lachen ging ein Seufzer mit unter, der irgendwie dem Trödelzeug galt.

      Kaspar Westfal, der bucklige Narr, lächelte schlau und verhalten. Er wusste mehr als die schmale Prinzessin selbst. Er wusste genau, dass sie keinen Abschied von ihm und von dem alten Sofa genommen, sondern nur Abschied von den glücklichen heimlichen Plauderstunden, die sie hier mit Hans abgehalten.

      Und der kluge bucklige Narr wusste noch viel mehr. Aber das ging um die Liebe, die dumme Liebe, und von der Liebe hatte er nie etwas gehalten, denn seine arme bucklige Person war nie geliebt worden. Die Frau, die sich zu ihm gefunden, hatte ihn nur genommen, weil er ein kleines Vermögen erspart.

      Draussen wartete das Auto mit dem Handgepäck, die Koffer waren schon an die Bahn gebracht worden.

      Margarete stieg ein und sie sass ganz steif und hochmütig da, weil sie sich gegen eine klangvolle liebe Stimme wehren musste, die da drüben vom Schmiedehaus herzukommen schien. Es war, als wenn Hans Westfal sie rief, immer wieder rief.

      Gretel! Gretel! glaubte sie es zu hören.

      Ach, und Hans Westfal war doch so weit, war wohl schon längst unter tropischem Himmel gelandet.

      Erwin neigte sich ihr zu, flüsterte, damit es der Chauffeur nicht verstehen sollte: „Ich glaube, trotzdem du noch reichlich jung bist, es war die höchste Zeit für dich, hier herauszukommen. Mein Kleines hat schon was Schrullenhaftes. Aber Wulffenberg ist ja auch so ein verwunschener Spukwinkel.“

      Margarete lächelte und ihre Lippen brannten. „Du, ich freue mich auf die Reise, auf alles Neue. Ich glaube, du hast recht, es war die höchste Zeit!“

      Die