Die letzte aus dem Hause Wulfenberg. Anny von Panhuys. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Anny von Panhuys
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788711570241
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erwiderte leise: „Ich bin gut damit fertig geworden, Mutter, nur darf man nicht daran rühren. Das ist wie mit Wunden, die man heil wähnt, und die, wenn zufällig eine Hand darüber streift, doch schmerzen.“

      Die Frau nickte.

      „Ja, so mag das wohl sein, Hans, aber damit du nicht erschrecken sollst, falls du ihr zufällig einmal in den Weg läufst, die Prinzessin ist wieder hier und bleibt bis zur Hochzeit hier.“

      Hans versuchte zu lächeln.

      „Ich werde sie wohl kaum treffen.“ Er zuckte die Achseln. „Sei ruhig, Mutter, man kann sich hier gut aus dem Wege gehen.“

      Ja, das konnte man, aber weder Frau Westfal noch Hans hatten damit gerechnet, dass Margarete direkt in die Schmiede kommen würde. Und das tat sie.

      Eines Vormittags, als Hans vor der Schmiede stand und überlegte, wohin er seine Schritte wenden sollte, kam Margarete vom Walde auf die Schmiede zu, stand gleich darauf vor ihm.

      „Guten Tag, Hans, ich hatte Sehnsucht nach dir und ich dachte es mir, dass du jetzt daheim sein müsstest, hörte es auch zufällig von unserem Kutscher.“

      Wie eine hypermoderne Dame sah das blutjunge Prinzesschen aus, das im Juli erst siebzehn Jahre ward. Der knabenschlanke Körper steckte in einem weichfliessenden Mantel aus rostbrauner Seide mit schmalen Hermelinstreifen verziert, unter dem weissen Filzhut, der die Augen fast deckte, stahlen sich seitlich ein paar dunkle Locken hervor und in den kleinen Ohren hingen sehr lange Gehänge aus Perlen und Brillanten.

      Ein Geschenk der alten Prinzessin Rödnitz.

      Hans war nicht fähig, etwas zu erwidern.

      Die Prinzessin lächelte.

      „Hans, lieber Hans, ich habe dir doch geschrieben. Bist du denn so hart, kannst du mir denn gar nicht verzeihen, dass ich damals zu Fräulein von Keller ein bisschen vom Kaspar Westfal geschwatzt habe? Es geschah doch nicht, um dich zu kränken! Wie konnte ich ahnen, dass die Pute dir in so verletzender Weise davon sprechen würde.“ Sie hielt ihm die Hand hin. „Sei nicht mehr böse, Hans!“

      Die wunderschönen Blauaugen sahen ihn bittend an.

      Er nahm die Hand, liess sie sofort wieder frei.

      „Die Sache ist nicht wert, darüber zu sprechen,“ sagte er jetzt.

      Seine Stimme war wie zersprungen.

      Denn nun er das liebliche Gesichtchen so nahe sah, so nahe die leuchtenden Augen, den roten Mund, da war alles in ihm wie Abwehr.

      Margarete sagte gleichmässig freundlich:

      „Darf ich dir zum glücklich bestandenen Examen gratulieren?“

      Er nickte kurz.

      „In knapp zwei Wochen reise ich nach Indien ab.“

      Sie stand unschlüssig.

      Sie merkte deutlich, Hans Westfal war bemüht, zwischen sich und ihr eine Scheidewand aufzurichten. Ihr Stolz bäumte sich auf. Sie stand wie eine Bettlerin da, es fiel Hans gar nicht ein, sie ins Haus zu bitten.

      Was hatte sie ihm denn so Unverzeihliches angetan?

      Da war ihr Verlobter anders. Dem durfte sie sagen, was sie wollte, er lachte nur, nahm nie etwas übel, war überhaupt ein allzeit lustiger Kamerad.

      Deshalb hatte sie ihn auch so gern. Nein so lieb!

      Hans sagte etwas abgehackt: „Verzeihung, aber da wir nun doch einmal miteinander sprechen, möchte ich vorschlagen, dass wir uns, falls wir uns noch einmal treffen, nicht mehr der gewohnten Anrede aus Kindertagen bedienen. Prinz Rödnitz könnte das übel nehmen.“

      Margaretes Gesichtchen sah plötzlich schmaler aus.

      „Erwin — ich meine, mein Verlobter, ist wohl nicht so kleinlich.“

      Jähe Glut überzog ihre Wangen, denn ihr fiel ein, Erwin Rödnitz war sehr hochmütig und sie hatte ihm nichts von der Kinderfreundschaft erzählt.

      Hans lächelte: „Nehmen Sie nur meinen Vorschlag an, Prinzessin —“ Er wandte flüchtig den Kopf. „Ich hörte eben meine Mutter rufen, entschuldigen Sie mich also, bitte.“

      „Hans!“ Wie ein Klagelaut sprang der Name über die Lippen Margaretes. „Hans, was tat ich dir, weshalb behandelst du mich so, als ob ich dir Gott weiss was angetan hätte?“

      Er riss sich zusammen. Sie wusste ja wohl wirklich nicht, was sie ihm angetan.

      Wie durfte er ihr etwas nachtragen, was nur in seinen Augen einer Schuld glich. Margaretes Kinderfreundschaft hatte er voll und ganz besessen, und wenn er auch bei ihr darin den Keim der Liebe vermutet, so hatte er sich eben geirrt.

      Das hatte ihm sein Verstand ja schon so oft klar gemacht.

      Und wenn sie einmal behauptet, er sei für sie der liebste Mensch auf der Welt, dann hatte sie nur aus ihrem damaligen Empfinden heraus gesprochen. Den Prinzen Rödnitz hatte sie erst später kennen gelernt.

      Wehmut hüllte ihn ein wie in einen grossen Mantel.

      Er sagte weich: „Sei mir nicht böse, Gretel, ich bin durch die Vorbereitungen für das Examen überarbeitet und nervös, denn ich vergass sogar, dir Glück zur Verlobung zu wünschen. Werde recht, recht glücklich, Gretel!“

      Das feine Mädchenantlitz strahlte.

      „Ach, wie bin ich so froh, Hans, dass du endlich etwas Nettes, Liebes zu mir sagst. Und weil dich deine Mutter rief, will ich dich auch nicht länger aufhalten. Wenn wir uns nicht mehr sehen sollten, Hans —“

      Sie brach ab und um die roten Lippen zuckte es wie bei einem Kinde, das weinen will.

      Hans war bestürzt. Margarete kämpfte mit dem Weinen?

      Er neigte sich ihr zu, wollte etwas sagen, was ihm ganz tief im Herzen entsprungen war, da riss sie noch einmal seine Hand an sich.

      „Reise mit Gott und kehre gesund zurück!“

      Leichtfüssig eilte sie davon, am Waldrand entlang auf die Pforte zu, die durch die rückseitige Mauer in den Park führte.

      Er schauerte zusammen. Er ward nicht mehr klug aus sich und aus Margarete.

      Niemand von den Seinen schien etwas von dem Besuch bemerkt zu haben, und er vermochte auch jetzt mit niemand über gleichgültige Dinge zu reden, er musste allein sein.

      Er lief in seinen geliebten Wald und lief weit darin herum.

      Das erste Grün sprosste an Baum und Strauch und die Vögel zwitscherten hell und jubelnd zum Lobe des Schöpfers, der diese Welt alljährlich so wundersam erneute.

      Sonnenbänder schlangen sich breit um die alten Buchenstämme und fern sang eine fröhliche Stimme:

      „Es lacht die Welt im Frühlingsschein,

      Nun lebe wohl, lieb Mädel mein,

      Du küssest einen Andern.

      Was soll ich da noch länger hier?

      Nimm einen letzten Gruss von mir,

      Will in die Fremde wandern!“

      Hans war stehen geblieben. Deutlich hatte er Wort für Wort verstanden.

      Er lächelte bitter. Das Lied passte auf ihn.

      Der Sänger kam näher. Es war ein junger Mensch, den er nicht kannte, der grüssend an ihm vorbeiging.

      Hans kehrte heim. Die Mutter ängstigte sich, wenn er zu lange ausblieb, sie geizte ja mit jeder Minute, die sie ihn noch bei sich haben durfte.

      Bald, bald trug ihn ein Dampfer weit übers Meer, das Wunderland Indien wartete auf ihn.

      Margarete stand im hauchdünnen weissen Seidenkleid mitten in ihrem Mädchenstübchen. Fräulein von Keller und die Zofe waren ihr behilflich bei der bräutlichen Ausschmückung.

      Die