Die letzte aus dem Hause Wulfenberg. Anny von Panhuys. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Anny von Panhuys
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788711570241
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verkümmerten Gesicht die Maske der Herablassung vorzubinden. —

      „Ah, Sie sind der frühere Lebensretter, der einmal das achtjährige Prinzesschen vor einem wild gewordenen Pferd fortriss und zugleich, was wohl noch interessanter ist, ein Nachfahre des Wulffenbergschen buckligen Hofnarren.“

      Sie wies auf den Pavillon.

      Das Blut schoss Hans Westfal bis zu den Schläfen.

      Das also hatte Margarete der grässlichen, stocksteifen Duenna erzählt, dass diese es ihm nun hinwarf wie eine Demütigung?

      Er richtete sich stolz auf.

      „Jawohl, meine Dame, ich bin ein Nachfahre Kaspar Westfals, aber es ist viel Zeit seither vergangen. So viel, dass man es gar nicht mehr begreifen kann, dass sich Menschen anmassen durften, Mitmenschen zu ihren Narren zu stempeln, Mitmenschen, die wahrscheinlich klüger waren als sie, nur rechtloser, weil sie arm waren.“

      Fräulein von Keller lächelte mokant.

      „Sie vergessen, es handelt sich nicht nur um den Unterschied zwischen reich und arm, sondern um gewaltige Standesunterschiede.“

      „Die mittelalterlichen Vorurteile liegen in ihren letzten Zuckungen, auf das Herz, auf die Gesinnung kommt es bei der Bewertung eines Menschen an, bald werden wir hoffentlich so weit sein, dass diese Ansicht als allgültiges Gesetz gilt und —“

      „Ich habe leider keine Zeit, Herr Westfal,“ fiel ihm die dürre Dame ins Wort, „ausserdem interessiere ich mich nicht für Kommunismus!“

      Hans Westfal war verblüfft. Die Auffassung Fräulein von Kellers belustigte ihn, er musste laut lachen.

      Da fiel sein Blick auf Margarete.

      Sie sah ihn bittend an.

      Er streckte ihr die Hand entgegen.

      „Es war nicht nötig, Gretel, dass du einer Fremden von unserem Freund im Pavillon erzähltest.“

      Margarete schämte sich, denn Hans hatte recht. Wie von einer Familienschande hatte Fräulein von Keller den buckligen Hofnarren erwähnt und sie hatte sich eigentlich gar nichts dabei gedacht, als sie ihr von Kasper Westfal gesprochen.

      Nun fühlte sich Hans gekränkt.

      Sie wollte etwas recht Freundliches sagen, doch er hatte ihre Hand schon wieder fallen lassen, lächelte ihr ein rasch verwehtes Lächeln zu und sich von Fräulein von Keller mit kurzer, abgehackter Verbeugung verabschiedend, ging er auf die nahe Tür in der Mauer zu.

      Margarete verharrte wie gelähmt.

      Irgend etwas würgte ihr in der Kehle, quälte sie.

      Sie wollte rufen: Hans, bleib! denn sie fühlte es, Hans Westfal würde den Weg hierher, den er seit Jahren so oft gefunden, nicht mehr finden.

      Fräulein von Keller berührte sie an der Schulter

      „Dieser Herr Westfal hat keine Manieren! Kommen Sie, Prinzessin, die Fürstin wünscht Sie bald zu sprechen.“

      Margarete schüttelte die knochigen Finger von ihrer Schulter, denn eben schlug die kleine Pforte in der Mauer dumpf ins Schloss.

      „Hans!“ wie ein unartikulierter Laut zwang sich der Name über die Mädchenlippen.

      Fräulein von Keller sagte erregt: „Lassen Sie den Menschen doch laufen. Es ist doch überhaupt unhaltbar dieses ‚Freundschaftsbündnis‘, bringt Ihnen nur Aerger und Sorge

      Denn wenn Durchlaucht davon erfährt —“

      Margarete rannte nach der Pforte, an ihr vorbei jagte die dürre Dame, stellte sich mit weitausgebreiteten Armen vor die Tür.

      „Sie dürfen dem Menschen nicht nachlaufen, ich dulde es nicht, Prinzessin. Tun Sie es aber, dann gehe ich schnurstracks zur Fürstin, und erzähle, was ich weiss.“

      Margarete atmete hastig.

      „Ob Sie nun der Grossmama noch etwas erzählen oder nicht, darauf kommt es schon gar nicht mehr an. Ich hatte, ohne mir etwas dabei zu denken, zu Ihnen von dem Bild im Pavillon geredet, und Sie haben Hans Westfal seine Verwandtschaft mit dem Hofnarren wie einen Schimpf entgegengehalten. Für ihn aber kommt der Schimpf von mir. Und nun zürnt er mir und war heute zum letzten Male hier.“ Sie wandte sich. „Ich will auf mein Zimmer gehen, weil ich —“

      Sie beendete den Satz nicht, rannte plötzlich fort.

      Kopfschüttelnd schaute ihr Fräulein von Keller nach. Sie war wohl gerade zur rechten Zeit nach Schloss Wulffenberg gekommen, denn ihre Vorgängerin, dieses junge Fräulein von Stein, hatte anscheinend diese dumme Geschichte unterstützt, die doch zu nichts Gutem führen konnte.

      Der junge Westfal, den sie selbst nicht übel fand, liebte die Prinzessin, darüber gab es keinen Zweifel, und in ein paar Jahren wäre die Letzte aus dem Hause Wulffenberg auch so weit gewesen, dass die die Gefühle des Dorfschmiedsohnes erwidert hätte.

      Gut, dass sie das Vertrauen, das die Fürstin in die Gesellschafterin ihrer Enkelin setzte, besser zu schätzen wusste, wie Fräulein von Stein.

      In der stolzen Ueberzeugung, streng korrekt gehandelt zu haben, folgte sie Margarete.

      Die junge Prinzessin aber hatte sich in ihr Zimmer eingeriegelt und weinte herzbrechend, und dann fiel ihr ein, neben der Bank, auf der sie mit Hans gesessen, stand auf einem abgehauenen Baumstamm eine wunderhübsche Bonbonniere, die ihr Hans als Geburtstagsgeschenk mitgebracht.

      Sie eilte wieder in den Park, holte das Schächtelchen und schlich damit in den Pavillon.

      Mochte die Keller sie suchen.

      Sie hockte nun auf dem alten Sofa, stopfte Pralinen in den Mund und hielt Zwiesprache mit Kasper Westfal.

      Sie sagte leise zu ihm: „Du bist eben ein ganz, ganz armer Narr gewesen!“

      Und da war es ihr, als bewegten sich die gemalten Schelmenlippen, erwiderten ihr: „Ein armer Narr bist auch du, warte es ab, wirst noch dahinter kommen.“

      Margarete erhob sich scheu und fröstelnd. Sie fühlte sich gar so müde und abgespannt.

      Sie traf in der Vorhalle des Schlosses die Fürstin.

      „Komm mit in mein Zimmer, Margarete, es ist ein Brief gekommen, der dich auch interessieren wird. Wir werden nämlich morgen Besuch bekommen, meine Jugendfreundin, Renate Rödnitz und ihr Enkel werden uns besuchen. Ich lud sie schon vor längerer Zeit ein, jetzt wollen sie mir endlich die Freude machen.“

      Prinzessin Renate Rödnitz und ihr Enkel, Prinz Erwin, waren mit der alten Kalesche, die ihr die Fürstin an die Bahn geschickt, vorgefahren und die weisshaarige Durchlaucht schritt die kleine Freitreppe hinunter, um die Jugendfreundin, mit der sie brieflich stets in Verbindung geblieben, zu begrüssen.

      Erwin Rödnitz war sehr schlank und elegant, aber ein leichter Zug von Verlebtheit lag schon über dem rassigen, hübschen Gesicht.

      Fürstin Alexandra wusste genau, warum sie die Prinzessin letzthin immer wieder eingeladen. Ihr war Prinz Erwin eingefallen, der vielleicht als zukünftiger Gatte Margaretes in Frage kommen konnte.

      Die Rödnitz waren von altem Stamme, wie die Wulffenberg, und Erwin der Letzte des Hauses. Sie waren noch leidlich vermögend, die alte Prinzessin, seine Grossmutter, war eine gute Rechnerin.

      Am Tage vorher waren einige bestellte Kleider für Margarete angekommen und auch eine Zofe, die ziemlich hohe Ansprüche machte, dafür aber ondulieren, maniküren, pediküren, massieren, überhaupt alles konnte, was auf ieren oder üren endete.

      Sie war vordem bei einem Filmstar gewesen und verstand sich auf Mode und Schick.

      Doch fand Luise Moldenhauer schon nach vierundzwanzig Stunden heraus, dass der Unterschied zwischen einem grossstädtischen Filmstar und einer in einem versteckten Odenwaldschlosse lebenden Prinzessin so gewaltig war, wie sie ihn gar nicht für möglich gehalten. Allerdings war der Filmstar im Alter nahe den Vierzigern gewesen und diese