Mein erster Stadionbesuch. Jannis Linkelmann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jannis Linkelmann
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783895338960
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der der Initiator des Stadionbesuchs war, konnte ich zum Abschluss dieses gelungenen Abends eine Moral mitnehmen:

      »Nimm als Fan die Liebe mit nach Hause und die Liebsten mit ins Stadion!« Das begleitet mich noch heute … Als Familienvater habe ich meine Tochter und Ehefrau, zum Schluss immer wieder auch meinen inzwischen vierjährigen Sohn mit ins Stadion genommen. Denn wenn die Freude am Fußball und an unseren Roten alles andere wie Trauer, Ärger oder gar Hass überwiegt, fühlt man sich als besserer Mensch. Wir in Hannover haben jetzt das »ZUSAMMEN« entdeckt und wenn man das neben dem Fußballspiel in vollen Zügen genießt, dann hat man sehr viel mit nach Hause genommen. Schon deswegen ist es etwas ganz Wunderbares und Besonderes, ein Roter zu sein.

      Ich bin stolz, dass meine rote Auffassung zum Fandasein ausschließlich mit Liebe und Leidenschaft und nichts mit Hass zu tun hat!

      Meinen Beitrag widme ich keinem einzelnen Menschen, sondern all denen, die ihr Fandasein durch Liebe und Leidenschaft definieren. Fans bereichern den Fußball, so wie Liebe unsere Welt bereichert. Egal woher sie kommen. Ich denke, auch aus Braunschweig oder München. Übrigens aus München beziehen wir inzwischen auch eine Weisheit: Anstatt 69 auf der Weihnachtsfeier lieber 96 das ganze Leben lang! Nun gut, bei uns im kalten Norden beruhen unsere Leidenschaft und Energie auf Beständigkeit und Nachhaltigkeit.

      Moment: wieso Rückspiel?

       Christian Kremp

      geb.: 1981

      Lehrer

       Fan des SV Werder Bremen

      Im Sommer 1990, genauer gesagt am 4.8.1990, fand ich den Weg zum ersten Besuch eines Fußballspiels. Zwar war ich vorher schon einmal im Stadion gewesen, aber dieser Tag gab mir das Gefühl, dass Fußball etwas ganz Besonderes sein konnte. Es war ziemlich heiß und ebenso aufregend, in das Stadion von Borussia Neunkirchen, das Ellenfeldstadion, zu gehen. Dort spielte die Mannschaft aus meiner Heimat, die, wie ich erfahren durft e, wohl früher einmal ziemlich gut gewesen war und tatsächlich sogar schon in der Bundesliga gespielt hatte. Das faszinierte mich. Kaum zu glauben, dass sie auch einmal im Paniniheft gewesen sind, genau wie mein Lieblingsverein Werder Bremen und die Nachbarn vom FC 08 Homburg letzte Saison? Das Stadion machte schon mal ziemlich was her, eine riesige Tribüne, laute Fans und dann auch noch das Besondere: DFB-Pokal. Die erste Runde jenes Pokals, der meinem Klub zuvor bereits zweimal verweigert worden war, immer kurz vor Schluss, im Finale.

      DFB-Pokal, das wusste ich auch schon mit meinen neun Jahren, bedeutete, dass am Ende immer einer verlor, dass es Verlängerung und Elfmeterschießen geben konnte. So ein Spiel sollte es geben und der Gegner war sogar ein Bundesligist: Fortuna Düsseldorf. Die waren ebenfalls in meinem Paniniheft gewesen, und ich war neugierig, ob ich nicht ein paar Spieler erkennen könnte. Zumindest hatte ich die Doppelseite der Fortuna noch einmal gründlich studiert. Dennoch war klar, dass die Sympathien bei der Borussia liegen mussten, das hatte mir mein Stiefvater klargemacht, erstens, da er früher selbst für den VfB gespielt hatte, und zweitens hatte die Borussia natürlich ein cooles Wappen. Das genügte, um bereits vor Anpfiff zu überzeugen. Das Spiel begann und das Stadion war meiner Meinung nach ausverkauft und ist es auch heute in meiner Erinnerung noch (leider stimmt das nicht, zumindest wenn man fußballdaten.de glauben darf).

      Während der FC Bayern in Weinheim antrat, begann auch hier das Spiel, und zwar furios, es fielen ziemlich schnell Tore und ich erinnere mich, dass Düsseldorf die Führung erzielte. Ernüchterung machte sich breit, dieser dumme Pokal und ich, das war wohl kein gutes Omen. Doch die Borussia glich postwendend aus, nach knapp fünf Minuten stand es 1:1 und das Spiel wogte hin und her. Die Menschen um mich herum spürten, dass für den Underdog etwas möglich war. Ich nahm dieses Gefühl auf (ich liebe den DFB-Pokal heute noch dafür) und begann zu verstehen, dass die Mannschaft en, die ich aus dem Fernsehen kannte, vielleicht doch nicht immer stärker waren, dass mehr dazugehörte. Anfeuern war angesagt, vor allem weil Düsseldorf wieder in Führung ging und diese in die Halbzeit mitnahm (Tor Borussia übrigens: Martin Fiannaca, Tore Düsseldorf: Michael Büskens und Andreas Kaiser). Es gab die bis heute obligatorische Stadionwurst und ich stand inmitten von Männern, die, nachdem sie geschimpft, sich gefreut und gepfiff en hatten, doch eher an die Borussia glaubten und Halbzeitanalysen aufzogen. Begieriges Zuhören war angesagt, vielleicht reichte es ja wirklich für eine Verlängerung und ein Rückspiel.

      Moment, wieso Rückspiel? Ich musste meinen Experten, meinen Stiefvater fragen: Wieso Rückspiel, hier ist es doch wie bei der WM, es gibt Verlängerung und dann Elfmeterschießen, wie gegen England vor ein paar Wochen. Die Erklärung war einfach und es ist Experten sicher geläufig, dass es damals in der Saison 1990/91 letztmals die Regelung gab, dass bei Unentschieden nach Verlängerung im ersten Spiel ein Rückspiel auf dem Platz der Auswärtsmannschaft stattfand, das mit Elfmeterschießen beendet werden konnte. Nur das Finale musste direkt mit Elfmeterschießen entschieden werden. Ich war zufrieden, mein schon damals recht ausgewachsenes Wissen über Fußballstatistiken, Daten und Regeln weiter ausgebaut zu haben.

      Die zweite Halbzeit war mitreißend, Neunkirchen bestürmte das Tor von Jörg Schmadtke, den ich neben Anthony Baffoe direkt erkannt hatte. Und das mit Erfolg: Werner Jakobs erzielte den Ausgleich und Neunkirchen war nahe daran, die Partie zu drehen. Von der Fortuna kam nichts mehr. Aber Jörg Schmadtke, in einem faszinierend farbigen Trikot, hielt alles fest, begeisterte mich einerseits, andererseits wollte ich ja gewinnen. Nichts da, Verlängerung. Die Spannung war unbeschreiblich, das erinnerte an die WM kurz zuvor, nur dass es hier echter und näher war, die Fans aus Düsseldorf sangen, es war drückend heiß und die Mannschaften gaben alles. Den Spielern der Borussia wurden aber zusehends die Beine schwer. Düsseldorf konterte und auch Bernd Kuppig, der Schlussmann aus Neunkirchen zeigte nun sein Können.

      Alles schien auf ein Wiederholungsspiel hinzudeuten, da schnappte sich ein Düsseldorfer den Ball. Spielzug aus der rechten Spielhälfte vorbei an meiner Tribüne über den linken Flügel, da war Platz, viel Platz. Pass auf Thomas Allofs, den hatte ich mittlerweile als den Bruder des Werderspielers kennengelernt, der halblinks in den Strafraum eindringt, direkt vor den Fans der Fortuna. Er schießt flach ins lange Eck und der ehemalige Nationalspieler und Torschützenkönig netzte ein. 119. Minute, 2:3 verloren und raus. Ich hasste das und ich hasse es auch heute noch. Niederlagen, die unglücklich und vielleicht sogar unverdient sind (mit neun Jahren ist jede Niederlage unverdient). Es fühlte sich komisch an, ich war eigentlich Bremen-Fan und doch hatte dieses Spiel mich für die Borussia entflammt, für den Underdog und für diesen Wettbewerb, und dann verloren die auch noch. Das Gefühl war unschön, aber unglaublich stark. Ich war ganz durcheinander. Im Auto stellten wir das Radio an und mein Stiefvater feixte schon: Bayern in Weinheim raus, Kaiserslautern weiter, er war zufrieden.

      Und ich? Immerhin kam Werder weiter (2:1 in Weiden) und gewann endlich, im dritten Anlauf diesen Pokal und versöhnte mich endgültig. Aber dieses Spiel in seiner Dramatik, in seinen Weisheiten (die Männer neben mir hatten nach dem Spiel sowieso schon lange vorher gewusst, wie es laufen würde, behaupteten sie) und seinem Ausgang begeisterten mich auf Dauer umso mehr für Fußball, und das hat bis heute eigentlich nicht nachgelassen. Gewinnen ist und bleibt etwas Tolles, aber an Fußball fasziniert mich darüber hinaus noch vieles mehr, das habe ich sogar schon mit neun Jahren begriffen. Danke dafür.

      Ganz großer Ärger in Kartoffelkäferfarben

       Elke Wittich

      Journalistin

       Fan vom MSV Duisburg und ein bisschen vom BFC Dynamo

      Doch doch, Rita und ich hätten nach unserem allerersten Stadionbesuch durchaus noch mehr Ärger bekommen können. Zum Beispiel, wenn wir