Aurelia musterte ihn, ging zur Couch zurück und setzte sich.
“Und wenn ich ablehne? Was, wenn ich meine Tasche schnappe und verschwinde?” fragte sie und neigte den Kopf zur Seite.
Lucas griff in seine Hosentasche und holte sein Smartphone raus. Er öffnete die Fotogalerie und reichte ihr das Telefon. Zu sehen waren dutzende Bilder von ihrem Bruder, ihrer Schwägerin und den beiden Kindern.
Aurelia atmete scharf ein. Wut brodelte so rasant in ihr auf, dass sein Wolf ihre Emotionen wahrnahm.
“Du wagst es, meine Familie zu bedrohen?” hisste sie und hielt ihm das Handy hin. Das Foto zeigte ihren Bruder Edgar, wie er seine kleine Tochter auf dem Arm hielt.
“Nein, du verstehst nicht. Ich habe diese Fotos vom Laptop eines Polizeiagenten in Dubai kopiert.”
Aurelia beruhigte sich leicht und biss ihre Lippe.
“Ich war sicher, dass ich unsere Verbindung vergraben habe. Ich habe monatelang jeden digitalen Hinweis gelöscht, der zeigte, dass wir uns je begegnet waren,” flüsterte sie, als sie durch die Fotos scrollte.
“Leider ist er ein Softwareingenieur bei einem führenden Tech-Unternehmen und ihr habt denselben Namen. Abgesehen davon und der Tatsache, dass er weiter über dich redet und deinen vollen Namen benutzt … kannst du ihn unmöglich verstecken,” erklärte Lucas höflich.
“Wenn ich also nein sage, dann wirst du ihnen meinen Bruder ausliefern?” fragte sie.
“Nein, ganz und gar nicht,” sprach Lucas und rückte näher. Er streckte die Hand aus und hob ihr Kinn, sodass sie ihm in die Augen blickte.
“Nehmen wir an, du bist einverstanden und deine Schulden werden beglichen. Genau das biete ich dir an, zusammen mit einem ständigen Security-Team für deinen Bruder und seine Familie. Solange du bei mir bleibst, wird ihm niemand Schaden zufügen können, um so an dich heranzukommen.”
Aurelias Lippe bebte, ihre Hände zitterten leicht, als sie das Telefon auf dem Sofa ablegte.
“Werde ich meinen Bruder sprechen können?” fragte sie.
“Wir können ihn für einen Besuch herholen. Wenn dein Vertrag vorbei ist, kannst du dir in seiner Nähe ein Haus kaufen, wenn du möchtest.”
Aurelia entzog sich seiner Berührung und presste den Handrücken an ihr Auge. Sie fuhr mit den Händen über ihre von der Reise zerdrückten Haare, atmete tief ein und machte den Rücken gerade. Fast musste Lucas lächeln, als er beobachtete, wie sie ihre Haltung ausrichtete, um eine Entscheidung zu treffen.
Sie blickte ihm in die Augen, dann reichte sie ihm die Hand.
“Einverstanden,” sprach sie mit gestählter Stimme.
Lucas nahm ihre Hand, er schätzte ihren festen Griff. Die Berührung ließ seinen Wolf hervorkommen, der sich überaus für die atemberaubende Frau interessierte.
“Wenn das so ist,” sprach er. Er ließ ihre Hand los, beugte sich vor und atmete ihren Duft ein. Er konnte ihre Wölfin spüren, ihre wachsende Aufgeregtheit und Unruhe, das Flattern ihres Herzschlags in seiner Nähe.
Seufzend atmete er aus.
“Ich muss zugeben, mein Wolf steht auf dich,” sprach er mit einem Grinsen.
Aurelia schenkte ihm ein unsicheres Lächeln und Lucas wurde klar, dass sie überwältigt und müde war.
“Na schön. Wir werden Folgendes tun,” sprach er und übernahm wieder die Kontrolle. “Ich werde dir dein Zimmer zeigen und deinen Koffer bringen. Ich werde dir Essen und den Vertrag bringen. Du kannst schlafen oder ein Bad nehmen. Was immer du willst. Du kannst dir das Kleingedruckte ansehen und mir alle nötigen Fragen stellen …” Er verstummte und winkte mit der Hand.
“Okay,” sprach Aurelia. Sie war sichtlich ermüdet.
“Dann werde ich dich zu unseren Suiten führen.” Er stand auf und reichte ihr die Hand. Sie nahm sie und er zog sie auf die Füße hoch. Statt wieder loszulassen, verschränkte er die Finger in ihre und führte sie zum hinteren Ende des Hauses.
Er führte sie nach oben bis zum Abschnitt, wo zwei Flure waren.
“Du und ich sind auf dieser Seite,” erklärte er ihr. “Mein Zimmer ist ganz am Ende. Zwischen unseren Schlafzimmern gibt es große Bäder und Wohnzimmer, alles miteinander verbunden. Die erste Tür ist für dich.”
Er hielt inne und hob ihre Hand an seine Lippen. Er verpasste ihr einen flüchtigen Kuss.
“Ich verabschiede mich. Dein Gepäck wird in Kürze in deinem Wohnzimmer stehen,” sprach er.
“Ich – ich weiß nicht, wie ich mich dafür bedanken soll,” sprach Aurelia und ihr Duft und leichter Akzent wirkten auf ihn wie ein Schlag in die Magengegend.
“Du wirst dir schon etwas einfallen lassen,” neckte Lucas und schüttelte den Kopf. “Ruh dich aus. Ich warte auf dich, wenn du soweit bist.”
Und so ließ er sie an der Tür stehen. Es fiel ihm wirklich schwer, sie ohne einen richtigen Kuss zu verlassen, aber Lucas war lange genug in der Geschäftswelt unterwegs, um zu wissen, wann es besser war abzuwarten. Er wollte Aurelia, aber mehr noch wollte er, dass sie zu ihm kam. Jetzt musste er einfach nur warten … vielleicht würde er rausgehen und laufen oder im Pool ein paar Runden ziehen. Als ob das seine Lust auf Aurelia dämpfen würde.
Lucas musste schmunzeln, als er wieder nach unten ging.
3
Aurelia war schlichtweg verblüfft. Nachdem Lucas sie vor ihrem neuen Schlafzimmer abgeliefert hatte, hatte sie die Tür aufgemacht und fast den Verstand verloren. Der Raum war phänomenal, die untere Hälfte der Wände war mit cremefarbenen Täfelungen verziert, die mit weißen Ästen bedruckt waren, die obere Hälfte war mit einem zarten Kirschblütenmuster bedeckt. Der Fußboden war anders als der vom Rest des Hauses, er war aus leicht polierter Eiche. Ein massives weißes Himmelbett dominierte die Mitte des Raums und war mit weißen und pastellfarbenen Vorhängen geschmückt. An der Seite standen ein passender Schminktisch und Schrank, ein prächtiger Eichenholzschreibtisch nahm die mittlere Wand ein und die verbleibende Wand bestand fast gänzlich aus Fenstern, die sorgfältig mit durchscheinenden weißen Vorhängen verhangen waren.
Eine ganze Minute lang stand Aurelia einfach nur in der Tür und bekam den Mund nicht mehr zu. Selbst wenn sie aus hunderten Einrichtungsmagazinen eine Collage geschnipselt hätte, hätte sie niemals so perfekt ihren Geschmack treffen können wie dieses Zimmer.
Sie trat ein und machte sowohl die Tür als auch ihren Mund wieder zu, dann bewunderte sie die Details. Auf dem Schreibtisch stand eine Schreibmaschine, komplett mit einem weißen Blatt Papier, das auf ihre Worte wartete. Orchideen und Kirschblüten zierten den Schminktisch. Ein cremefarbener Liegestuhl am Fenster. Ein Nachttisch mit Wasserflaschen, die in einem silbernen Champagnereimer gekühlt wurden; als sie näher trat, bemerkte sie, dass es sich um ihre Lieblingsmarke handelte.
Sie machte den Schrank auf und sah, dass er mit allen erdenklichen Kleidungsstücken gefüllt war. Der Schminktisch hatte einige ihrer bevorzugten Make-up-Produkte, ihr Lieblingsparfum …
Sie erstarrte, als sie den Schminktisch genauer unter die Lupe nahm und zupfte eine verblasste Karteikarte vom Rand des Spiegels. Sie brauchte den Text nicht zu lesen, denn sie wusste, was darauf geschrieben stand.
“Du bist wunderschön, wunderschön!” war in ihrer kurvigen Teenie-Handschrift darauf gekritzelt.
Wo zum Teufel hatte Lucas etwas aus ihrem Zimmer bei ihrer Lieblingspflegefamilie von vor über zehn Jahren aufgetrieben?
Aurelia steckte vorsichtig die Karte wieder zurück und ging zum Bett. Sie kletterte drauf und ließ sich mit dem Gesicht nach unten auf die Decke fallen.
Dutzende, nein Millionen verschiedener Gefühle rauschten ihr durch den Kopf. Anspannung,