Konrads Reich ist ausführlich durch Münzen wie auch durch kirchliche Urkunden bezeugt. In Lugdunum wurde eine Bronze-Münze mit der Aufschrift CONRADUS geprägt. Konrad gründete 960 die Abtei Montmajour in Frigolet in der Nähe von Avignon und im Zeitraum bis 99363 das Kloster Darentasia (Tarentaise in Savoyen), dessen heutiger Name Moûtiers eine verballhornte Form von monasterium ist. Er war mit einer westfränkischen Prinzessin verheiratet, doch seine Herrschaft war in politischer Hinsicht zum einen durch ein feindseliges Verhältnis zu den Hugoniden geprägt, die danach strebten, das Abkommen von 933 rückgängig zu machen, und zum anderen durch eine dauerhafte deutsche Vormundschaft. Konrad war ein Mündel des kaiserlichen Hofes gewesen, und seine Schwester Adelheid wurde die zweite Gemahlin Ottos des Großen. Sie war eine großzügige Wohltäterin und wurde später heilig gesprochen. Adelheid spielte eine wichtige Rolle als Regentin (reg. 983–994) während der Minderjährigkeit ihres Sohnes. Dessen späteres Leben stand im Übrigen im Schatten der mit der Jahrtausendwende verbundenen Befürchtungen über das Weltende. »Das 10. Jahrhundert war die Eisenzeit der Welt; das Schlimmste war eingetreten, und nun sollte der Tag des Gerichts und der Abrechnung kommen.«64 Seuchen und Hungersnöte kündigten die Katastrophe an, die nie eintrat. Einige Historiker vermitteln andere Eindrücke. »Das milde Klima des Südens … brachte die ersten Früchte der Ritterlichkeit hervor und die dazugehörigen Lieder«, schrieb enthusiastisch ein Forscher im 19. Jahrhundert. »Während des größten Teils des 10. Jahrhunderts, als Nordfrankreich von inneren Unruhen erschüttert wurde, erfreuten sich die Provence und die nichtfranzösischen Teile des historischen Burgund einer Phase der Ruhe unter der maßvollen Herrschaft von Konrad dem Friedfertigen.«65
Konrads Sohn Rudolf III. war ebenfalls von deutscher Unterstützung abhängig. Als der Adel rebellierte, wurde er von einer deutschen Streitmacht gerettet, die Adelheid entsandt hatte, denn das Königreich der beiden Burgund verfügte über keine starke Zentralgewalt. Der König saß in Arles und war damit weit entfernt von den Regionen im Inland, die er im Griff zu behalten suchte. Grafen, Bischöfe und Städte beharrten auf der Herrschaft über ihre Gebiete. Doch zugleich erwies sich die Dezentralisierung auch als vorteilhaft. Das Gemeinwesen konnte nicht durch einen Schlag gegen das Zentrum ausgelöscht werden; es konnte nur langsam, Schritt für Schritt, zerlegt werden. Das war schließlich auch das Schicksal des Königreichs Arelat. Es bestand weiter, wenn auch in fragilem Zustand, nachdem die meisten seiner wichtigsten Teile schon lange abgefallen waren.
Fairerweise sollten die Historiker aber auch all jene kleinen Herrscher und Staatsgebilde erwähnen, die neben der königlichen Autorität Fuß fassen konnten. So übernahm beispielsweise in Hochburgund der Bischof von Genf nicht nur die Herrschaft über die Stadt, sondern auch über das Gebiet um den See. Daher verlegte der Comitatus (der Graf der Genfer Region) seinen Sitz in das benachbarte Eneci (Annec), wo vom 10. bis zum Ende des 14. Jahrhunderts eine Dynastie aus 21 Grafen regierte. Ähnliches ereignete sich in Lyon. Die Bischöfe von Lyon, die das Amt des Primas von Gallien beanspruchten, waren in fränkischer Zeit zu Erzbischöfen erhoben worden und herrschten bereits unangefochten über die Stadt, als das Königreich Arelat entstand. Daraufhin zog der Graf von Lyon in den benachbarten Bezirk Forez um, wo er von seiner Festung in Montbrison aus einen endlosen Kleinkrieg mit den Erzbischöfen führen konnte.
Im Norden von Hochburgund genossen die »Pfalzgrafen von Burgund« besondere Privilegien, weil sie die Grenzregion gegen die Deutschen im Elsass und in Schwaben schützten. Ihr Hauptsitz befand sich in Vesontio (Besançon), wo Otto-Wilhelm von Burgund (986–1026) eine Linie aus 36 Grafen begründete, die sich bis ins 17. Jahrhundert halten konnte. In der Grafschaft Vienne errichteten die Grafen von Albon einen Stützpunkt, von dem aus Guignes d’Albon (gest. 1030) ein kleines Reich schuf, das sich bis zum Mont Cenis erstreckte. Einer seiner Nachfahren nahm einen Delfin in sein Wappen. Dessen Nachfolger wurden daher als delfini bezeichnet und ihr Machtgebiet als Delfinat oder als Dauphiné.
In Niederburgund bildete sich im Rhône-Tal, im Valentinois, in Orange in der Comtat Venaissin eine Reihe von weitgehend selbstständigen Grafschaften. Am mächtigsten wurden jedoch die Erben von Graf Boso. Von den drei Linien der Bosoniden endete eine mit Hugo von Arles (siehe oben); eine andere brachte die »Grafen der Provence« hervor, die in Ais (Aix-en-Provence) residierten; die dritte begründete die Grafschaft von Furcalquier in den Bergen. Die Grafen der Provence setzten sich im südlichen Teil des Königreiches nahezu vollständig durch; lediglich die ungebärdigen Herren von Baux (Les Beaux) trotzten mit ihrer uneinnehmbaren Festung und ihrem unbezwingbaren Willen allen Unterwerfungsversuchen.
Diese Zersplitterung der Macht schwächte das Königreich Arelat, und Arles war schließlich nur noch eine nominelle Hauptstadt. Zwischen dem 10. und dem 12. Jahrhundert fanden hier keine Königskrönungen mehr statt. Das prachtvolle römische Amphitheater wurde in eine Burg umgewandelt, und in der Arena wurden verschiedene Schutzbauten errichtet. Davor stand die Bischofskirche St. Trophine und wartete auf bessere Zeiten. Rudolf III. versuchte sich unter diesen stetig verschlechternden Bedingungen zu behaupten. Die Chronisten versahen ihn mit den Beinamen »der Faule« (»le Fainéant«) und »der Fromme«, woraus sich »heiliger Faulenzer« ergab. Die größten Sorgen bereiteten ihm die Aufsässigkeiten der Pfalzgrafen aus dem Norden, gegen die er den deutschen König Heinrich II. zu Hilfe rief. Heinrich verlangte dafür – wie zu dieser Zeit auch vom Normannenherzog Wilhelm – das Versprechen, ihn als alleinigen Thronerben einzusetzen. Rudolf war kinderlos geblieben und sein Erbe hätte sonst wahrscheinlich sein Neffe Odo II. von der Champagne beansprucht, einer der schreckenerregendsten Krieger in dieser schreckenerregenden Zeit. Doch Heinrich (reg. 1014–1024) starb schließlich vor Rudolf. Dennoch geriet das Versprechen nicht in Vergessenheit.
Im Jahr 1032 spitzte sich die Situation zu. Wie erwartet, starb Rudolf ohne unmittelbare Nachkommen. Wie erwartet, begannen unverzüglich Odo von der Champagne und Heinrichs Nachfolger, Kaiser Konrad II., um den Thron des Königreiches Arelat zu kämpfen. Der Kaiser setzte sich durch, denn Odos Anspruch wurde von dessen Lehnsherrn, dem König von Frankreich, zurückgewiesen. So ging das »Reich der beiden Burgund« friedlich und unter internationaler Anerkennung in den Besitz der deutschen Kaiser über. Es blieb ein Reichsgut mit formeller Selbstständigkeit innerhalb des Heiligen Römischen Reiches, bis mehr als sechs Jahrhunderte später der letzte Rest an Frankreich fiel.
Das Heilige Römische Reich Deutscher Nations war ein komplexer politischer Organismus. In seiner Spätphase umfasste es, wie manche sagten, mehr Fürstentümer, als das Jahr Tage hat. Doch nach 1032 bestand es im Kern aus drei Gebieten, dem Königreich Deutschland (Regnum Teutonicum), dem Königreich Italien (Regnum Italiae) und dem Königreich Burgund (Regnum Burgundiae) – das »Königreich Arelat«, das nach der Eingliederung in »Königreich Burgund« umbenannt wurde. Nun gab es nur noch zwei burgundische Reiche: das abhängige Herzogtum innerhalb Frankreichs und das abhängige Königreich innerhalb des Heiligen Römischen Reiches. Sollte man Letzteres als ein neues Staatswesen einstufen oder nicht? Bryce verneinte dies und behandelte es als schlichte Fortsetzung des Königreichs Arelat. Doch die gegenteiligen Argumente erscheinen überzeugender. Das politische Umfeld hatte sich grundlegend gewandelt, und auch die territoriale Basis sollte sich verändern. Nach 1032 erlebte das Reichsgut Burgund weitere Transformationen. Es wird hier als das siebte burgundische Reich eingeordnet.
In den folgenden drei Jahrhunderten bemühte sich