Treasure Love. Sandra Pollmeier. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sandra Pollmeier
Издательство: Bookwire
Серия: Treasure Hunt
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783968160009
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meine Fingerspitzen, dann stellte er sich auf, verbeugte sich altmodisch vor meinem Platz und bat höflich um einen Tanz.

      Im Walzerschritt ließ ich mich von ihm führen. Herum, herum, herum,… Die Welt drehte sich um mich, und jetzt, wo ich mich bewegte, begann ich auch den Wein zu spüren, der meine Sinne betäubte. Vielleicht sollte es so sein. Vielleicht hatte ich diesen radikalen Bruch gebraucht, um von Ben loszukommen. Ben, Ben, Ben…? Hatte ich ihn eigentlich je richtig gekannt? Oder hatte ich nur all meine jugendlichen, mädchenhaften Sehnsüchte auf ihn projiziert, weil ich so sehr jemanden gebraucht hatte, den ich anhimmeln konnte?

      Es war nicht mehr wichtig.

      Der Abend verflog mit sanften Orchesterklängen, Champagner und Kaviarhäppchen und endete mit einer weihnachtlichen Lichtershow auf der Dachterrasse, die ihresgleichen suchen musste. Noah hielt mich fest in seinen Armen und seine Augen leuchteten, als er mich schließlich zu unserer Suite führte. Als er aufschloss, stockte mir der Atem. Sie war noch viel schöner, als ich es mir vorgestellt hatte: Ein mindestens 40 qm großes Appartement eröffnete sich uns, bestehend aus zwei hohen Räumen, die durch einen Wanddurchbruch miteinander verbunden waren. Rechts lag der Wohnraum mit ausladenden, antik anmutenden Ledersesseln, Couchtisch, Minibar und atemberaubendem Blick über die Alster; links befand sich das Schlafzimmer mit King-Size-Bett, Kronleuchter und Brokatvorhängen vor dem Fenster. Auf dem Sekretär aus Mahagoniholz stand ein mit Eis und einer Flasche Champagner befüllter Sektkühler. Doch trotz meines nicht gerade niedrigen Alkoholpegels fühlte ich mich mit einem Schlag wieder erschreckend klar und während eines Sekundenbruchteils wusste ich plötzlich ganz genau, was ich jetzt tun musste: ich musste hier weg!

      „Endlich“, flüsterte Noah in mein rechtes Ohr, während er hinter mich trat und mir eine lose Haarsträhne aus dem Nacken strich. Seine Hände streiften meine Schultern und fuhren an meinen Armen herunter bis zu meinen Hüften. Dort hielt er mich fest und zog mich eng an sich heran. Oh Gott, ich musste etwas tun. Jetzt. Sofort. Sonst war es zu spät.

      „Ich muss mal eben ins Bad“, log ich und entschlüpfte Noahs Umarmung, ehe sie zu fordernd wurde. Mit einem Lächeln auf den Lippen hob er seine Hände entschuldigend in die Höhe und ließ mich an sich vorbeigehen. „Ich warte auf dich“, raunte er mir hinterher und ließ sich auf der Bettkante nieder, zog die Fliege von seinem Hals und lockerte seinen Kragen.

      Das Bad war perfekt, genauso wie der Rest der Luxussuite. Dunkler Marmor, riesige Badewanne, Doppel-Waschbecken mit Designer-Wasserhahn. Alles vom Feinsten. Ich drehte den Kran auf, klatschte mir etwas Waser ins Gesicht und starrte in den Spiegel. Was nun? Hier im Bad war ich gefangen. Kein Fenster, keine zweite Tür. Er würde es sofort bemerken, wenn ich das Zimmer verließ. Ich musste mir schnell etwas anderes überlegen. Mein Blick fiel auf die dicken bordeauxroten Badetücher über dem Spiegel. Vielleicht wäre das meine Chance? Während ich die Badewanne volllaufen ließ, raffte ich mein Kleid hoch und wickelte mich in das Badetuch ein, bis es so aussah, als hätte ich das Kleid bereits ausgezogen. Dann drapierte ich mit einem Handtuch einen Turban über meine noch hochgesteckten Haare, atmete tief durch, öffnete die Tür einen Spalt breit und lugte vorsichtig hindurch. Noah saß noch immer auf der Bettkante und lächelte verführerisch, als ich zu ihm herüberblickte. „Na, soll ich dir beim Baden helfen?“, fragte er mit anzüglichem Unterton und stand auf, um zu mir zu kommen. Schnell zog ich die Tür etwas enger zu.

      „Noah, es tut mir ganz schrecklich leid, aber mir fällt ein, dass ich meine Handtasche unten im Saal habe liegen lassen. Da ist etwas drin, das ich dringend brauche. Wärest du so lieb und gehst sie holen?“

      An Noahs etwas enttäuschtem Blick konnte ich gut erkennen, dass er sich etwas anderes erhofft hatte. Aber ganz Gentleman, der er nun einmal war, schenkte er mir ein freundliches Lächeln und schloss den Kragen seines geöffneten Hemdes. „Natürlich mache ich das, Sofia. Bleib, wo du bist, ich bin in fünf Minuten wieder hier.“

      Er verschwand auf den Flur hinaus, die Tür fiel mit einem leisen „Klack“ ins Schloss. Bleib, wo du bist! Als ob er es ahnen würde. Hastig entfernte ich das Badetuch und das Handtuch von meinen Haaren und schlüpfte zurück in meine Schuhe. Noah hatte gesagt, er hätte neutrale Kleidung für mich mitgenommen, doch es blieb mir keine Zeit mehr, mich umzuziehen. Also schnappte ich mir meine hellgraue Strickjacke aus dem Schrank und eilte aus dem Zimmer. Auf dem Flur angekommen, suchte ich den Notausgang über das Treppenhaus, denn ich wollte es vermeiden, am Aufzug meinem erstaunten Freund in die Arme zu laufen. Als ich die Stufen der Treppe nach unten rannte, verfluchte ich die schicken High Heels, die ich mir extra für diesen Abend zugelegt hatte. Warum hatte ich mir nicht wenigstens so viel Zeit genommen, meine Sneaker zu suchen, die Noah sicherlich auch für mich eingesteckt hatte? Scheiße! Auf halber Strecke vom fünften Stock abwärts blieb ich stehen und zog meine Schuhe aus, um schneller voranzukommen. Als ich endlich dne Eingangsbereich erreichte, drosselte ich mein Tempo und ging betont ruhig und barfuß, mit meinen Pumps in der Hand, am verwunderten Concierge vorbei. Draußen hatte es erneut begonnen zu schneien, eine eisige Kälte schlug mir entgegen. Es nutzte nichts, die Schuhe mussten wieder an die Füße. Ungelenk hielt ich mich an der Eingangstür fest, während ich mich in meine wackeligen High Heels zwängte, und der vorhin noch unentschlossene Concierge sprang mir sogleich zur Hilfe.

      „Madame, wollen Sie wirklich so nach draußen gehen?“, fragte er mich unsicher, während er meinen Arm stützte. „Heute Nacht soll es Minusgrade geben und der Schneefall wird immer stärker. Kann ich Ihnen ein Taxi rufen?“

      „Nein danke.“ Ich schenkte ihm ein verlegenes Lächeln. Sicher musste er von mir denken, dass ich total betrunken war, womit er auch nicht ganz falsch lag, aber das spielte jetzt auch keine Rolle mehr. Natürlich wäre es intelligent gewesen, wenn ich wenigstens meine Handtasche, die natürlich nicht im Ballsaal, sondern auf der Couch in unserer Suite lag, mitgenommen hätte. Ich konnte kein Taxi nehmen. Mein Portemonnaie mit all meinen Kreditkarten, meinem Ausweis und sogar mein Handy waren unerreichbar für mich.

      „Ich muss nicht weit gehen, alles gut“, beruhigte ich den besorgten Hotelangestellten. „Vielen Dank für Ihre Hilfe.“

      Und so stakste ich vorsichtig die Treppe herunter, zog meine dünne Strickjacke fest um meinen Körper und stürzte mich ins Schneegestöber.

      Das Hyatt Park Hotel war nur wenige Straßenzüge vom Atlantik entfernt, aber der Weg erschien mir unendlich lang. Der Schnee durchnässte meine Haare und meine dünne Kleidung, meine Schuhe rutschten ständig unter mir weg, denn zum Wandern längerer Strecken bei Eisglätte waren sie nun wirklich nicht geeignet. Inzwischen musste es mindestens ein Uhr nachts sein, und auch in einer Stadt wie Hamburg wagten sich um diese Zeit und bei einem derartigen Wetter nicht mehr viele Menschen auf die Straßen. In einem Kellereingang saß in Decken gehüllt ein Penner. Er hielt eine Flasche Ouzo in den mit Handschuhen bedeckten Händen und sah mich an, als hätte er soeben das Christkind vorbeihuschen sehen. Sein altersschwacher Mischlingshund stand auf, lief zu mir, schnupperte an meinen gefrorenen, tauben Fingern und drehte schließlich wieder um, um zu seinem Herrchen zurückzukehren. Ich stapfte weiter, an dunklen Hauseingängen und zwielichtigen Hinterhöfen vorbei, immer weiter, Schritt für Schritt. Um mich vom Klappern meiner Zähne abzulenken, summte ich alte Kinderlieder vor mich hin. Dabei biss ich meine Zähne so fest zusammen, dass sich mein Kiefer verkrampfte. Schritt für Schritt arbeitete ich mich vor durch den kalten Matsch unter meinen Füßen, den Blick nach unten gerichtet, die Arme fest vor meinem Körper verschränkt. An eine Mauer gelehnt zündete sich ein blutjunges Mädchen, das offenbar dem horizontalen Gewerbe nachging, eine Zigarette an. Sie trug eine billige Kunstfelljacke, Minirock und Overknee-Stiefel über schwarzen Netzstrümpfen. Die Wimperntusche unter ihren Augen war verlaufen, die blond gefärbten Haare nass vom Schnee. Am liebsten hätte ich einen großen Bogen um sie gemacht, doch das ließen meine tauben Füße schon längst nicht mehr zu.

      „Mann, siehst du Scheiße aus.“ Sie lachte trocken, als ich ungefähr auf ihrer Höhe war. „Wer immer dich losgeschickt hat, hat noch weniger Anstand als Johnny, der Arsch. Magst du eine zum Warmwerden?“

      Mit einem schiefen Grinsen hielt sie mir eine Packung Zigaretten unter die Nase. Verlegen hielt ich inne. So eine freundliche Geste hatte ich nicht erwartet und es beschämte mich ein wenig. Und obwohl ich so gut wie noch nie