Treasure Love. Sandra Pollmeier. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sandra Pollmeier
Издательство: Bookwire
Серия: Treasure Hunt
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783968160009
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nimmt er nicht ab. Soll ich ihm eine Nachricht hinterlassen?“

      „Ja… ähm… sagen Sie ihm bitte, er soll mich zurückrufen, wenn Sie ihn sehen. Meine Nummer haben Sie ja jetzt.“

      „Ich werde es ausrichten.“

      „Vielen Dank.“

      Instinktiv wusste ich, dass ich den Nachmittag vergeblich darauf warten würde, dass Ben sich meldete. Ich würde auf ihn warten, mit rasendem Puls und zitternden Händen, und stundenlang aufs Telefon starren und es würde nichts nutzen. Das war wohl mein Schicksal – mein ganzes Leben lang auf etwas zu hoffen, dass doch nie eintreten würde. Vielleicht würde er nicht einmal heute Abend erscheinen. Aber auf der anderen Seite hatte ich ja noch etwas, das er brauchte – unser Stammbuch.

      Schulterzuckend nahm ich das Kleid aus dem Schrank, das ich heute Abend anziehen wollte. Stella hatte es mir geschenkt, weil sie meinte, ich solle bei den alten Herrschaften auf dem Uni-Ball ruhig einmal ein bisschen Aufsehen erregen. Für meinen Geschmack war es etwas zu freizügig und ich hatte es eigentlich gar nicht annehmen wollen, doch jetzt hatte ich mich spontan umentschieden. Sollte Ben ruhig sehen, was ihm in den letzten zweieinhalb Jahren entgangen war! Ich würde ihm zeigen, dass aus mir eine reife, erwachsene Frau geworden war, die mit beiden Beinen im Leben stand. Siegessicher lächelte ich meinem Spiegelbild entgegen. Genau! Erwachsen – emanzipiert – selbstsicher. Kein schutzbedürftiges, unsicheres, unerfahrenes, tollpatschiges 17-jähriges Mädchen mehr… Mit einem entschlossenen Ruck zog ich den Reißverschluss meines kirschroten, rückenfreien, bodenlangen Ballkleids zu. Mist! Das war etwas zu entschlossen gewesen. Irgendwo unterhalb der Taille hatte sich der Reißverschluss im Innenfutter verhakt. Jetzt ging er weder vor noch zurück. Und ausziehen konnte ich das Kleid auch nicht mehr, dafür war es zu eng um die Hüften. Alles Ziehen und Zerren half nichts. Mist! Ich würde das Kleid ruinieren, wenn ich keine andere Lösung fand. Mit einem Fuß in meinen neuen 9-Zentimeter-Absatz-Riemchen-High-Heels und dem anderen in meinem abgetragenen Filzpantoffel humpelte ich in die Küche, um nach irgendeinem Hilfsmittel zu suchen. Kaum dort angekommen, klingelte es an der Haustür. Verdammt! Wer zur Hölle konnte das sein? Stella und Milla – meine andere Mitbewohnerin – waren über die Feiertage nach Hause gefahren und der Postbote hatte schon heute Morgen die letzten Weihnachtskarten vorbeigebracht. Vielleicht doch noch das Päckchen mit den Winterboots, die ich mir vergangene Woche bestellt hatte? Damit ich den Kurier nicht total verschreckte, warf ich mir schnell meine alte Strickjacke über, humpelte zur Wohnungstür und drückte auf den Türöffner.

      „Hallo?“ Verlegen lugte ich durch die Tür und versuchte meinen einen High Heel ungelenk hinter der Wohnungstür zu verstecken. Doch wer da die Treppe hochstapfte, war nicht der Paketbote. Es war Ben.

      „Hi“, begrüßte er mich verlegen und mir schoss sogleich das Blut in die Wangen. „Ich war gerade in der Gegend und… darf ich reinkommen?“

      Damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet. „K-Klar…“, stotterte ich und fuhr mir hilflos mit der rechten Hand durch meine zerzausten, noch nicht frisierten Haare. Das war´s dann wohl mit meinem perfekten Auftritt! Ich humpelte zur Seite und ließ Ben zerknirscht eintreten. Als sein erstaunter Blick an meinem schief sitzenden Ballkleid, der schlabberigen Strickjacke und meiner außergewöhnlichen Fußbekleidung entlangstreifte, wäre ich am liebsten im Boden versunken. „Sag´ nichts!“, stoppte ich ihn, bevor er einen wenig schmeichelhaften Kommentar dazu ablassen konnte.

      „Ähm… ist es denn schon so spät?“, fragte Ben stattdessen. „Ich dachte der Ball beginnt erst um acht.“

      „Ich wollte das Kleid nur nochmal anprobieren… und jetzt sitzt es fest…“, antwortete ich zerknirscht. Warum nur kam mir diese peinliche Situation so seltsam bekannt vor?

      Ich humpelte vor in die Küche und schob Ben einen Stuhl am Esstisch zur Seite. „Setz dich doch. Und – ähm, möchtest du etwas trinken? Vielleicht einen Kaffee?“

      Unglaublich. So lange hatte ich darüber nachgedacht, ob und wie ich ihn eines Tages wiedersehen würde. Irgendwie hatte ich mir das Ganze doch etwas anders vorgestellt.

      Nervös suchte ich im Küchenschrank nach dem Kaffeepulver, verschüttete dabei aber nur eine halb volle Packung Zucker, die mir plötzlich entgegengeflogen kam.

      „Warte“, unterbrach mich Ben mit freundlicher Stimme. „Ist gut, ich brauche nichts zu trinken. Ich wollte nur allein mit dir reden. Es dauert auch nicht lange. Alles gut.“

      Alles gut? Es dauert nicht lange? Das war nicht gut! Man konnte doch nicht zweieinhalb Jahre auf einen Menschen warten, der dann so mir nichts, dir nichts einfach wieder verschwand! Das konnte nicht sein Ernst sein!

      Mühsam hielt ich mich mit beiden Händen am Spülbecken fest und rang um Fassung. Es fiel mir alles andere als leicht, die coole, selbstbewusste Erwachsene zu mimen. Kaum stand mein vermeintlicher Halbbruder neben mir, war ich wieder 17. Unsichere, unerfahrene, schrecklich tollpatschige 17 Jahre alt.

      „Moment. Vielleicht kann ich dir mit dem Kleid helfen. Darf ich mal?“

      Mit einer lockeren Handbewegung streifte Ben die Strickjacke von meinen Schultern und griff vorsichtig von hinten in mein Kleid. Es war nur eine winzige Berührung, nur ein kurzer Ruck und er hatte den Reißverschluss aus dem Innenfutter befreit, doch ich zuckte unwillkürlich zusammen, als seine Finger meinen nackten Rücken streiften. Unfassbar, welche Macht er immer noch über mich hatte!

      Beschämt hielt ich mein Kleid mit einer Hand vor der Brust fest, damit es mir nicht vom Körper rutschte, da es jetzt komplett offen war. Mit der anderen angelte ich ungelenk nach meinem Schuh, um das Riemchen, das mein Fußgelenk umschloss, zu lösen. Als ich ins Straucheln geriet, hielt Ben mich schnell fest und lächelte mir freundlich zu. „Lass mich das machen“, kommentierte er mein Gehampel und bückte sich, um meinen Schuh zu öffnen. Wie der Prinz vor Aschenputtel kniete er nieder und umfasste meinen Fuß, so dass meine Beine zu zittern begannen und ich mich hilflos gegen die Arbeitsfläche der Küchenzeile lehnen musste. „Dummes, dummes, kleines Mädchen!“ schoss es durch meinen Kopf, doch es nutzte nichts, ich spürte, dass ich ihm immer noch genauso verfallen war wie damals.

      Als ich endlich befreit war, kam ich wieder zur Besinnung. „Ähm… ich zieh mich dann mal schnell um.“ Ich räusperte mich mit noch immer heiserem Unterton und huschte rückwärts in mein Zimmer, um mir in Windeseile Jeans und Pulli überzuwerfen.

      „Reiß dich um Gottes Willen zusammen!“, beschwor ich mich, dann atmete ich einmal tief durch, um betont lässig zurück in die Küche zu gehen.

      Da saß er nun, an meinem Küchentisch, und hatte sich mittlerweile selbst ein Glas Wasser eingeschüttet. Sein Blick hatte etwas Angespanntes, Schuldbewusstes an sich. Mit Sicherheit war er nicht gerne zurück nach Hamburg gekommen. Als er mich sah, lächelte er verlegen und schob einen der Küchenstühle für mich an die Seite. „Hey“, sagte er, „Tut mir leid, dass ich dich so überfalle. Ich weiß, das muss merkwürdig sein, mich nach dieser langen Zeit zu sehen. Aber ich verspreche dir, dass ich mich nicht weiter in dein Leben einmischen werde. Es geht nur um diese blöden Dokumente und ich gebe dir mein Wort, danach siehst du mich nie wieder.“

      Als ob mich das beruhigen würde! Dachte er ernsthaft, dass ich froh wäre, ihn nie wieder zu sehen? Dachte er wirklich, dass ich ihn so gehen lassen würde?

      „Ich habe nicht mehr daran geglaubt, dich noch einmal zu sehen“, sagte ich langsam und rang nach den richtigen Worten. „Aber lange Zeit warst du der erste Gedanke, der mir morgens nach dem Aufwachen in den Kopf kam und dann später der letzte, bevor ich endlich einschlafen konnte. Ständig habe ich mich gefragt, wo du wohl bist, ob es dir gut geht, ob du auch noch an mich denkst. Das macht einen auf Dauer echt wahnsinnig. Ich war so verletzt und habe lange gebraucht, um darüber hinwegzukommen, dass du mich einfach im Stich gelassen hast.“

      „Sofia, bitte, ich…“ Ben sah mich gequält an, doch ich wollte nicht, dass er mich unterbrach.

      „Lass mich zu Ende reden!“

      Wieder musste ich mich räuspern, weil mein Hals sich wie zugeschnürt anfühlte. Das Atmen fiel mir immer