Treasure Love. Sandra Pollmeier. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sandra Pollmeier
Издательство: Bookwire
Серия: Treasure Hunt
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783968160009
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sie ihre nassen Kleider zusammenraffte und zurück an den Strand stolperte, dorthin, wo sie ihre Holzschuhe zurückgelassen hatte, sah sie, wie der Reiter das Pferd zügelte, anhielt und in einem weniger rasanten Tempo in ihre Richtung zurückkehrte.

      „Verzeih mir, bitte“, hörte sie eine eigenartig fremd klingende, aber freundliche Stimme, als sie das Wasser aus dem Saum ihres Kleides wrang. „Ich habe dich zu spät gesehen und konnte ihn nicht mehr bremsen. Jetzt bist du völlig durchnässt. Vielleicht kann ich es wiedergutmachen, indem ich dich ein Stück mitnehme? Wo wohnst du?“

      Erstaunt blickte Matilda zu Martin Stevens herauf. Nicht nur, dass er zurückgekommen war, um sich bei einer einfachen Magd zu entschuldigen… Er wollte sie mitnehmen? Auf seinem Pferd? Die Leute aus dem Dorf würden sich ihre Mäuler über sie zerreißen, wenn irgendjemand das mitbekommen sollte! Eine junge, alleinstehende Magd, zusammen auf einem Pferd mit dem Gutshofbesitzer! Eine Ungeheuerlichkeit! Bei dem Gedanken musste sie lächeln. Das Gerede der Leute hatte sie schon immer herzlich wenig gestört und die Versuchung war einfach zu verlockend.

      „Ich habe noch nie auf einem Pferd gesessen. Ich weiß nicht, wie das geht…“, stammelte sie verlegen und wunderte sich erneut, denn nun sah sie auch etwas, das ihr bis dato fremd gewesen war – Martin Stevens lächelte! Es war ein so freundliches und gütiges Lächeln, dass es sie mehr schwanken ließ als der wilde Hengst, der gerade noch an ihr vorbei galoppiert war.

      „Es ist ganz einfach, komm! Ich ziehe dich hoch, du musst nur deinen Fuß in diesen Steigbügel stellen und dich ein wenig hochdrücken…“ Mit einem festen Ruck hatte Stevens sie mühelos nach oben gezogen und Matilda schräg vor seinen Sattel gesetzt. Ganz nah saßen sie beieinander, eine warme Woge durchfuhr sie bis in die Fußspitzen, obwohl der Wind aufgefrischt hatte und durch ihre nassen Kleider fuhr. „Warte“, bat Stevens und zog sogleich seinen Mantel aus, um ihn um ihre schmalen Schultern zu wickeln. Nachdem er sie so eingehüllt hatte, nahm er wieder die Zügel in die Hand, zog Matilda schützend in seine Arme und gab seinem Pferd mit einem schnalzenden Laut zu verstehen, dass es nun lostraben konnte.

      Kreischende Möwen flogen an ihnen vorbei, die Gischt spritzte unter den Hufen des Hengstes, doch Matilda nahm nichts davon wahr. Nichts außer den starken Armen, die sie sicher hielten, den warmen Geruch seines Mantels und die Kanten seiner Schultern, an die sie sich lehnte, während die Welt um sie herum sich veränderte. Denn obwohl alles so aussah wie immer, wurde Matilda an diesem Abend eine Sache bewusst: Ab heute war nichts mehr wie zuvor. Dieser Mann würde ihr Schicksal sein. Ein Schicksal, das besiegelt worden war in dem Moment, in dem sie seine Hand genommen hatte, um sich von ihm nach oben ziehen zu lassen…

      4

      Es duftete nach Kaffee. Der Geruch hatte mich aus meinen Träumen zurückgeholt.

      Es waren verwirrende, bedrohliche, aber auch eigenartig erotische Träume gewesen. Von Liebe und Begehren und Tod und Bedauern. Als ob alles eins war, ein ewiger Kreis, der sich öffnete und schloss und von Neuem begann. Ich hatte mich auf eine Reise begeben, weit entfernt, durch Zeit und Kontinente. Hatte Emotionen gefühlt, die nicht meine eigenen waren und doch ein Teil von mir zu sein schienen – Glück und Ekstase und Schmerz und Verlust. So viel Verlust. Und jedes Mal blitzten Erinnerungen auf, stark und verschlingend, die doch nicht meine eigenen waren: Ich ertrank. Immer wieder und wieder füllte das Wasser meine Lungen, bis mein zuckender, sich windender Körper die Kraft verlor und alles schwarz wurde – nur um sich erneut zu erheben. Oder ich brannte. Ich brannte, bis meine Haut in Flammen aufging, bis Rauch meine Sinne betäubte, bis der Schmerz mich in den Wahnsinn trieb. Und dann wieder Stille. Frieden. Erwachen. Bis die Sonne mich weckte und das Schicksal erneut seinen Lauf nahm. Auf ewig.

      „Hey“, hörte ich seine Stimme neben mir. Sie war sanft und warm und rau. All das in einem einzigen Wort. Benommen drehte ich mich zur Seite. Sein Gesicht war ganz nah.

      „Wie geht es dir?“

      Langsam, wie tropfender Honig, kamen meine Erinnerungen zurück. Meine Flucht durch den Schnee. Der arrogante Hotelangestellte… An mehr konnte ich mich nicht erinnern.

      Ich wollte nicht reden. Diesen Moment nicht zerstören. Vorsichtig rutschte ich zu ihm herüber und vergrub mein Gesicht an seiner Schulter. Wie warm er war. Und wie gut er roch. Ich atmete tief ein und schloss meine Augen. Seine Hand fuhr über meine Schulter, über meinen Rücken bis zu meinen Hüften. Es war so schön, dass ich hätte in dieser Umarmung sterben können.

      „Was hast du dir nur dabei gedacht, Sofia?“, fragte die Stimme jetzt etwas tadelnd. Vorsichtig öffnete ich die Augen.

      „So konnte ich dich doch nicht gehen lassen“, flüsterte ich schuldbewusst. „Vielleicht hätten wir uns nie wiedergesehen. Das ginge einfach nicht. Das hätte ich nicht ausgehalten…“

      „Du bist so dumm“, flüsterte er jetzt wenig charmant. „Ich sage dir, ich werde heiraten und du lässt alles stehen und liegen und läufst mir mitten in der Nacht hinterher. Was versprichst du dir denn davon?“

      Es fiel mir unendlich schwer, doch ich setzte mich auf. Willkommen zurück in der Realität. Verwundert stellte ich fest, dass ich anstatt meines Abendkleids nur ein weißes, viel zu großes T-Shirt trug.

      „Ja“, sagte ich und rang mit den Worten. „Das hast du gesagt. Aber du hast mir nicht erklärt, wie es dazu gekommen ist. Das möchte ich wissen. Das bist du mir schuldig, Ben.“

      Er setzte sich ebenfalls auf. Vorbei mit der vertrauten Atmosphäre. „Was willst du wissen? Ändert das irgendetwas?“

      „Liebst du sie?“

      Die Pause, die entstand, sagte mehr als tausend Worte.

      „Darum geht es nicht.“

      „Worum denn dann?“

      „Sie ist schwanger von mir, verdammt!“

      Ich atmete tief ein. „Wir sind nicht mehr im vorletzten Jahrhundert. Du kannst für das Kind sorgen, ohne sie gleich zu heiraten. Das ist heutzutage kein Thema mehr.“

      „Ich weiß“, antwortete Ben und seine Stimme klang gequält und resigniert. „Aber so ist es nun mal. Ich habe gesagt, ich heirate sie und das werde ich auch tun. Man muss zu den Dingen stehen, die man getan hat.“ Er blickte nach unten und seine Miene verfinsterte sich.

      „Und ich?“, fragte ich leise. „Sag mir ins Gesicht, dass es vorbei ist, und ich werde dich nie wieder belästigen. Sag mir, dass ich dir egal bin!“

      Ben schwieg. Das war mir Bestätigung genug.

      „Seitdem du fort bist, ist kein einziger Tag vergangen, an dem ich nicht an dich gedacht habe, Ben. Weißt du noch, wie du gesagt hast, wir fahren ganz weit weg und fangen irgendwo ein neues Leben an? Ich komme mit dir, egal wohin. Schick mich nicht wieder fort, bitte.“

      Es war mir bewusst, dass es sehr unterwürfig wirken musste, so um Bens Zuneigung zu bitten, aber es war mir egal. Wenn dies meine allerletzte Chance war, so musste ich sie nutzen. Er musste doch einsehen, dass wir zusammengehörten! Verzweifelt griff ich nach seiner Hand, doch noch ehe ich mich versah, entzog er sie mir und stand abrupt auf.

      „Als du geschlafen hast, habe ich deinen Freund Noah angerufen. Er hat sich große Sorgen um dich gemacht, weil du einfach so weggelaufen bist. Wir haben vereinbart, dass er dich um zehn hier abholt und nach Hause bringt. Das ist in einer halben Stunde. Er bringt dir auch etwas Passendes zum Anziehen mit.“

      Oh Gott, das hatte er doch nicht wirklich getan! Wie konnte Ben mich so bloßstellen, mir so in den Rücken fallen? Entsetzt starrte ich ihn an, doch er wich meinem Blick aus und ging stattdessen zum Schreibtisch, um mir eine Tasse Kaffee neben das Bett zu stellen. „Was sollte ich denn tun? Du kommst hier an, ohne Geld, ohne Handy, ohne Wohnungsschlüssel! Vollkommen kopflos, aber so kenne ich dich ja schon! Denkst du, nur weil du mir sagst, dass du noch immer an mich denkst, schmeiße ich alles hin und brenne mit dir durch? So funktioniert das Leben nicht, Sofia! Werd doch endlich mal erwachsen! Nicht all unsere Wünsche erfüllen sich.“

      Jetzt