Treasure Love. Sandra Pollmeier. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sandra Pollmeier
Издательство: Bookwire
Серия: Treasure Hunt
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783968160009
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zuschlagen. Dann war alles still und ich war allein. Waren es Sekunden oder Minuten, in denen ich einfach nur so dastand? In meinem Kopf breitete sich ein absolutes Nichts aus. Keine Panik, keine Bestürzung, keine Wut. Einfach nichts. Mein Körper fühlte sich taub an, fast so, als gehörte er mir nicht mehr. Nur mein Herz raste. Es raste wie verrückt.

      Erst das Klingeln meines Handys riss mich zurück in die Realität. Mit zitternden Knien stolperte ich in mein Zimmer. Es war eine Nachricht von Noah.

      „Freue mich schon sehr auf heute Abend“, stand dort, abgerundet mit einem lachenden Smiley und einem Herzchen. Mir entfuhr ein tiefer Seufzer. Den armen Noah hatte ich in meinem Gefühlschaos total vergessen. Er hatte es nicht verdient, dass ich ihn so behandelte.

      „Ich freue mich auch“, schrieb ich zurück und schämte mich gleichzeitig für diese Lüge, denn es gab in diesem Moment nichts, was ich weniger tun wollte, als auf diesen blöden Ball zu gehen. Zu lächeln, zu tanzen und geistreiche Konversation zu betreiben, während meine Welt in Schutt und Asche lag. Ben würde heiraten! Und noch schlimmer – seine Freundin erwartete ein Kind von ihm! Alles vorbei, für immer und ewig… etwas noch Schrecklicheres hätte er mir nicht sagen können. Alle Hoffnungen, alle dummen, pubertären Träume für immer und ewig zerstört – mit einem einzigen Satz.

      Ich spürte, wie sich mein Magen zusammenkrampfte, und schaffte es noch so eben zur Toilette, bevor ich mich übergeben musste. Als ich mich endlich völlig entkräftet zum Waschbecken schleppte, erschrak ich geradezu vor meinem bleichen, elenden Spiegelbild. Doch während ich mir das kühle, wohltuende Wasser über mein Gesicht laufen ließ, kam zu meinem Schock und meiner Enttäuschung noch ein anderes Gefühl hinzu. Eine riesengroße Welle der Wut.

      Wie konnte er nur! Was bildete er sich ein? Erst küsste er mich und dann erzählte er mir von seiner schwangeren Verlobten? Hatte er gar keinen Anstand? Und dann verschwand er einfach wieder, so schnell, wie er gekommen war. Einfach Tür zu und weg. Feige. Rücksichtslos.

      Ich hasste ihn!

      3

      „Du siehst absolut hinreißend aus.“

      Noah sah mich voller Bewunderung an. Hinreißend. Das war ja mal ein geschwollenes Wort. Wenn er mein Inneres hätte sehen können, hätte er wohl eher elendig gesagt. Aber allem Anschein nach konnten mein perfekt sitzendes rotes Kleid und mein eigens von einer Kosmetikerin aufgetragenes Make-Up über diese Tatsache hinwegtäuschen. Die hatte mich wegen meiner geschwollenen, verheulten Augen zwar sehr mitleidig angesehen, jedoch zu diesem Thema professionell geschwiegen und dann ganze Arbeit geleistet.

      Der Concierge des geschichtsträchtigen Atlantik-Hotels an der Hamburger Außen-Alster geleitete uns durch das immer noch andauernde Schneetreiben mit einem großen Regenschirm über den roten Teppich in das prunkvolle Gebäude. Am Eingang des Festsaals drängte sich bereits eine Traube edel gekleideter Menschen zusammen, allesamt Mitglieder der oberen Hamburger Bildungs- und Einkommensschicht. Eine freundlich lächelnde Bedienung reichte uns Champagner auf einem Silbertablett und ich geriet in ehrfürchtige Bewunderung, als wir den zirka 8 Meter hohen, Stuck verzierten und mit prachtvollen Kronleuchtern behangenen Ballsaal betraten, in dem die ganz in Weiß und Silber eingedeckten Tische auf die Gäste warteten. Überall brannten Kerzen und es duftete nach den üppigen Rosenbouquets, die den Saal schmückten. Das gesamte Szenario erinnerte an eine Sequenz aus einem Märchenfilm, und ich erwartete beinahe, Aschenbrödel an mir vorbeihuschen zu sehen, wie sie mit ihrem Prinzen im Walzerschritt tanzte.

      Wir setzten uns auf die extra für uns reservierten Plätze, und während ein Dutzend gleich gekleideter Kellner das sündhaft teuer aussehende Entrée zu Tisch reichte, stimmte ein dezentes Streichorchester sanfte Melodien von Mozart an. An jedem anderen Tag hätte ich diese überwältigenden Eindrücke geradezu in mich aufgesogen, aber heute bewirkten sie nur, dass ich mich noch trauriger und deplatzierter fühlte.

      „Schade, dass dein Bruder uns doch nicht begleiten konnte“, durchbrach Noah mein langes Schweigen. Vermutlich war es ihm nicht entgangen, dass ich mit meinen Gedanken gerade ganz woanders war.

      „Egal.“ Ich schenkte Noah ein halbherziges Lächeln und zuckte bedauernd mit den Schultern. „So kenne ich Ben halt. Ihn hält es nie lange an einem Ort. Hätte mich gewundert, wenn es anders gelaufen wäre.“ Während ich einen weiteren tiefen Schluck aus meinem Weißweinglas nahm, zog Noah einen Umschlag aus seinem Smoking.

      „Tja, ich weiß ja nicht, warum er es so eilig hatte, aber er hat dem Taxifahrer etwas gegeben, das er an mich weitergeleitet hat. Vermutlich ist es dein Stammbuch.“

      Durch das Papier des DIN-A5-Umschlags fühlte ich die Kanten eines Buches. Unglaublich, dass Ben sich noch nicht einmal die Mühe gemacht hatte, es wieder zu mir zurückzubringen. Stattdessen gab er diese wichtigen Unterlagen lieber einem Taxifahrer, der ihn eigentlich nur hatte zum Weihnachtsball abholen sollen.

      Betont uninteressiert ließ ich den Umschlag in meine Handtasche gleiten und fasste stattdessen nach Noahs Hand. „Lass uns nicht mehr von Ben reden. Es ist sehr schön hier und ich freue mich, dass wir diesen besonderen Abend zusammen verbringen dürfen. Danke, dass du mich hierzu eingeladen hast.“

      Klang das zu gestelzt? Zu unehrlich? Aber Noah schien nichts zu bemerken. Stattdessen hob er meine Hand vorsichtig an seine Lippen und hauchte einen galanten Kuss auf meine Fingerspitzen.

      „Weißt du, Sofia, dies ist ein besonderer Abend und ich dachte, dass wir ihn auch besonders ausklingen lassen“, bemerkte Noah, während er mir tief in die Augen sah. „Ich war so frei und habe für heute Nacht eine Suite im Atlantik-Hotel gebucht. Ganz oben, mit Blick über die Alster. Ich würde mich freuen, wenn du nach der Feier dort bei mir bleibst.“

      Oh Gott! Ich hätte es ahnen müssen. Schon seit einigen Wochen hatte Noah so geheimnisvoll getan. Eine Suite im Atlantik mit Blick auf die Alster – das hatte sicher ein kleines Vermögen gekostet. Wie hätte er auch ahnen können, dass ich gerade heute überhaupt nicht in der Stimmung dazu war, mit ihm eine romantische Nacht zu verbringen? Ehrlich gesagt – es war peinlich genug – hatten Noah und ich überhaupt noch keine Nacht miteinander verbracht. Wir hatten über ein halbes Jahr gedatet, bevor er sich getraut hatte, mir körperlich näher zu kommen. Es folgten zaghafte Küsse und ein paar zärtliche Berührungen, doch mehr hatten wir beide bisher nicht gewagt. Meine Freundin Stella hatte immer entsetzt den Kopf über mich geschüttelt. „Du bist so bescheuert“, konnte ich mir beinahe täglich von ihr anhören. „Er mag dich und er will dich und du hebst dich auf für was? Für einen Mann, der seit über zwei Jahren spurlos verschwunden ist? Mit dem du nur eine einzige Nacht verbracht hast? Und der sich – entschuldige bitte die Wortwahl – in den letzten Jahren sicherlich quer durch die verschiedensten Betten gevögelt hat? Dir ist nicht mehr zu helfen…“

      Natürlich hatte sie Recht. Stella hatte immer Recht. Und doch konnte ich nichts für meine Gefühle und hielt Noah freundlich, aber bestimmt auf Abstand – so lange, wie er sich das eben gefallen ließ. Und das war schon länger, als ich zu hoffen gewagt hatte.

      Heute Abend wollte er also das Blatt wenden. Ausgerechnet heute Abend!

      „Aber… ich habe doch gar nichts mitgenommen“, stammelte ich unsicher. „Ich kann hier doch morgen früh nicht im Ballkleid zum Frühstück erscheinen.“

      „Keine Sorge“, schmunzelte Noah verführerisch. „Stella hat mir vor ihrer Abreise heimlich geholfen. Ich habe ein paar Dinge aus deinem Kleiderschrank entwendet – entschuldige bitte. Es ist für alles gesorgt. Sag einfach ,ja`. Du würdest mich sehr glücklich machen.“

      Stella, diese kleine Intrigantin! Wieso hatte sie mich nicht vorgewarnt? Wenigstens eine Andeutung gemacht? Jetzt saß ich hier und wusste nicht, welche Ausrede ich mir dieses Mal einfallen lassen konnte. Nun hatte Noah mich wirklich genau da, wo er mich haben wollte.

      „Was soll ich sagen“, flüsterte ich verlegen. „Ich bin total…“, ich suchte nach dem richtigen Wort, doch es fiel mir einfach nicht ein. „…begeistert“, log ich mit einem gespielten Lächeln und schimpfte in Gedanken mit mir selbst. Lügnerin!