»Warten Sie, Eberhart. Ich habe von Ihren ... geschäftlichen Verpflichtungen gehört. Nach Eurem Abschied von der Ausstellung wart Ihr schnell das Gespräch des Abends. Und es wäre mir ein Gräuel, wenn ein Mann von Eurem Intellekt und Eurer Begeisterungsfähigkeit im Schuldturm darben müsste.« Die Gräfin warf Aurelia einen bedeutungsschweren Blick zu.
Eberhart blickte zu Boden und zerknitterte seine Kappe zwischen den Händen.
»Gräfin, Ihr solltet nicht auf solche Gerüchte hören. Das ist unter Eurer Würde. Und meine geliebte Frau sollte ihre Zunge hüten, wenn Sie in der Öffentlichkeit ist.« Aurelia zuckte nur gelangweilt mit den Schultern.
»Seid ehrlich zu mir, Eberhart. Wie viel schuldet Ihr den Schiffsbauern?« Sie verschränkte ihre Hände ineinander und schaute ihn unverwandt an. Eberhart schaute zu Aurelia, die ihm zunickte. Er fasste sich ein Herz und blickte sie an. »Eintausend Goldkronen. Es ist ja noch nicht mal so, dass ich das Geld nicht habe, aber meine Ladung hängt irgendwo im Süden fest. Und keine der Banken hier ist bereit, einem gildenlosen Händler einen Kredit einzuräumen. Wir haben schon alles versetzt und beliehen, was man beleihen kann, aber«, er hob die Hände, »es reicht nicht. Ich bin mir sicher, die Schiffer sind von der Handelsgilde aufgehetzt. Sie wollen keine Freihändler in Kammerbad. Ich hätte niemals herkommen dürfen. Das Imperium ist kein Ort für Freigeister.«
Die Gräfin hob Ihren Fächer, um ein Lächeln zu verbergen. »Aber, aber, mein lieber Eberhart. Solch verräterisches Gerede kann Euch noch viel länger ins Gefängnis bringen als ein paar Goldkronen Schulden.« Sie schritt langsam zu den beiden herüber.
Eberharts Schultern sackten herunter. »Verzeiht meinen Ausbruch, aber es kann frustrierend sein, immer und überall auf seine Worte zu achten. Heute hatte ich zum ersten Mal seit Monaten das Gefühl, ein vernünftiges Gespräch zu führen, ohne überall imperiale Spione vermuten zu müssen. Und außerdem finden sie bestimmt einen Grund, mich einsperren zu lassen. Meine Einstellung ist weithin bekannt, und jetzt, wo ich in finanziellen Nöten bin, holt mich mein Hochmut ein. Es ist, wie mein Vater immer sagte: ›Der Arm des Gesetzes hängt an einem rostigen Scharnier, das mit Gold geschmiert werden muss‹.« Er strich sich mit der Kappe über die verschwitzte Stirn.
Aurelia schaute verächtlich auf ihn herab.
»Wartet einen Moment.« Die Gräfin schritt zur Tür und rief Ihren Cousin zu sich. Dann reichte sie dem Hexenjäger einen kleinen, silbernen Schlüssel aus einem Beutel an Ihrem Gürtel.
»Bring mir bitte die Schatulle aus dem Geschäftszimmer.« Adrian schaute sie einen Moment mit seiner steinernen Miene an. Sie nickte scharf, dann nahm er den Schlüssel und verschwand. Wenige Augenblicke später kam er zurück, unter dem Arm eine eiserne Kiste und stellte sie vorsichtig ab. Die Gräfin umrundete den Tisch, öffnete sie und begann, einen kleinen Beutel nach dem anderen herauszuheben. Als zehn Stück vor ihr lagen, verschloss die Gräfin die Schatulle wieder und reichte sie an den Hexenjäger.
Adrian warf Aurelia und Eberhart einen unmissverständlich missbilligenden Blick zu, dann trug er die Kiste hinaus.
Die Gräfin deutete auf die Beutel.
»Tausend Goldmünzen, in imperialen Greifen. Betrachtet es als eine Investition in Euer Geschäft. Genaugenommen«, sie blickte Eberhart tief in die Augen, »in Euch. Ich brauche jemanden mit Eurem Verstand für meine weiteren Forschungen. Enttäuscht mich nicht!«
Eberhart hob abwehrend die Hände. »Das kann ich unmöglich annehmen, meine ...« Aurelias Ellbogen traf ihn in die Seite. Ihr Blick sprach Bände. Dann wandte sie sich selbst an die Gräfin.
»Eure Großzügigkeit wird nicht vergessen werden, Eure Hoheit. Mein Mann ist vielleicht zu stolz, um dieses Geschenk anzunehmen. Aber als Frau in dieser Gesellschaft habe ich Eines gelernt: Niemals sollte dummer Stolz dem Wohlergehen der Familie im Wege stehen.« Sie nahm die Beutel an sich, verstaute sie in Eberharts Gürteltaschen, verbeugte sich und trat zurück.
Eberhart schaute zu Boden. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Noch nie war jemand so ... selbstlos zu uns.« Er schaute auf, und in seinem Gesicht zeigte sich feste Entschlossenheit. »Was immer Ihr braucht, Eure Hoheit, wie auch immer ich Euch helfen kann – es soll euch gehören.« Er griff sich ans Herz. »Das schwöre ich auf das Grab meiner Mutter.«
Die Gräfin lächelte. »Ich danke Euch für Eure freundlichen Worte. Doch nun sputet Euch, Ihr sollt meinetwegen nicht noch mehr Schwierigkeiten bekommen.«
Unter den aufmerksamen Blicken Adrians verließen die beiden das Haus. Sie hielten die Fassade noch aufrecht, bis sie die Tore nach Hochburg passiert hatten. Dann konnten sie nicht mehr und fielen sich in die Arme. Eberhart prustete.
»Vor unseren Augen! Sie hat die Schatulle vor unseren Augen geöffnet!« Er konnte sich kaum halten. »Sag mir, dass du was mit dem Schlüssel anfangen kannst!«
»Mit einem Zwölfer Markus und Brüder? Ganz ehrlich, sie hätte die Kiste auch gleich auflassen können. Und er war viel zu kurz weg, um im Obergeschoss gewesen zu sein, also bleiben ganze zwei Räume, in denen sie sein kann. Beide Fenster sind schon präpariert. Du hast ja alle Register gezogen bei deiner Vorstellung. Was du dir da aus dem Ärmel geschüttelt hast, mein Dickerchen – Respekt.« Sie knuffte ihn an die Schulter.
Eberhart wurde etwas nachdenklich.
»Tatsächlich musste ich gar nicht so viel dazu erfinden. Es ist schon ein bisschen unheimlich, aber diese ganzen Südmeergeschichten – das sind alles Sachen, die ich wirklich recherchiert habe. Du weißt doch, für meine Handelsroute.« Er winkte ab. »Egal, auf jeden Fall hat es gewirkt. Ich wäre ja fast interessiert, was sie mit der ganzen Geschichte anfangen will.«
Aurelia schaute gen Himmel. »Viel interessanter ist, dass die Außenmauer des Gartens keine Herausforderung darstellt. Der einzige Unsicherheitsfaktor ist unser neuer Freund – Inquisitor Adrian vom Berg. Was hältst du von ihm? Und dieser merkwürdigen Familiengeschichte.« Während sie sprach, rollte sie die Handschuhe ab und stopfte sie in eine Tasche.
Eberhart fuhr sich durch die fettigen Haare. »Gute Frage. Die ganze Geschichte stinkt irgendwie. Ein Templer des Loknar, der die Familie vor die Kirche stellt? Und trotzdem im vollen Habit herum läuft? An der Geschichte ist mehr dran. Die einzige Frage ist, hat er dich erkannt? Wie beeinflusst er unseren Plan?«
»Unwahrscheinlich. Ich sehe nicht, was er davon hätte, abzuwarten. Dementsprechend beeinflusst er unseren Plan kaum. Ich hatte sogar mit mehr Bediensteten gerechnet, und er kann ja nicht überall sein. Solange er nicht auf der Geldschatulle hockt, interessiert er mich nicht.« Sie kratzte eine Narbe auf ihrem Unterarm. »Was ich mich frage, ist: Haben wir einen Köder für ihn? Können wir ihn irgendwie aus dem Haus bekommen? Da wäre die Ideallösung.« Sie schaute zu den Kuppeln des Loknartempels herüber. »Womit locken wir einen Hexenjäger aus seinem Loch ...«
Nacht legte sich über die Dächer von Hochburg wie eine samtene Decke. Der Wind wehte gerade so stark, dass sich die Fahnen sachte in den Wind legten und die Rauchfahnen der Schornsteine leicht zerfaserten. Jetzt, da die Sonne fort war, konnte man die letzte Kälte des jüngst vergangenen Winters noch spüren – die Hitze des Sommers hatte sich noch nicht in den Steinen der Häuser festgesetzt, sodass sie rasch abkühlten.
Aurelia hockte auf dem Giebel eines Hauses, zwei Straßen von der Unterkunft der Gräfin entfernt. Ihre Haare wurden von einem dunkelbraunen Tuch gebändigt, der Rest Ihrer Kleidung war ebenfalls in verschiedenen Erdtönen gehalten. Ein schmales Seil war um Ihren Oberkörper gewickelt und eine große Tasche hing eng an Ihrer Seite, gesichert durch verschiedene Schnüre und Riemen. Sie beobachtete die Gruppe von Gardisten, die sich im Schein