Keine Helden - Piraten des Mahlstroms. Nils Krebber. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Nils Krebber
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958692978
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Anhänger, eine Karavelle über drei Münzen.

      Als der Gastwirt herankam, beugte sich der Händler über die Theke und sah ihn verschwörerisch an. Eberharts aufgedunsenes, verschwitztes Gesicht war von der Art, wie es nur eine Mutter lieben kann. Wässrige, blass-blaue Augen saßen in tiefen Fettwülsten verborgen. Eine haarige Warze prangte auf der knollenförmigen Nase, an deren Spitze ein einzelner Schweißtropfen hing. Das strähnige, hellblonde Haar war mit einer Mischung aus Schweiß und Pomade an den Schädel geklatscht.

      Seine schwammige Hand legte sich in den Nacken des Wirtes, um ihn noch näher zu sich zu ziehen und dem Mann eine Nase voll seines ranzigen Körpergeruches zu gönnen. Er flüsterte ihm ins Ohr: »Du wirst den billigsten Fusel ausschenken, den du hast, mein Freund. Und ich weiß, was so eine Lokalrunde kostet, also keine Spielchen.« Er tätschelte dem Mann die Wange und zwinkerte ihm zu. Dann ließ er einen Beutel mit Münzen über die Theke rutschen und drehte sich wieder den munteren Gästen zu.

      »Ein Brettschneider lässt sich nicht lumpen, Freunde! Wer will als Erster das Glas mit mir erheben?«

      In den folgenden Stunden hob der Händler mit nahezu jedem in der Kneipe das Glas. Seine Bewegungen waren langsam, aber präzise. Er berührte jeden seiner Trinkkumpane, sei es ein Schlag auf die Schulter, ein schwächlicher Händedruck oder ein Klaps auf das Hinterteil. Auch schien er kein Gefühl für den persönlichen Raum von Menschen zu haben, immer rückte er einen Hauch zu nah an die Leute heran oder hielt den Blick etwas zu lange.

      Nach kurzer Zeit kannte jeder in der Bar den Händler mit der großzügigen Börse und dem auffälligen Schmuck.

      Als der letzte Gast das Wirtshaus verlassen hatte, sackte Eberhart erschöpft in sich zusammen. Die Fassade des starken, vertrauenswürdigen Patrons wich dem Ausdruck zufriedener Erschöpfung. Er wischte sich mit der Kappe über das verschwitzte Gesicht und schloss für einen Moment die Augen. Dann rappelte er sich auf, ließ sich vorsichtig vom Hocker rutschen und rückte seine Hose zurecht, bevor er sich leicht schwankend auf den Weg zur Tür machte.

      »Schönen Abend noch und beehren Sie uns bald wieder«, rief der Wirt ihm nach. Eberhart konnte nur noch müde abwinken. Die teigigen Finger fest am Geländer, wankte er die Treppenstufen hinab. In der Gasse angekommen, nahm er einen tiefen Luftzug, klatschte sich die Kappe aufs Haupt und begann zielstrebig nach Hause zu wandern – zur Sicherheit ließ er aber eine Hand an der Wand.

      Zwei Gestalten lösten sich hinter ihm aus den Schatten. Eberhart schaffte etwa drei Schritte, bevor ihn eine Flasche auf den Schädel traf und zu Boden streckte.

      Mit Ächzen rollten ihn die beiden auf den Rücken, geschickte Hände fanden zunächst seine Börse, dann seine Ringe und zuletzt das Gildenwappen.

      Eine raue, männliche Stimme erklang: »Immer noch über zwanzig Silber in der Tasche. Unfassbar, dass sich so einer in einer Hafenspelunke herumtreibt. Wir machen natürlich halbe-halbe. Und was hast du da?«

      Eine weibliche, aber vom Alkohol beinahe ebenso raue Stimme antwortete. »Ach nix, nur seinen Anhänger. Das passt schon, behalt du mal die Börse.«

      Der Mann klang misstrauisch. »Wie meinste das denn, Puppe? Erst willste den Kerl hopsnehmen und dann willste nur die Kette? Nu zeig her!«

      Die Diskussion der beiden um den Wert ihrer jeweiligen Beute wurde hitziger. Die Frau, eine schlanke, gefährliche Halsabschneiderin mit wildem, schwarzen Haar, gab dem großen Kerl in der Uniform der imperialen Marine ordentlich Kontra.

      Das Gesicht des Matrosen verfinsterte sich. »Du meinst, wir sind reich. Wir ham das zusammen gefunden, also gehört es uns beiden!« Er streckte die Hand nach der Kette aus.

      Die Frau riss sie zurück.

      »Ne ne, sei du mal glücklich mit deinem Silber. Du musst bei Sonnenaufgang auslaufen, und bis dahin finden wir bestimmt keinen Hehler. Für was immer das auch ist ...« Sie hielt das Schmuckstück in die Höhe, sodass sich die ersten Sonnenstrahlen in dem goldenen Abzeichen spiegelten.

      »Ha! Viel Glück damit, das hier zu verkaufen, Schätzchen.« Der Matrose zeigte mit einem schmutzigen Finger auf das Symbol. »Das ist das Siegel der Kammerbader Hanse. Hier in ihrem Hauptsitz erkennt das jeder sofort als Diebesgut.«

      Die Stimme der Räuberbraut wurde unsicher. »Aber ich könnt es ja einschmelzen ...«

      »Quatsch, dann ist das doch nur noch die Hälfte wert.« Der Matrose beugte sich herüber. »Komm, nimm du die Börse und ich die Kette. Wir fahren in den Süden, da schert sich keiner um die Hanse. Dir macht das Ding doch nur Ärger.«

      Die Schwarzhaarige schüttelte den Kopf. »Auch mit der Hälfte ist das immer noch mehr als die lumpigen paar Silber in der Börse da. Da wird nix draus!« Sie presste sich die Kette an die schmutzige Jacke.

      Der Marinesoldat fletschte die Zähne und packte sie am Kragen. »Hör mal zu, sei froh, dass ich dich mag. Reich jetzt die Kette rüber oder es setzt was!«

      Seufzend hob sie die schwieligen Hände. »Nu sei doch nicht so. Ohne mich hättest du dich gar nicht getraut, den Fettsack hochzunehmen! Lass uns einen fairen Deal machen. Kannst du nicht wenigstens noch was drauflegen? Du läufst doch eh gleich aus, was brauchste da Bargeld? Und im nächsten Hafen verkaufst du das Teil für hartes Gold!«

      Unwillig griff der Matrose an seinen Gürtel und löste seinen Beutel. »Hast ja recht. Hier, das ist mein Sold für den letzten Monat. Das sind nochmal satte fünfzig Silber. Das ist für eine Hafenratte wie dich ein Haufen Geld. Und wenn wir in drei Monaten wieder hier sind, gebe ich dir einen Anteil von dem, was ich gekriegt habe. Das ist doch fair.«

      Misstrauisch warf die Schwarzhaarige einen Blick in den Beutel. »Und wenn du wieder hier anlegst, krieg ich den Rest?«

      Der Matrose grinste. »Klar doch, Hand drauf!« Er packte die schmalen Finger der Frau mit hartem Seemannsgriff.

      »Na gut, wenn man der imperialen Marine nicht mehr trauen kann, wem dann?« Mit einem verschwörerischen Grinsen reichte sie ihm die Kette. Der betrachtete noch einmal den funkelnden Anhänger und ließ ihn dann in seinem Hemd verschwinden.

      »Alles klar, lass uns abhauen, bevor der Dicke aufwacht oder jemand nach ihm sieht. Mit Händlern ist nicht zu spaßen.« Er wankte los. Nach einigen Schritten merkte er, dass die Frau immer noch bei dem Ohnmächtigen stand. »Was ist los? Kommst du?«

      Die Frau winkte ab.

      »Nee, ich schau lieber, dass ich wegkomme. Wenn mein Alter mich mit so einem feschen Matrosen sieht, kommt er noch auf falsche Gedanken.« Sie gackerte los.

      Der Matrose zuckte mit den Schultern.

      »Na, dann lass dich nicht erwischen.« Er setzte seinen unsicheren Weg in Richtung Hafen fort.

      Als er um die Ecke verschwunden war, beugte sich die Frau mit einem Grinsen auf den Lippen über Eberhart.

      »Er ist weg« flüsterte sie.

      Der »Bewusstlose« schlug die Augen auf und verzog angewidert die Mundwinkel. »Dann nimm deinen Pestatem aus meinem Gesicht, Aurelia. Bei Laros bröckeligem Auswurf, was säufst du nur mit diesen Typen?« Mit Hilfe seiner Komplizin rollte er sich auf die Füße und erhob sich mit knirschenden Knien aus der Hocke.

      »Größtenteils Wurzelsaft, mein lieber Eberhart. Das riecht so ähnlich wie Branntwein. Und ist gut für die Verdauung.« Sie hieb ihm auf den Wanst.

      »Als ob du das nötig hättest. Der Dünnpfiff läuft dir doch auch so locker über die Lippen.« Er dehnte sich und überprüfte die Polsterung seiner unförmigen Kappe. »Musst du immer so hart zuhauen? Das scheppert trotz Stroh immer ganz ordentlich, und mein Köpfchen ist mein Kapital. Apropos.« Er streckte die Hand aus. »Wie viel haben wir?«

      Aurelia warf ihm den Beutel zu. »Achtunddreißig Silber in imperialen Adlern, zwölf bretonische Kronen und diverse arabische Münzen. Ist ganz schön rumgekommen, unser kleiner Matrose.«

      Eberhart spähte in den Beutel und seufzte. »Dafür ist es fast nicht wert, hier auf