Keine Helden - Piraten des Mahlstroms. Nils Krebber. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Nils Krebber
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958692978
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Friedens.

      Eberhart und Aurelia trugen wieder Ihre feinen Kleider, allerdings hatte Aurelia einige Ihrer Accessoires ausgetauscht, um den Anschein zu erwecken, sie trage ein neues Kleid. Es war grade genug, dass es der Gräfin auffallen und Ihre Geschichte von den finanziellen Problemen unterstreichen würde. Keine Wachen standen an der Pforte des Hauses, allerdings war das in einem Viertel wie Hochburg auch kaum nötig. Genug Gardisten von anderen Adelshäusern patrouillierten so regelmäßig, dass die Häuser der Churun sicherer waren als die Banken in den unteren Vierteln.

      Vor der Pforte atmeten die beiden Komplizen noch einmal tief durch und sahen sich an.

      Eberhart grinste.

      »Bist du bereit für unseren großen Auftritt, mein Schneckchen?«

      Aurelias Hand traf ihn am Hinterkopf. »Aber natürlich, mein Geliebter.« Sie grinste ebenso unverschämt zurück. »Was soll schon passieren?«

      Dann verwandelte sich Ihr Ausdruck in den einer gelangweilten, leicht angeekelten Trophäenfrau. Eberhart setzte den leidgeprüften Blick eines Mannes mit sowohl finanziellen als auch privaten Sorgen auf, ergriff den Ring und ließ ihn beherzt auf den bronzenen Türklopfer schlagen.

      Als die Tür sich öffnete, stockte beiden der Atem. Ihnen gegenüber stand eine der furchterregendsten Erscheinungen, die das Imperium der Menschheit hervorgebracht hatte. Von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet, zwei Steinschlosspistolen in der Schärpe und mit dem silbernen Hammer auf der Brust, offenbarte sich die Gestalt als Hexenjäger der heiligen Inquisition des Loknar. Keine Frau, kein Mann und kein Kind waren sicher vor der Verfolgung der Templer, deren heilige Pflicht über jedem weltlichen Gesetz stand. Keine Furcht war so tief verankert wie die, als Hexe oder Häretiker beschuldigt zu werden, denn so etwas wie einen Freispruch kannte die Inquisition nicht. Es war immer nur eine Frage, wie lange es dauerte, bis die Beschuldigten gestanden, und wie weit innerhalb der Familie und Freunde die Hexenjäger die Verderbnis verbreitet sahen. Jede Hexenjagd resultierte in einer Welle von Anschuldigungen und Gegenanschuldigungen, und die einzigen Gewinner in diesen schlimmen Zeiten waren die Totengräber und Scharfrichter.

      Der unbarmherzige Blick des Inquisitors bohrte sich in Eberharts Augen. Sein vernarbtes Gesicht trug die Spuren eines entbehrungsreichen Lebens. Die tiefen, dunklen Ränder unter den schwarzen Augen und die blasse Haut, die an Kopf und Kinn von grauen Stoppeln bedeckt war, ließen das Gesicht des Mannes wie einen Totenschädel wirken.

      Stille breitete sich aus wie ein Leichentuch. Eberhart hörte nur das Rauschen seines Blutes in den Ohren. Seine Gedanken rasten. Wie war man Ihnen auf die Spur gekommen? Hatten Sie im Suff geredet? Oder hatte doch jemand Aurelia erkannt, trotz der neuen Haarfarbe? Oder ging es gar nicht um sie? War die Gräfin eine Häretikerin? Eine Hexe? Oder hatte sie Feinde, die sie so sehr hassten, dass sie Ihr die Hexenjäger auf den Hals hetzten? Selbst wenn es nicht um Aurelia ging, war jede Sekunde, die sie zögerten, eine zuviel. Kalter Schweiß brach ihm aus und verzweifelt ging er die Möglichkeiten durch, wie er die Aktion jetzt und hier abbrechen konnte.

      »Ihr wollt zur Gräfin?« Die Stimme des Mannes war leise und kratzig, als habe er Probleme zu atmen. Trotzdem lag eine derartige Drohung darin, dass Eberhart unfähig war, zu antworten.

      Stattdessen fasste Aurelia sich ein Herz.

      »Wenn es ungelegen ist, können wir später wiederkommen. Unsere Geschäfte sind nicht dringlich und wir würden niemals der Inquisition im Wege stehen wollen.« Ihre Stimme zitterte, und sie musste jede ihrer Muskeln anspannen, um nicht sofort die Flucht zu ergreifen.

      »Keineswegs. Die Gräfin erwartet Euch.« Der Hexenjäger trat einen Schritt zurück und winkte sie herein. Aurelia und Eberhart wechselten einen Blick. Eberhart kniff kurz die Augen zusammen, dann nickte er einmal heftig und schritt über die Schwelle. Aurelia folgte ihm mit einem Schritt Abstand. Beide spürten die Präsenz des Templers als kalten Schauer, der Ihnen den Nacken herablief. Die Tür schloss sich mit einem endgültigen Schlag, und die beiden fragten sich, ob sie das Haus jemals wieder verlassen würden.

      Der Flur war bedeckt mit dicken Teppichen, die jedes Geräusch ihrer Schritte verschluckten. Von den Wänden starrten ungnädige Heilige auf die beiden herab. Es war wie der Gang zum Galgen. Eberhart öffnete die Doppeltür am Ende des Flurs und sie betraten ein lichtdurchflutetes Empfangszimmer. Große verglaste Türen führten in einen üppigen Garten, weitere Fenster ließen das Tageslicht ungehindert in das Zimmer fluten. Die Strahlen spielten über Lüster, strategisch verteilte Spiegel und kristallene Karaffen und Weingläser, die auf einem großen Tisch drapiert waren.

      Inmitten all des Lichtes wirkte die Gräfin selbst beinahe unwirklich. Eine Aurora von Sonnenstrahlen umschmeichelte ihre schlanke Gestalt und ließ die wertvollen Steine an Hals und Finger glitzern wie Tautropfen auf einer exotischen Orchidee. Ihr Kleid war aus hellgrauem Satin, dazu passende Handschuhe reichten bis zum Ellbogen. Sie stand an einem langen Tisch, auf dem diverse Dokumente ausgebreitet lagen, und wandte sich um. Es schien, als sei sie in das Studium vertieft gewesen und habe ihre Besucher vergessen, aber es dauerte nur einen Augenblick, bis ein verschmitztes Lächeln auf ihrem Gesicht erschien.

      »Mein lieber Eberhart, teuerste Aurelia, Sie wirken , als hätten Sie einen Geist gesehen! Ist meine Erscheinung denn so schrecklich?«

      Wieder rang Eberhart nach Worten, aber diesmal fing er sich rechtzeitig. »Keineswegs, holde Gräfin. Es ist nur so, dass der Aufstieg nach Hochburg für einen Mann meiner Statur doch anstrengender ist als erwartet. Was Aurelia angeht, so ist sie zum ersten Mal in einem Gasthaus der Churun und gewiss nur beeindruckt von der Erhabenheit der Umgebung.« Er deutete mit einer weiten Geste über den Raum. »Ein solches Patio wäre selbst in den Gildenhallen der Südmeergesellschaft undenkbar.«

      Die Gräfin ließ ein perlendes Lachen ertönen. »Und Ihr seid nicht im Geringsten davon beeindruckt, das Euch ein Mitglied der heiligen Inquisition an meiner Tür erwartet? Eberhart, Ihr seid ein wahrhaft schmeichelhafter Lügner. Adrian, komm herein und begrüße unsere Gäste, aber ohne die finstere Miene.« Der Templer schritt an Ihnen vorbei an die Seite der Gräfin. Seine Miene verzog sich zu etwas, das man mit Wohlwollen als Lächeln bezeichnen konnte. Es schien ihm beinahe körperliche Schmerzen zu bereiten.

      »Adrian von Berg, Templer des Ordo Primus und Cousin zweiten Grades der Gräfin del Mar. Als ältester männlicher Verwandter unterliegt sie meiner Protektion, bis sie einen angemessenen Ehemann gefunden hat.« Er schaute gequält zu Ihr herüber. »Was wahrscheinlich bedeutet, dass die Hexen des Imperiums noch einige Zeit auf meinen Zorn verzichten müssen.«

      Die Gräfin schlug ihm spielerisch mit dem Fächer auf die Schulter.

      »Wenn du mal mit zu einem Ball kommen würdest, hättest du keinen Mangel an Hexen zu beklagen, Adrian.« Sie wandte sich ihren Gästen zu. »Entschuldigt den plumpen Scherz, aber ich mag es so, die Reaktion meiner Gäste auf Adrian zu sehen. Es sagt viel über jemanden aus, wie er sich dem Blick der Inquisition stellt.« Sie deutete mit dem Fächer an den Tisch. »Aber tretet näher, wir sind hier, um uns die Aufzeichnungen anzusehen, die Ihr freundlicherweise habt liefern lassen. Und ich denke, Ihr könnt auch eine Erfrischung gebrauchen, nicht wahr?«

      Eberhart und Aurelia traten an den Tisch, und Adrian schenkte Ihnen einen leicht perlenden Wein ein, bevor er sich entschuldigte und zurückzog. Aurelia tauschte noch einige Komplimente mit der Gräfin aus, bevor Sie das Haus verließ, um im Garten zu lustwandeln.

      Nun konnten sich Eberhart und die Gräfin in Ruhe den Papieren widmen. Sie bewies einen wachen Verstand und stellte präzise Fragen zu den Erklärungen, die Eberhart über die verschiedenen Aufzeichnungen abgab, vor allem, welche Rückschlüsse man über die Bewegungen des Korsarenfürsten treffen konnte. Schon nach kurzer Zeit holte die Gräfin diverse religiöse Texte aus Ihrer eigenen Sammlung hinzu, um Referenzen zu prüfen und Verbindungen herzustellen. Die Zeit verging wie im Fluge und beide waren überrascht, als Aurelia sich mit einem Räuspern zu Wort meldete.

      »Entschuldigt, dass ich Eure Studien unterbreche – aber die Sonne wird bald untergehen.« Sowohl Ihre Stimme als auch Ihre Haltung zeugten von vollkommener Langeweile.

      Eberhart warf einen Blick auf seine Taschenuhr. »Bei