Emil Rathenau und das elektrische Zeitalter. Felix Pinner. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Felix Pinner
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 4064066112011
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sich befanden, wie ich meine, mit befriedigendem Erfolge ausgeführt.

      An ersterer Stelle hatten wir bereits größere Leistungen aufgewiesen. Unter Leitung eines sehr befähigten, damals als Hauptmann fungierenden Offiziers hatten wir einen drehbaren Panzerturm für zwei 50 cm-Geschütze erbaut; die Panzerplatten waren so schwer, wie sie die englische Firma damals walzen konnte, umgaben aber hauptsächlich den Teil des Turmes, in dem die Minimalscharten sich befanden, während der übrige Teil des Ringes aus sehr starken Flächen und die gewölbte Kalotte aus einer Doppellage von diesen gebildet wurde. Die Drehung des solid und genial konstruierten Turmes erfolgte durch das Gewicht von Artilleristen mittelst Hebel und Tritte vorwärts und rückwärts in mäßigem Tempo. Fast eine Kunst war die Auswechslung der schweren und langen Geschützröhren in dem niedrigen Turm; ohne Kräne und Winden mußte sie in wenigen Stunden erfolgen. Diese Röhren wurden in Eisenblechlafetten durch zwei voneinander unabhängige Vorrichtungen so bewegt, daß der ideelle Drehpunkt in der Schießscharte verblieb und diese auf ein Minimum reduziert werden konnte.

      Die Mannschaft wurde allmählich mit den Manipulationen so vollkommen vertraut, daß es eine Freude war, die schwierigen Exerzitien zu beobachten. Welche Einfachheit der Übungen im Vergleich zu den heutigen Manövern, bei welchen alle Neuerungen der modernen Technik zur Anwendung gebracht sind! Über die zahlreichen Feldbefestigungen, die wir ausführten, gehe ich hinweg zu dem Barackenlager, das in Tegel errichtet, vorher aber in einem Exemplar in unserer Fabrik aufgestellt wurde. Gebogene I-Eisen, durch einen Ring zu einer Kuppel vereinigt und mit einem halben Stein ausgewölbt, bildeten hohe, luftige Wohnräume für etwa je 16 Mann; kleinere Baracken waren für Offiziere, Küchen, Latrinen usw. bestimmt. Bei Ausbruch des französischen Krieges hatte das für eine Kompagnie in Tegel bestimmte Lager die Aufmerksamkeit auf sich gelenkt, und der damalige Direktor der Charité Esse, Virchow und andere Zelebritäten bestürmten uns, zwei solcher Baracken, für die das Material noch vorhanden war, in dem Königin Augusta-Hospital zu errichten. Acht Damen, darunter meine Frau, übernahmen die Pflege der Verwundeten, deren Lob und Dank sie erwarben. Die hohe Protektorin wünschte mir als Urheber des zeitgemäßen Gedankens und seiner Verwirklichung ihre Anerkennung persönlich auszusprechen, aber die Auszeichnungen, die meine Frau erfuhr, schienen mir eine ausreichende Belohnung für die zur Befriedigung meiner patriotischen Gesinnung bewirkte Leistung.

      Als die Kriegserklärung erfolgte, stand das Geschäft plötzlich still, der Gütertransport auf den Bahnen hatte aufgehört, die besten Arbeiter waren zu den Fahnen berufen, Aufträge liefen nicht mehr ein, und niemand wußte, welche Ausdehnung der Zustand nehmen würde. Da erhielten wir die Anfrage, ob wir Minentorpedos anfertigen könnten. Die anderen Berliner Fabriken hatten es abgelehnt, sich auf die Herstellung der völlig neuen und von unseren Fabrikaten gänzlich verschiedenen Konstruktionen einzulassen, und so erhielten wir den großen Auftrag zu den von uns auskömmlich berechneten Preisen. Das Material wurde auf Requisitionsschein herbeigeschafft, und die mit der Fabrikation beschäftigten Beamten, wie ich selbst, von der Dienstpflicht im Heere befreit. In kurzer Zeit waren Werkstätten und Höfe für den neuen Zweck eingerichtet. Verzinkereien angelegt, große Feuer zum Biegen der Bleche gebaut und Drehbänke für Herstellung der Schrauben und Zünder angeschafft. Die ungewohnte Arbeit ging anfänglich schwer vonstatten; es fehlte an guten Holzkohlenblechen, die die unsanfte Behandlung vertrugen, und auch die Dichtung ließ zu wünschen übrig. Allmählich lernten wir und unsere Arbeiter jedoch die Behandlung, und jeder Torpedo wurde anstandslos abgenommen. Als die Konkurrenz sah, wie immer neue Arbeiter von uns eingestellt wurden, die sie aus Mangel an Beschäftigung entlassen mußten, bewarben auch sie sich um diese Aufträge und erhielten sie, da unsere Leistungen erschöpft waren. Aber die höheren Preise, die man ihnen zugebilligt hatte, wurden uns nicht nur für die noch in Ausführung und Bestellung gegebenen, sondern auch für die bereits abgelieferten Torpedos in einem schmeichelhaften Schreiben über unsere Leistungen gewährt.

      So beschlossen wir, unsere Fabrikation beträchtlich zu erweitern. Die Kesselschmiede wurde damals in Berlin noch recht primitiv betrieben. Bei Arbeiten aus dünnen Blechen, wie bei Gasbehältern, erhielten wir kaum die Auslagen für Material und Lohn ersetzt, wie wir zuletzt beim Bau in Nauen zu unserem Bedauern erfahren hatten, und nicht viel besser erging es bei Dampfkesseln, Brücken, Dächern, Trägern usw., die nach Gewicht geliefert und verrechnet wurden. Die einzige Hilfe, uns aus dieser üblen Lage zu befreien, war auch in diesem Zweig die Aufnahme von Spezialfabrikaten, denn die Herstellung der Torpedos hatte gezeigt, daß wir billig zu arbeiten in der Lage waren. Da mit feinerem Material auch die Arbeit sich verbessern mußte, nahmen wir den Bau von Stahlkesseln auf, die zwar neue Konstruktionen und Einrichtungen erforderten, aber auch bessere Verkaufspreise erzielten, da wir mit Preisunterbietungen seitens der Konkurrenz nicht mehr zu rechnen brauchten. Auch hier zahlten wir Lehrgeld; denn als ich in den Weihnachtsfeiertagen durch die Kesselschmiede ging und die Arbeiten betrachtete, sah ich, daß an verschiedenen Bördelungen der Feuerröhren infolge mangelhaften Materials Längsrisse entstanden waren. Der Fabrikant der Bleche schob die Schuld von sich auf nicht genügend langsame Abkühlung nach dem Biegen der Flansche, ich vermutete die Ursache in der Unzuverlässigkeit des Materials und überlegte, ob es nicht geraten sei, die weitere Fabrikation solange zu sistieren, bis Erfahrungen aus dem Betriebe vorlägen. Seit länger als 30 Jahren ist der von mir gefertigte Stahlkessel im Betriebe einer Tuchfabrik, und der Besitzer ist seines Lobes voll.

      Eine andere von mir eingeführte Fabrikation hat sich seit meiner Zeit zu außerordentlicher Höhe entfaltet: die Verarbeitung von Wellblechen. In der Fabrik für Eisenbahnbedarf von Pflug erbaute ich zwei freitragende Dächer aus Wellblech von erheblicher Spannweite über der großen Schmiede. Interessant ist, daß gerade auf diesem Grundstücke die A. E. G. etwa zehn Jahre später ihre erste Fabrikationsstätte errichtet hat. Indem ich jener Fabrik gedenke, erinnere ich mich, daß nicht nur die ersten Dampfheizungen in den Waggons unter den Sitzen der Reisenden, sondern auch Niederdruck-Wasserheizungen in Wohnhäusern von mir ausgeführt sind: sie bewiesen, daß man ideale Behaglichkeit erreichen kann, wenn man die Kosten der Anlage nicht spart. — Kompressoren wurden gebaut, um Gefäße mit komprimierter Luft zu füllen, mit der die Soldaten in langen Minengängen sich ernährten. Sie trugen die kurzen Röhren über den Tornistern auf dem Rücken und konnten dadurch ihre Arme frei bewegen. Erwähnenswert ist auch die Herstellung einer Dampfturbine. Sie bestand aus zwei miteinander verbundenen Scheiben, die, durch dünne Zwischenlagen voneinander getrennt, den Dampf von der Mitte nach dem Umfang durch Schaufeln ausströmen ließen, die in den Zwischenlagen ausgespart waren. Die Querschnitte der Aktionsturbinen erweiterten sich der Expansion des Dampfes entsprechend nach dem Umfang zu, und dieser strömte durch die hohle Welle in das Rad, das in einem Gebäude rotierte, um den Auspuff in die Atmosphäre zu leiten. Bei der geringen Heizfläche der stehenden Dampfkessel und der wenig ökonomischen Wirkung war es immer nur minutenweise möglich, die Turbine im Leerlauf zu erhalten, und die Versuche wurden aufgegeben. Hätte man die Geschwindigkeit zu steigern, Kondensation anzuwenden und die erzeugte Arbeit auf die noch wenig bekannten Dynamos zu übertragen verstanden, die Fortsetzung der Versuche wäre beim Übergang von Aktions- zu Reaktionsrädern vielleicht von Erfolg gekrönt worden.“

      Diese Schilderung zeigt, daß alles von Rathenau damals an Neuerungen Versuchte, zwar im einzelnen ganz schöne Erfolge brachte, aber doch den Rahmen für eine großzügige Erweiterung oder gar für eine grundlegende Umgestaltung des im ganzen primitiven Betriebes nicht abgeben konnte. Über die Grenzen, die der damaligen Maschinen-Industrie in Deutschland noch gesetzt waren, fand sich das Unternehmen nicht hinaus. Es gab in der Maschinenfabrikation jener Zeiten bestimmte Typen, an denen zwar hier und da kleinere oder größere Verbesserungen angebracht wurden, die aber doch im großen und ganzen ziemlich festlagen. Bahnbrechende Erfindungen wurden nicht gemacht, für großzügige Experimente wurde nicht viel Geld ausgegeben. Emil Rathenau, der noch mit einem anderen Ingenieur den ganzen technischen Stab der Maschinenfabrik bildete, saß in jener Zeit fleißig am Reißbrett und betätigte sich, ohne schon eine Spur seiner späteren schöpferischen Kaufmannsbegabung erkennen zu lassen, hauptsächlich als Konstrukteur. Mit dem, was sich mit den Mitteln seiner Fabrik verwirklichen ließ, war er innerlich nicht zufrieden. Damals durchgrübelte er in den freien Stunden, die ihm der nicht überhastete Betrieb ließ, bereits die Möglichkeiten des Maschinenbaus, und Ideen, die später in der Hochdruck-Zentrifugalpumpe und der Dampfturbine ihre Verwirklichung fanden, fühlte und dachte