Schriften in deutscher Übersetzung. Plotin. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Plotin
Издательство: Bookwire
Серия: Philosophische Bibliothek
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783787339341
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      Berechtigter Freitod?

      Du sollst die Seele nicht gewaltsam befreien, damit sie nicht hinausgeht; denn dann wird sie hinausgehen mit etwas (Körperlichem) behaftet, nur so kann sie überhaupt hinausgehen, das Hinausgehen ist ja ein Übergehen an einen andern Ort; sondern du sollst warten daß der Leib gänzlich von ihr sich entfernt, bis dann also, wenn sie nicht mehr den Ort zu wechseln braucht, sondern schon ganz und gar außen ist. Auf welche Weise ‘entfernt’ sich denn der Körper? Dann wenn kein Stück der Seele mehr an ihn gebunden ist; denn der Körper kann sie dann nicht mehr mitbinden, wenn seine harmonische Fügung nicht mehr besteht, in deren Besitz er die Seele besaß. Wenn nun aber jemand es bewerkstelligt daß der Körper sich auflöst? Dann wendet er Gewalt an und hat sich eigenmächtig entfernt und der Körper hat die Seele nicht freigegeben. Ferner, wenn er den Körper auflöst, tut er das nicht ohne Leidenschaft, sondern es ist in ihm Unwille oder Kummer oder Zorn; man darf eben nicht handeln.

      Wenn man aber an sich einen beginnenden Schwachsinn bemerkt? Nun, vielleicht widerfährt das dem Weisen nicht; setzen wir aber daß es doch geschehe, dann ist der Selbstmord unter die Notmittel zu rechnen, für die man sich nur unter gewissen Umständen zu entscheiden hat, nicht aber schlechthin. – Ferner ist vielleicht auch das Einnehmen von Gift, um die Seele aus dem Leibe zu treiben, für die Seele nicht zuträglich. – Ferner, wenn die Zeit, die jedem gewährt ist, schicksalbestimmt ist, so ruht kein Segen darauf vorher sich zu entleiben, es sei denn, wie gesagt, eine Zwangslage. Wenn ferner jeder je nach dem Zustande, in dem er aus dem Leibe tritt, einen entsprechenden Rang in der oberen Welt erhält, so darf man also nicht sich entleiben, solange noch Zunahme und Fortschreiten möglich ist.

       17

      Wiebeschaffenheit

      Sind das SEIENDE und die SEINSHEIT etwas Verschiedenes, und ist etwa das Seiende entblößt von allem übrigen, die Seinsheit aber das Seiende samt dem Übrigen (nämlich BEWEGUNG und RUHE, SELBIGKEIT und ANDERSHEIT), und sind demnach diese Elemente der Seinsheit? Dann ist das Ganze die Seinsheit, während von den andern jedes nur ein Einzelnes ist, das eine das Seiende, ein andres die Bewegung, und ein anderes ein anderes? – Die Bewegung ist nur akzidentiell ein Seiendes; ist sie also auch nur akzidentiell Seinsheit, oder ist sie ein integrierender Bestandteil der Seinsheit? Nun, sie ist wohl selbst Seinsheit, in der oberen Welt ist alles Seinsheit. (Warum ist dann nicht auch hier alles Seinsheit? Nun, dort oben ist alles Seinsheit weil alles Eines ist; hier unten aber scheiden sich die Abbilder, das eine ist dies, das andre jenes. Ebenso ist im menschlichen Samen alles beisammen und jedes einzelne alles und nicht Hand für sich und Kopf für sich; hier im Leibe aber trennt sich eins vom andern; denn hier sind sie nur Abbilder und keine wahre Wirklichkeit.)

      Sollen wir also die WIEBESCHAFFENHEITEN (Qualitäten) in der oberen Welt als ‘Unterschiede der Seinsheit’ ansehen, die an der Seinsheit oder am Seienden haften, jedoch als solche Unterschiede, welche die Seinsheiten erst voneinander verschieden machen und somit überhaupt erst zu Seinsheiten? Nun, das ist nicht widersinnig, das ist es nur bei den Qualitäten hier unten; denn von ihnen sind die einen konstituierende Unterschiede der Seinsheiten, zum Beispiel ‘zweifüßig’ und ‘vierfüßig’, die andern aber sind keine konstituierenden Unterschiede und werden eben nur als bloße Qualitäten bezeichnet; es kann sogar ein und dieselbe Qualität konstituierender Unterschied sein und in einem andern Dinge nicht die Seinsheit konstituierend, sondern nur akzidentiell; so ist z. B. das Weiße beim Schnee und Bleiweiß konstituierend, bei dir aber akzidentiell. – Dann ist wohl das Weiße was im Begriff enthalten ist, konstituierend und nicht Qualität, und nur das an der Oberfläche befindliche qualitativ. Vielleicht sind aber zwei Arten von Qualität zu scheiden, eine wesenhafte, die eine bestimmte Eigentümlichkeit der Seinsheit ist, und eine nur qualitative, vermöge derer es die qualifizierte Seinsheit gibt, so zwar daß dies Qualitative keinen Unterschied in der Seinsheit ausmacht oder aus der Seinsheit stammt, sondern während die Seinsheit schon da ist und schon wesenserfüllt ist, nur von außen einen Zustand an ihr bewirkt, einen bloßen Zusatz zur Seinsheit des Dinges, mag das nun an der Seele oder am Leibe geschehen. – Aber wenn nun auch das Weiße, das wir am Bleiweiß sehen, wesensbestimmend für es ist? Denn beim Schwan ist es nicht wesensbestimmend, da es auch einen nichtweißen Schwan geben könnte; aber beim Bleiweiß; und ebenso beim Feuer die Wärme. Man könnte vielleicht sagen, beim Feuer sei die ‘Feuerheit’ die Wesenheit und beim Bleiweiß das Entsprechende – indessen, beim sichtbaren Feuer bleibt doch die Wärme konstituierend, und die Weiße bei dem andern Beispiel. Es müssen also ein und dieselben Bestimmtheiten sowohl Wesensmomente, also keine bloßen Qualitäten, wie auch nicht Wesensmomente, also Qualitäten sein. Es wäre nun unsinnig zu sagen, da wo sie Wesensmomente sind, seien sie etwas anderes als da wo sie es nicht sind, denn ihr Wesen bleibt dasselbe.

      Man muß also vielmehr sagen, die rationalen Formen, welche die Bestimmtheiten hervorbringen, sind ganz und gar seinshaft; aber das von diesen Formen Hervorgebrachte hat das, was dort oben ein ETWAS ist, hier unten nur noch als ein Qualitatives, nicht als ein Etwas. Daher wir denn auch bei Untersuchungen über das Etwas leicht in die Irre gehen und abgleiten und in das Qualitative geraten. Denn das Feuer ist nicht das, was wir im Hinblick auf seine Qualität so bezeichnen, sondern das Feuer ist Seinsheit; was wir aber hier jetzt erblicken und was wir im Auge haben wenn wirs Feuer nennen, das führt uns ab von dem Etwas und so definieren wir nur das Qualitative.

      Bei den Sinnesdingen ist das ganz sachgemäß, denn an ihnen ist keine Qualität Seinsheit, sondern nur Affektionen der Seinsheit. Deshalb löst sich bei ihnen auch einleuchtend jenes Problem wie aus Nichtseinsheiten Seinsheit entstehen kann. Dazu wurde schon ausgeführt, daß das was wird nicht dasselbe sein kann wie das woraus es wird; jetzt ist weiterhin zu sagen, daß das was geworden ist, überhaupt keine Seinsheit sein kann. Aber in welchem Sinne können wir in der oberen Welt von einer Seinsheit sprechen die in dem ausgeführten Sinne aus Nichtseinsheit entsteht? Die Seinsheit in der oberen Welt, werden wir sagen, hat das Seiende eigentlicher und unvermischter und ist daher Seinsheit – soweit das wo Unterschiede an einem Ding sind überhaupt möglich ist – im wahrhaften Sinne; oder besser: wir nennen sie Seinsheit unter Einschluß der Wirkenskräfte; so scheint sie erst die Vollendung des Einen zu sein, aber sie ist durch dies Hinzukommende doch wohl mangelhafter, denn sie ist nicht mehr einfach, sondern entfernt sich bereits von Jenem.

      [2]Aber zurück zur Qualität; es ist zu fragen was sie überhaupt ist; vielleicht kann die Erkenntnis ihres Wesens die Schwierigkeiten eher beheben. Erstens ist also die schon berührte Frage zu prüfen, ob man ein und dasselbe bald als bloß Qualitatives bald als ein die Seinsheit mit Konstituierendes ansehen soll, wobei wir nicht daran Anstoß nehmen dürfen daß das Qualitative konstituierend für die Seinsheit sein soll – es ist es vielmehr für die qualitative Seinsheit. Bei der qualitativen Seinsheit muß nun die Seinsheit, das was ihr Sein ausmacht, notwendig früher sein als ihr Qualitativsein. Was ist denn nun beim Feuer die Seinsheit, die vor der qualitativen Seinsheit ist? Etwa der Körper? Dann wäre die Gattung, der Körper, gleich der Seinsheit; das Feuer aber ist ein heißer Körper; er wäre dann nicht als Ganzes Seinsheit, sondern das Heiße wäre an ihm ebenso akzidentiell wie an dir die Stumpfnasigkeit. Denkt man nun die Hitze und die Helligkeit und die Leichtigkeit, welche ja an ihm als Qualitäten gelten, und die Undurchdringlichkeit fort, so bleibt nur das Dreidimensionale nach, und die Materie wäre die Seinsheit. Das ist aber abzulehnen; vielmehr ist die Form die Seinsheit. Aber die Form ist doch Qualität! Nein, sie ist nicht Qualität, sondern Begriff. Und was ist dann das aus Begriff und Zugrundeliegendem Bestehende? Das kann ja nicht das Sichtbare und das Brennende sein; das ist ja qualitativ. Aber vielleicht faßt jemand das Brennen als eine aus dem Begriff kommende Wirksamkeit auf, und dann auch das Erhitzen und das Erhellen und so weiter als Wirksamkeiten: dann haben wir für die Qualität keinen Platz mehr übrig. Vielleicht soll man alle diese, von denen es heißt daß sie integrierende Bestandteile der Seinsheiten sind, nicht als Qualitäten bezeichnen, wenn und soweit sie denn wirkende Tätigkeiten sind die von den Begriffen und den seinsartigen Kräften ausgehen, sondern nur das was außerhalb jeder Seinsheit ist und nicht bald als Qualität,