Tancred sah das Mädchen zum Office starren.
»Dirne!«
»Dad, ich…«
Der Sheriff kam mit dröhnendem Schritt an die Zelle.
»Hier also bist du! Well, ich hätte es mir denken können. Eines Tages kommt einer und wird dich überreden. Und das ist der da. Dieser Strolch! Ein Hergelaufener! Well, er hat dich also überredet.«
Er schloß die Zelle auf.
»Kommen Sie raus!«
Tancred rührte sich nicht.
»Sie sollen rauskommen!«
»Wozu?« Der Horseman wandte den Kopf und blinzelte den Sheriff an.
»Sie sind zwar ein Landstreicher, und davon werden mich auch neun Enkelkinder nicht abbringen, aber das ist nicht zu ändern – Sie werden Loana heiraten!«
Tancred erhob sich und stieß eine blecherne Lache aus.
»Sie müssen verrückt sein Sheriff. Ich…«
»Was fällt Ihnen ein! Erst wagen Sie es, meiner Tochter nachzustellen, und nun, wo es heißt, Farbe zu bekennen, da wollen Sie kneifen! Nichts da, Bursche, jetzt…«
»… lassen Sie mich endlich mal reden!« unterbrach ihn der Mann aus Ohio und berichtete, wie er in den Hof gekommen war.
Das Mädchen verzog den Mund.
Ach, der nette junge Mann war also nicht ihretwegen gekommen. Und dabei hatte er ihr soviel besser gefallen als der rüde Kid und alle die anderen aus der Stadt…
Der Sheriff wischte sich über die Stirn.
»Raus!« krächzte er.
Tancred verließ die Zelle, ging ins Office, nahm fraglos seinen Waffengurt, schnallte ihn um und sah eine Kanne mit Kaffee auf dem Ofen stehen.
Er nahm sie, setzte den Gießer an den Hals und trank zum Entsetzen des Mädchens und zum Ärger des Sheriffs die Kanne leer. Dann verließ er den ungastlichen Ort.
Am Post Office stand die Overland, bespannt mit vier staubbedeckten Pferden.
Aus dem Office drangen die Stimmen streitender Männer.
»So, einen Magenkrampf hast du also? Hör zu, Ted, ich werde dir etwas sagen, in der vergangenen Woche war es ein Wadenkrampf…«
»Nein, Kopfschmerzen, Boß!«
»Well, es ist mir einerlei! Du kannst gehen, aber laß dich nie wieder hier sehen. Ich kann solche Drückeberger nicht brauchen!«
Ein junger Mann kam aus dem Office heraus und verschwand in der nächsten Schenke.
Tancred wartete noch eine Minute, dann betrat er das Office der Posthalterei.
Hinten an den Holzfässern stand ein älterer Mann mit einem Gewehr in der Hand.
»Hat Serge Sie geschickt?«
Der Horseman wußte selbst nicht, was ihn zu der Antwort brachte, aber er sagte: »Ja…«
»Well, das ist ein wahres Glück. Wir fahren gleich los.«
»Wohin?« entfuhr es ihm.
»Wohin schon, Mann, nach Fort Scott natürlich…«
»Aha.«
»Steigen Sie auf, sehen Sie noch mal nach, ob die Schlaufen hinten an der Staubplane alle zugezogen sind.«
»Ich habe Hunger.«
Der Alte blickte auf.
»Ist denn so was möglich, Mensch. Wie heißen Sie überhaupt? Ich habe Sie noch nie bei Serge gesehen.«
»Tancred, John Tancred.«
»Well, gehen Sie in die Küche, die Frau hat noch Eierkuchen auf dem Ofen.«
Tancred, zum zweitenmal in ein und derselben Stadt verwechselt worden, ging an dem Postdriver vorbei in die Küche.
Da saß ein rundlicher Mann am Tisch und verzehrte eben die letzten Eierkuchen, die ihm eine Negerin auf den Teller getan hatte.
»Wer sind Sie denn?« knurrte er kauend.
Tancred ging wortlos hinaus.
»Der Dicke hat die letzten gegessen.«
»Dann muß es eben mal so gehen.«
Der Ohioman lachte rauh auf und ließ sich auf der Schwelle nieder.
»Ich habe seit zwei Tagen nichts gegessen.«
Der Driver fauchte: »Hier, Mann, gehen Sie zu Tante Mary hinüber, die kocht gut, aber wehe Ihnen, wenn Sie den Schein verflüssigt haben!«
Der Horseman blickte auf den Geldschein, knüllte ihn zusammen und verließ das Post Office.
Tante Marys Speise-Haus stand drüben schräg gegenüber an einem armselig wirkenden Holzhausgiebel.
Als er die Tür des Speisehauses erreicht hatte, schlugen ihm die Düfte einer großen Küche entgegen, und zwar derart stark, daß ihm, dem Ausgehungerten, fast schwindelig wurde.
Er betrat den Speiseraum und steuerte gleich auf eine rundliche Frau zu, die vor der Theke stand.
»Hirschkeule«, sagte er heiser.
»Well, und wieviel Klöße, zwei oder drei?«
»Fünf, Madam, fünf besser aber noch sechs oder sieben…«
Nach einer halben Stunde stand er auf, zahlte und ging hinaus.
Erst in der Tür fiel ihm die Overland wieder ein, als er sie nämlich drüben stehen sah.
Der Driver saß schon auf dem Kutschbock. Ohne zu Tancred hinzusehen, brüllte er:
»Wird’s bald!«
Jonny lachte bitter und stieg auf.
Der Driver nahm die Zügelleinen auf. Langsam zogen die Füchse an.
Die Overland verließ die Stadt und rollte nach Westen.
Es war hügeliges Land.
Grenzland.
Nach einer Fahrstunde nahm der Driver seine Pfeife aus der Tasche, stopfte sie mit einem scheußlichen Knaster und paffte dicke Rauchwolken über seine Schulter.
»Hier kann ich mir immer noch mal den Schmortopf anstecken«, meinte er schmauchend.
Tancred fragte nicht, weshalb er das hier noch könne und nicht sonstwo auf der Strecke auch.
Nach drei Stunden wurde die Fahrt verschärft, da das Gelände jetzt eben war.
Keiner der beiden sprach ein Wort.
Aber als am Horizont Buschgruppen auftauchten, verfinsterte sich das Gesicht des Drivers mehr und mehr.
Und plötzlich nahm er die Zügel in die zusammengekrampften Hände und schrie:
»Hiooo! Hiooo!«
Die vier Füchse warfen sich wütend ins Geschirr und preschten jetzt einen Hohlweg hinunter, der von Büschen stark gesäumt wurde.
»He!« rief Tancred dem Driver zu. »Was gibt’s denn jetzt, daß wir es plötzlich so eilig haben?«
Aber der andere antwortete ihm nicht. Er trieb die Tiere zu noch größere Eile an.
Gefährlich schlingernd und stoßend rumpelte die alte Overland durch den steinigen Hohlweg.
»He, Driver! Wenn Sie vielleicht plötzlich lebensmüde geworden sind, dann lassen Sie mich erst aussteigen!«
Aber der alte James Havelock kümmerte sich nicht um den Zuruf seines neuen Helfers. Mit verzerrtem Gesicht starrte er nach vorn und brüllte wieder: »Hioo! Hioo!«
Und