PURPURUMHANG. Tartana Baqué. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tartana Baqué
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Контркультура
Год издания: 0
isbn: 9783347164758
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winke ihr hinterher, während sie ihr Auto einfach in den fließenden Verkehr einordnet. Wildes Gehupe ertönt. Doch Frau von Ebersbach fährt ungestört weiter.

      Ehrlich gesagt bin ich froh, dass ich allein bin. Sie hätte mich bestimmt nervös gemacht, denn ich brauche bei meinem geringen Budget volle Konzentration.

      Das Corte Inglés ist überwältigend. Im zweiten Stock auf einer riesigen Verkaufsfläche finde ich bekannte und unbekannte Marken der verschiedensten Modedesigner in kleinen, separaten Shops. Zuerst gehe ich herum und verschaffe mir einen Überblick. Prüfe die Kleiderstoffe, die Farben, Schnitte und Preise. Mutig stürze ich mich dann in die Anprobe, obwohl ich dieses An- und Ausziehen gar nicht mag.

      Die ersten Kleider, die ich anprobiere, sind alle viel zu eng. Verwundert frage ich eine Verkäuferin, die mir erklärt, dass die spanischen Maßangaben nicht den deutschen entsprechen. Die spanischen Frauen seien generell kleiner und schmaler als die deutschen.

      Nach zwei Stunden tun mir Füße und Beine weh. Meine Laune ist total auf dem Nullpunkt angekommen und mein Magen knurrt. Frustriert mache ich mich auf den Weg zum Ausgang.

      Am Aufzug entdecke ich einen Damenshop, der auch größere Größen anbietet. Ich spreche mir noch einmal Mut zu, denn ich weiß, ich brauche unbedingt ein neues Kleid. Diesmal habe ich Glück.

      Nach einigem Suchen finde ich ein gelbes kurzes und ein schwarzes knielanges Kleid in meiner Größe. Beide Kleider sind aus seidigem Stoff mit einem hohen Baumwollanteil gefertigt, der meine Figur ganz locker umspielt. Der Schnitt ist schlicht und trotzdem elegant, und der tiefe V-Ausschnitt lenkt von meinem Bauch ab. Wenn ich einen Body darunter trage, wirke ich schlanker als sonst. Und das wichtigste Kaufargument ist der Preis, denn beide Kleider sind fünfzig Prozent heruntergesetzt.

      Fieberhaft überlege ich, was ich der Verkäuferin sagen könnte, falls meine Kreditkarte nicht funktioniert.

      Mit zitternden Händen übergebe meine Karte an der Kasse. Beiße auf meiner Unterlippe herum. Zwinge mich, genau das zu tun, was ich meinen Patienten immer sage, damit sie nicht in Panik geraten und hyperventilieren. Mit starrem Blick wiederhole ich innerlich mehrfach, wobei ich bewusst langsam ein- und ausatme: Ich bin ganz ruhig und entspannt. Alles wird gut.

      Die Kassiererin reicht mir einen Stift und weist auf das Display. Ich unterschreibe und erhalte meine Karte mit dem Kassenbon.

      „Thank you very much. You are welcome“, sagt sie mit einem breiten Lächeln und überreicht mir eine schwarze Lacktragetasche mit meinen neuen Kleidern.

      Diese Schlacht habe ich gewonnen. Mit dem aufrechten Gang einer Siegerin verlasse ich die Damenabteilung.

      Am Aufzug fällt mein Blick auf das Hinweisschild <Restaurant>. Mein hungriger Magen sagt mir unmissverständlich, dass es auch noch andere Bedürfnisse zu befriedigen gibt, als schön auszusehen.

      Erschöpft lasse ich mich auf dem grauen Sessel im Restaurant fallen. Einige Tische des minimalistisch eingerichteten Raums sind besetzt. Bei der Kellnerin bestelle ich ein Carpaccio mit einem gemischten Salat. Um meinen Durst zu löschen, nehme ich ein Wasser mit Gas und für meine Seele ein Glas Cava … natürlich mit Eis.

      Ich lehne mich im Sessel zurück und schließe meine Augen. Es ist zum Verrücktwerden. Manche Frauen lieben es einzukaufen. Doch mich strengt Einkaufen und Geldausgeben total an. Und Geld für mich auszugeben, bereitet mir ein schlechtes Gewissen.

      Bescheuert, mein Schuldgefühl, das sich dann in mir ausbreitet.

      Peter hat doch nie etwas für mich zahlen müssen!

      Mein Nacken schmerzt.

      5

      Die Nacht habe ich mehr recht als schlecht überstanden. Ich finde es schrecklich, wenn ich nicht weiß, was mich erwartet. Gut, dass ich mir die beiden neuen Kleider gekauft habe. Der Blick im Spiegel bestätigt mir, dass ich weitaus vorteilhafter aussehe als vorher. Mein neues schwarzes Seidenkleid ist leicht ausgestellt, und der tiefgezogene Wasserfallausschnitt kaschiert meinen Bauch. Meine frisch gewaschenen Haare habe ich glatt nach hinten zu einem dicken Knoten hochgesteckt. Vielleicht etwas zu streng, aber ich weiß ja nicht, auf was für einen illustren Kreis ich stoßen werde.

      Mein Herz rast. Am liebsten würde ich absagen. Aber was dann?

      Ehe ich mich vor dem Meeting drücken kann, klopft es an der Tür, und der Hotelpage holt mich pünktlich ab. Ich folge ihm in den obersten Stock. An einer großen dunkelbraunen Holztür bleibt er stehen. Zweimal lässt er den mittig in der Tür angebrachten goldenen Löwenkopf gegen das Holz fallen. Ein Diener in einer schwarzen Livré öffnet die Türe.

      „Su invitación, por favor.“

      Ich strecke ihm meine Einladungskarte entgegen.

      Er wirft einen kurzen Blick auf die Karte: „Bienvenida Sra. Julia Bergheimer. Por favor entra.“

      Ich blinzle mit den Augen, um mich an die Lichtverhältnisse anzupassen.

      Ein überdimensional großer venezianischer Kristalllüster an der Decke spendet gedämpftes gelbliches Licht. In der Mitte des Zimmers befindet sich ein rechteckiger rosafarbener Marmortisch. Mehrere unterschiedlich bizarr gestaltete Metall-Stühle, deren Sitzflächen und Armlehnen mit schwarzem Leder bezogen sind, stehen um den Tisch.

      Der Diener führt mich zu einer Sitzgelegenheit am Kopfende.

      Obwohl mein Stuhl sperrig aussieht, merke ich, dass ich sehr bequem sitzen kann. Mir gegenüber befindet sich ein größerer Sessel mit einer aufgedruckten goldenen Maske in der Rückenlehne.

      „Que quieres beber?“, fragt mich der Uniformierte.

      „Un agua … con gas … y … cubitos de hielo … aparte“, stottere ich und ärgere mich über mich selbst.

      Ich fühle mich nicht wohl in dieser seltsamen Umgebung. Meine Hände zittern ein wenig, als ich die Eiswürfel in mein Glas fallen lasse. Ich nippe an meinem Wasser und rutsche auf die Stuhlkante, fluchtbereit.

      Endlich geht die Türe auf und sechs seltsam vermummte Personen nehmen am Tisch Platz. Sie tragen lange Umhänge, die bis zum Hals geschlossen sind. Ob es Frauen oder Männer sind, kann ich nicht erkennen. Je nachdem wie das Licht des Kronleuchters fällt, schimmert der seidige Stoff mal mehr rot, bläulich oder violett. Die gleichfarbigen Kapuzen haben sie tief in die Stirn gezogen, sodass ich ihre Gesichter nur teilweise sehen kann. Ich sehe bei der Person, die neben mir Platz nimmt, dass sie eine schwarze Gesichtsmaske aus feinem Leder trägt, die nur die Augen und den Mund freilässt. Die Hände stecken in langen schwarzen Lederhandschuhen, die bis über die Ellenbogen reichen. An den Füßen bemerke ich schwarze Lacklederschuhe.

      Mein Magen macht sich unangenehm bemerkbar. Bin ich bei einer Sekte oder beim Ku-Klux-Klan gelandet?

      Mir gegenüber hat sich eine große Person auf den Sessel gesetzt. Sie öffnet ihren Laptop. Die beiden Kronleuchter an der Decke verdunkeln sich langsam. Die passenden Kristalllampen an den Wänden verlöschen vollständig. Gleichzeitig leuchten an allen vier Seiten des Raumes große Bildschirme hell auf.

      „Buenos dias“, erscheint auf den Schirmen, wie von Geisterhand geschrieben, „Miercoles, 12. de Junio 2019, CLUB ONE, Marbella”.

      Im Halbdunkel erkenne ich, dass die Person, die mir gegenübersitzt, in ihren Computer tippt.

      „Wir haben uns auf Englisch als Kommunikationssprache geeinigt. Jede Sprache wird ab sofort simultan ins Englische übersetzt.“

      Das Licht des Laptops erhellt schwach ein kantiges Gesicht. Dunkle Augen richten sich auf mich.

      „Ich möchte als Gast heute besonders herzlich Julia Bergheimer begrüßen. Sie kommt aus Deutschland und arbeitet in ihrer eigenen Praxis als Psychotherapeutin in Köln.“

      Die maskierten Personen drehen ihren Kopf zu mir. Sie nicken mir ganz leicht zu.

      Jetzt hebt der Sprecher seinen Kopf und spricht mich an – der Stimmenverzerrer macht es mir unmöglich, die Stimme Mann oder