PURPURUMHANG. Tartana Baqué. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tartana Baqué
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Контркультура
Год издания: 0
isbn: 9783347164758
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geht so gerade“, murmle ich vor mich hin.

      Dann drehe ich mich zur Seite. Es ist immer das Gleiche. Von vorne sehe ich passabel aus, aber von der Seite wie eine Tonne.

      Ich schlüpfe in die weißen Pumps und stecke mir die Haare hoch. Könnte jetzt so ein Meter achtzig sein. Größe streckt! Der erneute Blick im Spiegel beruhigt mich etwas. Eine ältere gepflegte vollschlanke Frau lächelt mich müde an.

      Die Zimmertür fällt ins Schloss, und ich stecke die Magnetkarte in meine Handtasche.

      Jetzt erst entdecke ich den weißen Umschlag von Lisa. Mit einem Zeigefinger reiße ich den Brief auf. Fünf Hundert-Euroscheine fallen auf den beigen Marmorboden. Den zusammengefalteten Zettel kann ich noch auffangen. Kurz und knapp ist ihre Nachricht: ‚Für meine beste Freundin. Mache Dir ein paar schöne Tage. In Liebe Deine Lisa.‘

      Das ist typisch für sie. Denkt praktisch und an alles. Mit meinen zweihundert Euro wäre ich bestimmt nicht sehr weit gekommen. Ich hebe die Geldscheine auf und stecke sie in mein Portemonnaie.

      „Danke, danke!“, tippe ich schnell eine Nachricht mit einem Herzchen an sie in mein Handy. „Bilder folgen.“

      „Natürlich können Sie in unserem Restaurant noch dinieren“, beruhigt mich die Rezeptionistin freundlich, „nehmen Sie gleich hier die Treppe. Der Eingang zum Restaurant ist rechts unten vor der großen Außentüre zum Garten.“

      Ganz schön steil, die zehn Meter breite Marmortreppe. Vorsichtig gehe ich die weißen Stufen hinunter. Ich bin fast unten angekommen, als ich plötzlich den Halt verliere. Kein Geländer in der Nähe, da ich mich in der Mitte der Treppe befinde.

      Eine starke Hand packt mich unerwartet am rechten Arm und bewahrt mich vor dem unweigerlichen Sturz. Ich atme einen herben männlichen Duft ein. Für einen kleinen Moment lehne ich an einer breiten Brust und höre seinen ruhigen Herzschlag.

      „Gracias“, stottere ich.

      „De nada.“

      Stahlblaue Augen durchbohren mich. Der Unbekannte lässt mich los und verschwindet durch die Gartentür.

      Was war das denn?

      Ich bleibe auf der unteren Stufe stehen und atme tief durch. Immer noch spüre ich seine Nähe und rieche seinen Duft. Diese sonore Stimme! Und diese faszinierenden blauen Augen.

      Irgendwie auch arrogant, überlege ich. Doch jetzt ist nicht der Zeitpunkt, sich mit so etwas zu beschäftigen.

      Die Restauranttüre vom Los Olivos steht weit offen. Lautes Stimmengewirr klingt mir entgegen. Ich meldete mich beim Empfang.

      „Haben Sie reserviert?“, fragt mich der Kellner.

      „Nein, ich bin gerade angekommen.“

      „Welche Zimmernummer haben Sie?“

      „Nummer achtundsechzig.“

      „Warten Sie einen Augenblick. Ich schaue, ob ich noch ein Plätzchen für Sie finde.“

      Ich brauche nicht lange zu warten. Er führt mich zu einem kleinen Tisch im hinteren Teil der Terrasse, wo ich sogar die beleuchtete Poollandschaft inmitten des weitläufigen Gartens sehen kann. Entspannt lehne ich mich in dem bequemen schwarzen Korbstuhl zurück. Für einen Moment schließe ich meine Augen. Genieße die angenehme kühle Luft. Zwischen den Palmen und anderen kleinen und größeren Sträuchern erhellen Lampen die Gartenwege. Vor dem dunklen Hintergrund der Landschaft erstrahlt der Swimmingpool intensiv in Himmelblau. Es ist hier so schön wie in meinen kühnsten Träumen. Ich bin in meiner Märchenwelt angekommen. Vor vier Tagen noch beherrschten mich Wut und Verzweiflung. Hatte sogar überlegt, meinem Leben ein Ende zu setzen – und heute? Heute sitze ich im Paradies. Kontrastreicher geht es nicht.

      Eine elegant gekleidete Frau undefinierbaren Alters am Nebentisch bestellt gerade einen Salat Cesar. Eigentlich keine schlechte Idee, denn der liegt mir nicht so schwer im Magen.

      Ich winke dem Kellner: „Que quieres comer?“

      „También me gustaría una ensalada César”, antworte ich in meinem Schulspanisch.

      „Está bien. Y qué quieres beber?“

      Bevor ich antworten kann, sagt eine Nachbarin: „I always have a glass of champagne“, mit einem Lächeln, „may I invite you?“

      „Thank you very much.“ Ich beuge mich zu ihr hinüber. „That’s very kind of you, and I like to have a glass of champagne too.“

      Dem Kellner nicke ich zu, damit er die zwei Glas Champagner notiert.

      „My name is Julia Bergheimer. I come from Cologne, Germany“, sage ich und reiche ihr zur Begrüßung die Hand.

      „Welcome! My name is Sirina Meriska and I’m from Kabul, Afghanistan.“

      „Wenn es Ihnen nichts ausmacht, könnten wir gemeinsam essen“, schlage ich meiner Tischnachbarin vor.

      „Gern, ich habe auch keine Lust allein zu essen“, antwortet sie und bittet den Kellner, unsere Tische zusammenzustellen.

      Während wir auf unseren Salat warten berichtet Sirina von ihrer Arbeit als Ärztin mit psychisch kranken Kindern. Sie ist im Auftrag der UNO unterwegs, um für die Gleichberechtigung der Frauen und Mädchen in ihrem Land zu werben. Ich erzähle von meiner Tätigkeit als Psychotherapeutin in Köln.

      Nach einer Stunde habe ich meinen Salat immer noch nicht aufgegessen.

      Sirina klagt die Männer in Afghanistan an, weil die nicht bereit sind, Frauen als gleichberechtigte Partner anzuerkennen. Sie hat sich deshalb vor zwei Jahren von ihrem Mann scheiden lassen.

      „Glauben Sie nur nicht, dass in Deutschland die Verhältnisse besser sind. Auch da existiert die Gleichberechtigung nicht überall“, wettere ich mit hochrotem Kopf los.

      Ich erzähle ihr von Peter, wie er mich ausgenutzt und betrogen hat. Auf einmal ist mir so leicht. Der Champagner tut seine Wirkung, und ich schütte ihr mein Herz aus. Verschweige nicht mein finanzielles Desaster, in das ich mich selbst hineingeritten habe.

      Sirina hält meine Hand und tröstet mich.

      „Haben Sie keine Angst, Julia. Wichtig ist, dass Sie Ihren Mut nicht verlieren. Lernen Sie aus Ihren Fehlern.“ Sie schaut mich mit ihren großen schwarzen Augen an. „Glauben Sie mir, ich bin auch durch die Hölle gegangen. Man hat mir nichts geschenkt. Und jetzt …“, sie lacht laut und klatscht in ihre Hände, „jetzt bin ich ein vollwertiges anerkanntes Mitglied der UNO und kann so viel bewirken und helfen, wie nie zu vor.“ Sie zwinkert mir mit einem Auge zu: „Vergessen Sie Ihren Peter! Er hat Sie nicht verdient!“

      Plötzlich höre ich ein klackerndes Geräusch, und Sirina und ich drehen uns um. Ich rieche den herben Parfümduft. Im Halbdunkel des Kerzenlichtes erkenne ich den Mann von der Treppe, der seinen Stuhl festhält. Seine Augen wirken finster und schauen mich an.

      Ich lächle ihm zu. Doch er nickt nur kurz und verschwindet im Schatten der Sträucher.

      Es ist weit nach Mitternacht. Sirina winkt den Kellner heran. Sie besteht darauf, die Rechnung zu übernehmen. Zum Abschied umarmen wir uns herzlich und versprechen uns, dass wir weiterhin Kontakt halten wollen.

      In meinem Apartment angekommen, schalte ich sofort die Klimaanlage aus. Weit öffne ich die Balkontüre und lasse die kühle Nachtluft ins Zimmer. Ohne mich zu waschen, falle ich ins Bett.

      In den Morgenstunden höre ich Vogelgezwitscher. Die Stimmen der Gärtner dringen von unten herauf. Mit einem Ruck setze ich mich auf.

      „Oh, so ein Mist“, schimpfe ich laut vor mich hin. „Was habe ich denn gestern alles erzählt. Wie peinlich!“

      Nach dem Golftraining werde ich an die Rezeption gehen und nach Sirina fragen. Ich muss mich mit ihr auf alle Fälle noch einmal treffen, damit sie einen anderen Eindruck von mir bekommt.

      4

      Um