„Wir danken Ihnen sehr herzlich, dass Sie den Mut gefunden haben, unser Angebot anzunehmen. Bitte unterschreiben Sie den vor Ihnen liegenden Vertrag. Die Mitglieder werden ihn danach gegenzeichnen. Die Urkunde wird bis zu Ihrem Ableben in unserem Safe aufbewahrt. Nachdem Sie Ihren Auftrag in Marbella erledigt haben, erhalten Sie Ihr Honorar. In den nächsten Jahren sind weitere Meetings geplant, zu denen Sie gesondert einladen werden. Ihr monatliches Geld wird Ihnen ab sofort auf Ihr Konto eingezahlt. Ihr Vertrag gilt lebenslang.“
Mir ist kalt. Leicht ziehe ich meine Schultern hoch. Worauf lasse ich mich da ein? Was ist damit gemeint: „… bis zu meinem Ableben“?
Im gleichen Tempo tauchen weitere Worte auf den Bildschirmen auf: „Mit unserer Genehmigung können Sie auch andere Arbeiten zusätzlich annehmen.“
Ich verschränke die Arme vor meiner Brust. Ich kann mich des unangenehmen Eindrucks nicht erwehren, dass ich einen Pakt mit dem Teufel abschließe.
Paco gibt mir ein Blatt Papier, auf dem nur ein Satz steht. „I confirm!“
Ich blicke auf.
Ohne dass ich eine Frage gestellt habe, sagt mein Gegenüber mit schnarrender Stimme: „Wir lesen jetzt die Vertragspunkte im Einzeln nochmals vor. Es ist unser Kodex, dass wir uns an das gesprochene Wort halten. Deshalb bedarf es keiner weiteren schriftlichen Form.“
Klar, eine Mordandrohung sollte man nicht schriftlich festhalten. Ich denke mir meinen Teil und lehne mich matt zurück. Ich kann jetzt sowieso nichts mehr ändern.
Die Regeln des Clubs werden noch einmal hintereinander weg vorgelesen.
Bei Punkt 6 beginnt mein Magen erneut zu schmerzen, denn ich stimme der totalen Überwachung und Kontrolle meiner Person zu. Ich weiß, dass ich ab sofort Eigentum des Clubs bin und keinen Ortswechsel ohne Erlaubnis vornehmen darf. Ich falte meine Hände, um mein Zittern zu verbergen.
Noch einmal werde ich darauf hingewiesen, dass ich keinen Kontakt zu den Clubmitgliedern aufnehmen darf. Ebenso ist es verboten, Nachforschungen hinsichtlich ihrer Identität vorzunehmen. Diese Forderungen leuchten mir ein. Ich habe sowieso kein Interesse an diesen Mitgliedern. Außerdem habe ich es immer so gehalten: Patientenkontakte privater Natur sind ein absolutes Tabu für mich.
„Bitte bestätigen Sie besonders Punkt 10“, wendet sich der oder die Vorsitzende persönlich an mich. „Bei Nichteinhaltung der Regeln des Clubs müssen wir Sanktionen aussprechen. Die Bestrafung liegt im Ermessen der Mitglieder. Sie kann von der einfachen Rückzahlung einer genannten Summe bis hin zur völligen Vernichtung Ihrer Existenz bzw. Person reichen.“
Ein spitzer Schmerz zieht durch meine Brust. Mir ist schwindlig. Meine Gedanken überschlagen sich in meinem Kopf. Panik breitet sich in mir aus. Ich versuche, meinen Atem zu kontrollieren.
Mit eisernem Willen durchbreche ich meine Angst, denn ich will diesen Vertrag mit dem CLUB ONE. Auf mein Surface tippe ich: I kon… Ich lösche das K … setze erneut an: „I confirm.“
Die Bildschirme erlöschen, und der Kronleuchter erhellt den Raum.
„Bitte unterschreiben Sie hier.“ Paco zeigt auf das leere Blatt vor mir und reicht mir einen Montblanc Füller mit goldener Feder.
Mein Vater hatte mal so einen, schießt es mir durch den Kopf. Einen kurzen Moment halte ich inne. Du kannst noch nein sagen!
Doch schon führt meine Hand den Füllfederhalter über das glatte Papier. Letztendlich passiert hier nichts anderes als das, was Banken bei Kreditverträgen machen. Nur werden wir nicht so deutlich auf die negativen Ausmaße hingewiesen. Wenn wir nicht zahlen, nehmen uns die Geldinstitute alles, in letzter Konsequenz indirekt auch unser Leben.
Also, was soll’s? Jetzt gibt es kein Zurück mehr. Ich stoße meinen Atem leicht hörbar aus und vollende meine Unterschrift.
„I confirm“, Julia Bergheimer, Marbella 12. Junio 2019. Alea iacta est. Die Würfel sind gefallen.
Paco schraubt den Füller zu. Er streut etwas feinen Sand auf meine feuchte Unterschrift und reicht das Dokument an das nächste Clubmitglied. Von einem goldenen Tablett, das ich jetzt erst auf dem Tisch realisiere, nimmt er eine rote Siegellackstange. Mit einem Cartier-Feuerzeug entzündet er eine dicke schwarze Kerze und hält die Stange in die Flammen.
Stille herrscht im Raum. Ein beißender Geruch nach Verbranntem breitet sich aus.
Paco tropft den Siegellack auf das Dokument. Schweigend drückt mein vermummter Nachbar seinen Siegelring in den weichen Lack. Nacheinander setzen vier der anwesenden Mitglieder ihren Ring auf das Papier. Zum Schluss ist die vermummte Gestalt mir gegenüber an der Reihe. Sie hebt ihren Blick. Schaut mir direkt in meine Augen …
Mir stockt für eine Sekunde der Atem: Hilfe! Solche stahlblauen Augen. Ich kann mich ihnen nicht mehr entziehen.
Wie hypnotisiert beobachte ich, wie die Person mit dem purpurnen Umhang ihren Ring hochhebt, ihn hart in den roten Lack auf das Papier drückt.
Instinktiv schüttle ich meine rechte Hand, die mir auf einmal schmerzt.
Paco rollt das Blatt zu einer dünnen Rolle zusammen, die er mit einem tiefroten Samtband umwickelt und mit dem Lack versiegelt.
„Der Vertrag zwischen Frau Julia Bergheimer und den Mitgliedern des CLUB ONE mit den Nummern 1, 9, 14, 20, 22 wurde heute verlesen, verstanden und von allen anwesenden Personen mit ihrer Unterschrift akzeptiert“, verkündigt er laut und übergibt das Dokument dem Vorsitzenden.
Das Licht des Kornleuchters verdunkelt sich und auf den Bildschirmen erscheint: „Vielen Dank, Frau Julia Bergheimer. Wir freuen uns auf unsere Zusammenarbeit. Und danken Ihnen für Ihre Hilfe. Unsere nächste Zusammenkunft ist am Mittwoch um 11: 00 Uhr. Die Sitzung ist geschlossen.“
Schweigend verlassen die Mitglieder nacheinander den Raum.
Erst jetzt sehe ich den runden roten Kreis auf meiner rechten Hand.
6
Paco nimmt meinen Laptop und begleitet mich zu meiner Suite. Der Salon ist lichtdurchflutet, und die Seidentapete an den Wänden schimmert himmelblau. Die eingewebten goldenen Lilienornamente scheinen auf der Tapete zu schweben. Der große Nussbaumtisch erscheint mit seinen Blumenintarsien fast golden. Ich bleibe einen Moment stehen und atme dieses schöne Ambiente ein. Hier werde ich also für acht Wochen leben.
Es klingelt an der Tür, und Paco lässt Frau Wegener herein. Sie übergibt mir mein iPhone.
„Wenn Sie die 952 333 333 wählen, haben Sie mich immer direkt in der Leitung.“ Sachlich, als wäre sie ein Roboter, erklärt sie mir die verschiedenen Funktionen des Handys. Dabei schaut sie mich hin und wieder an und verzieht nach jedem Satz ihren Mund seltsam nach links.
„Beachten Sie, dass Sie nur mit unserer Erlaubnis ins Internet gehen dürfen. Wir kontrollieren jeden Ihrer Schritte und hören Sie ab. Sie dürfen keine Nachforschungen über unsere Gruppe oder die Mitglieder machen.“
Ich nicke. Am liebsten hätte ich eine Bemerkung gemacht, denn warum erzählt sie mir das alles noch einmal? Ich habe es verstanden. Ich bin ja nicht blöd. Ich habe den Vertrag des Clubs unterschrieben, und ich werde mich ab sofort an die Bedingungen halten.
„Wenn Sie noch Fragen haben, können Sie mich jederzeit anrufen“, beendet sie ihre Ausführungen und reicht mir zum Abschied ihre Hand.
Ich zucke zusammen. Mit spitzen Fingern ergreife ich sie und verabschiede mich mit einem gemurmelten Danke. So eine weiße Hand! Wahrscheinlich geht sie nie in die Sonne.
„Señora Bergheimer, ich muss Ihnen nun das Fußkettchen anbringen“, sagt Paco entschuldigend. Aus einem kleinen Kästchen holt er eine dünne Goldkette. „Bitte stellen Sie Ihren Fuß hier auf den Stuhl.“ Während er das Kettchen befestigt, fährt er fort: „Sie dürfen die Kette niemals abnehmen. Der Brillantverschluss ist mit einem Sender versehen, sodass wir Sie jederzeit orten können.“
Skeptisch