PURPURUMHANG. Tartana Baqué. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tartana Baqué
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Контркультура
Год издания: 0
isbn: 9783347164758
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stupst mich an. Sie nimmt den Fuß vom Gas und lenkt den Wagen auf den Parkplatz direkt vor dem Terminal D des Köln-Bonner Flughafens. „Soll ich dich noch zum Schalter bringen?“

      „Nein, lass mal. Es geht schon wieder. Das Schlimmste habe ich geschafft. Er ist einfach ein Egoist. Ich wollte es nur nie wahrhaben.“

      Wir holen den Koffer und die Golftasche aus dem Kofferraum. Lisa reicht mir meine Handtasche, wobei sie schnell einen weißen Umschlag in die Seitentasche steckt. Kurz umarmen wir uns.

      „Ciao Julia, ruf mich an, wenn du in Marbella bist.“

      „Versprochen, mache ich.“

      „Und schicke mir Fotos von deinem Golflehrer“, ruft sie laut hinter mir her.

      Ein Lächeln huscht über mein Gesicht.

      3

      Mit jeder Flugstunde, die sich der Airbus A320 Málaga nähert, wird mein Kopf-Kino leiser. Zwischendurch bin ich sogar eingenickt. Der Kapitän kündigt den Landeanflug an. Der Druck auf meine Ohren verstärkt sich, und ich presse die Luft in sie hinein, bis ich den Druckausgleich geschafft habe. Tut ein bisschen weh, aber ich kann wieder normal hören.

      Ich bin noch nie in Málaga gewesen. So folge ich den Menschenmassen, die sich über die beiden Rolltreppen hinunter zur Gepäckausgabe bewegen. Band zweiunddreißig ist ausgeschildert.

      So groß habe ich mir den Flughafen nicht vorgestellt.

      Geduldig stehe ich mit den Fluggästen am Gepäckband und warte. Ich konnte einen Trolley ergattern, sodass ich mein sperriges Golfgepäck und meinen kleinen Koffer nicht durch den Flughafen ziehen muss.

      Es herrscht hektisches Treiben. Bestimmt stehen hier unten tausend Menschen an den Bändern oder streben zum Ausgang beziehungsweise zum Car-Rental.

      Ich frage eine deutsche Familie nach dem Weg. Sie weisen mich auf die Anzeige ‚Salida‘ hin, der ich nur zu folgen brauche.

      Ich rolle mit dem Gepäckwagen an einem Golfgeschäft vorbei und gehe durch eine große Glastür, die sich automatisch öffnet. Von weitem sehe in der Vorhalle einen Fahrer mit beiger Uniform und einem großen Schild, auf dem mein Name steht.

      „Frau Bergheimer?“, fragt er in exzellentem Deutsch. „Ich bin Antonio, Ihr Fahrer. Bitte folgen Sie mir. Der Wagen steht gleich im ersten Parkhaus.“ Er übernimmt den Trolley und lächelt mich aus tiefbraunen Augen an.

      Ich bin angekommen und brauche mich um nichts mehr zu kümmern. Was für eine Wohltat. Heiße Luft schlägt mir entgegen, als ich aus dem Terminal trete. Erstaunt schaue ich auf die Uhr. Es ist 19: 00 Uhr.

      „Wie viel Grad ist es?“, frage ich und ziehe meine blaue Strickjacke aus.

      „Es sind achtundzwanzig Grad. Im Juli wird es noch heißer. Zur Mittagszeit haben wir dann um die vierzig bis fünfundvierzig Grad in der Sonne. Wir Spanier halten dann Siesta und gehen erst ab 18: 00 Uhr wieder auf die Straße. Nur die Touristen sind so leichtsinnig und legen sich am Strand in die pralle Sonne.“

      Er hält mir die Wagentüre auf, und ich setze mich auf den bequemen Lederrücksitz der Mercedes-E-Limousine. Leise rollt der Wagen los. Die Klimaanlage kühlt die Innentemperatur angenehm herunter.

      „Wir fahren über die Pay-Route“, erklärt er mir, „sie ist vor ca. fünfzehn Jahren als Entlastung der alten Küstenstraße A-7 gebaut worden. In den Sommermonaten sind die Autobahngebühren mit sieben Euro und achtzig Cent für die Bevölkerung der umliegenden Städte viel zu teuer. So ist das Verkehrsaufkommen mäßig, und wir können zügig nach Marbella durchfahren.“

      Wie in einem Film nehme ich die bergige Landschaft mit den vielen, in allen Farben blühenden Oleander-Sträuchern wahr. Sie wachsen Kilometer lang auf dem Mittelstreifen oder am Rande der Autobahn. Von weitem sehe ich das dunkelblaue Meer. Verschiedene Urbanisationen, einzelne Villen, große und kleine Hotels. Langgezogene Golfanlagen zerteilen die braune und grüne Landschaft vom Meer bis hoch in die Berge.

      Als wir am La Cañada, dem größten Einkaufszentrum von Marbella, vorbeifahren, wird der Verkehr dichter. Erstaunt stelle ich fest, dass sehr viele hochwertige Luxusautos an uns vorbeifahren. Es scheint zu stimmen, dass Marbella die Stadt der Reichen und Schönen ist.

      „Wollen Sie noch etwas von Marbella sehen, oder soll ich auf der Pay-Route bleiben?“, fragt Antonio und schaut mich im Rückspiegel direkt an.

      „Ach, ich möchte noch etwas von Marbella sehen“, antworte ich.

      Sofort setzt er den Blinker und fährt rechts durch einen langen Tunnel, vorbei am Corte Inglés, einem der schönsten spanischen Kaufhäuser. Dann nimmt er die nächste Ausfahrt nach Nueva Andalucia. Er verlangsamt unsere Fahrt und folgt dem Hinweisschild zu den Golfclubs: Aloah, Las Brisas und Los Naranjos. Wunderschöne Villen säumen unsere Strecke.

      „Können Sie etwas langsamer fahren?“, bitte ich Antonio. „Es blühen hier so viele Bäume und Sträucher, und die Häuser sind so pompös.“

      Jetzt versteh ich, warum es Lisa hier so gut gefallen hat.

      Nach einigen Kurven lenkt Antonio den Mercedes an einem hohen rotbraunen Torbogen mit der Beschriftung LOS ALMENDROS GOLF CLUB vorbei und hält direkt vor dem Eingang des Hotels.

      „Madame, wir sind angekommen. Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Aufenthalt.“

      Ich ergreife seine ausgestreckte Hand.

      „Danke, Antonio, für die angenehme Fahrt.“ Ich reiche ihm ein paar Euros.

      „Nein danke, wir nehmen kein Trinkgeld“, weist er mich freundlich, aber bestimmt ab.

      Eine angenehme Kühle umfängt mich, als ich die Empfangshallte betrete, die im maurischen Stil gestaltet ist. Der beige Marmorboden ist geometrisch durch weiße Marmorplatten unterteilt, sodass die Halle an Weite gewinnt. Die Decke besteht aus dicken dunkelbraunen Holzstämmen, die durch zusätzliche Schnitzereien unterbrochen ist. Ich bin erstaunt, denn alle Wände sind weiß, und kein Bild ist zu sehen.

      Mir fällt ein, dass ich gelesen habe, dass ein Verbot von bildlichen Darstellungen von Menschen und Tieren im Islam besteht.

      Andalusien befand sich von 1238 bis 1492 unter der muslimischen Herrschaft der Araber. Granada war damals der Hauptsitz, dem Sultanat, mit der weltberühmten Alhambra. Die Region ist noch heute durch diese fast dreihundertjährige Herrschaft geprägt.

      Ich blicke mich um und suche die Rezeption. Der Page stellt mein Gepäck ab. Erst jetzt realisiere ich, dass ich mich am Empfang befinde. Man stelle sich eine geschwungene weiße, in vielen Wellen unterteilte, riesige Truhe vor, die man in drei gleiche Teile zerschneidet.

      Mein Kleid klebt mir am Körper und ich bin froh, dass ich den leidigen Papierkram recht zügig erledigen kann. Mein Golfgepäck wird sofort zum Golf Club gebracht, und ich erhalte den Schlüssel für den Spind sechsundzwanzig.

      In Begleitung des Hotelpagen erreiche ich mein Zimmer Nummer achtundsechzig im ersten Stock. Sobald er gegangen ist, öffne ich die Balkontüre weit, um frische Luft reinzulassen. Doch heiß strömt mir die Außenluft entgegen und nimmt mir fast den Atem. Schnell verschließe ich die Balkontür wieder.

      Okay, ich mag zwar keine Klimaanlagen, aber es müssen auch Ausnahmen gelten. Ich drehe die Temperaturanzeige auf achtzehn Grad und ziehe mich aus.

      Ich brauche unbedingt eine Dusche.

      Das Bad wirkt schlicht mit den grauen Marmorplatten, aber die blauen Kachelleisten geben dem Raum eine gewisse Eleganz.

      Meinen Körper schrubbe ich derart heftig ab, als wolle ich die Erinnerung an Köln, Deutschland und Peter abwaschen. Ich will frei sein. Von allem ganz frei sein.

      Nur in ein weißes Badehandtuch gewickelt lasse ich mich auf mein Kingsize-Bett fallen und schlafe ein.

      Das Knurren meines Magens weckt mich.

      Ein Blick auf mein Handy: 21: 00 Uhr. Ob ich um diese Uhrzeit noch etwas zu Essen bekomme?

      Meine